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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 150-228)

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Nr. 221 - Nr. 228 (21. September - 30. September)
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WssmMft an- Kunst / Aus -er Mit -er Frau / Die Lekeftun-e

Pfälzer Bote

Äienstag, 24. September 19ZS

ro. Jahrgang / Nr. 22Z

Auf der Suche nach einem Ausweg
Beurteilung der Lage in London / Vorbesprechungen des britischen Kabinetts

Hoare an Mussolini
Englischer Botschafter überreicht Mussolini
persönliche Botschaft des Außenministers Hoare
DNB Rom, 23. Sept.

Effektenbörse trotzdem fest
DNB London, 23. Sept.
Mit der Entscheidung des Genfer Fünferaus-
schusses, die Weiterverhandlungen über den abes-
sinischen Streit an den Völkerbund zurückzuver-
weisen, ist die Lage — nach übereinstimmender
Ansicht in London — völlig auf dem toten
Pvnkt angelangt.
Im Hinblick auf die Dringlichkeit der Ent-
scheidung, die nunmehr notwendig zu sein
scheint, fand bereits am Montagnachmittag unter
dem Vorsitz des Ministerpräsidenten Baldwin
in der Downingstreet eine Besprechung der
führenden Kabinettsmitglieder
statt, die etwa eine Stunde dauerte und aus-
schließlich der Vorbereitung der für Diens-
tag vormittag einberufenen Vollsitzung des
Kabinetts galt.
Naturgemäß sind in dieser Besprechung noch:
keinerlei Beschlüsse gefaßt worden: doch dürften
voraussichtlich die Rechtlinien für die Haltung

DNB. Eens, 23. Sept.
Das Völkerbundssekretariat ver-
öffentlichte am Montagabend den vollständigen
Wortlaut der Vorschläge, die der Fün-
feraus schuß am 18. September den Vertre-
tern Abessiniens und Italiens unterbreitet hat.
Die Vorschläge gehen davon aus, daß es Auf-
gabe des Ausschusses sei, eine Verhandlungs-
grundlage zu finden, die sich von dem Grund-
satz der Unabhängigkeit und gebietsmäßigen
Unversehrtheit und der Sicherheit aller Mit-
gliedsstaaten des Völkerbundes leiten lasse. Da
für alle Völkerbundsmitglieder die Verpflich-
tung bestehe, die Unabhängigkeit der anderen
Mitglieder zu achten, müsse jeder Hilfeleistungs-
plan vorher die Zustimmung der abessinischen
Regierung erhalten.
Zur Reform der Verwaltung sollen auslän-
dische Sachverständige nach Abessinien gesandt
werden mit dem Auftrag, ein Polizei- und
Eendarmeriekorps zu bilden. Es soll im wesent-
lichen im ganzen Kaiserreich über die Ausfüh-
rung der bestehenden oder ins Auge zu fassen-
den Gesetze wachen, die die Sklaverei verbieten
oder bestrafen sollen und das Tragen von Waf-
fen für Personen, die nicht zum ordentlichen
Heer oder zu den Polizei- und Gendarmerie-
kräften gehören, genauen Vorschriften unter-
werfen. Weitere Aufgaben dieser Polizei wäre
die Sicherung der Städte, in denen Europäer
ansässig sind: Addis Abeba, Diredaua und Har-
rar, ferner die Aufrechterhaltung der Sicher-
heit in den landwirtschaftlichen Gegenden, wo
Europäer in größerer Anzahl ansässig sind und
wo die örtliche Verwaltung nicht hinreichend
ausgebaut ist, um genügend Schutz zu gewähren.
Schließlich würde diese Polizei die Ordnung an
den Grenzen des Reiches aufrecht zu erhalten
und die Nachbargebiete vor Ueberfällen zu
schützen haben.
Die Ausländer sollen die Möglichkeit erhal-
ten, am Ausbau des Wirtschaftslebens des Lan-
des teilzunehmen. Zu diesem Zweck sollen die
Fragen des Grundbesitzes, des Bergbaues sowie
die Ausübung der Handels- und Industrie-
tätigkeit geregelt werden. Auf dem Gebiete des
Außenhandels soll wirtschaftliche Gleichstellung
wit der Bedingung der Gegenseitigkeit vorge-
sehen werden. Es sollen Verbindungswege und
ein modernes Post-, Telegraphen- und Fern-
sprechwesen geschaffen werden.
Auf dem Gebiet der Finanzen ist außer der
Einffllhrung eines modernen Haushalts- und
Steuersystems und der Schaffung staatlicher
Monopole die Prüfung von Anleihen vorge-
sehen. Weitere Punkte des Reformprogramms
betreffen die Justiz, insbesondere die soge-
nannte gemischte Gerichtsbarkeit, die für Ange-
legenheiten zwischen Ausländern und Abessi-
niern zuständig ist, ferner den öffentlichen Un-
terricht und die Gesundheitspflege.

vorgezeichnet worden sein, die der Vertreter Eng-
lands auf der bevorstehenden Ratstagung nach
der Ablehnung der Vorschläge des Fünferaus-
schusses durch Mussolini einnehmen soll.
In den frühen Abendstunden fand im Hause
des Ministerpräsidenten eine weitere Vorbe-
sprechung statt , an der diesmal auch die Chefs
der drei Wehrministerien, sowie der Stabschef
der englischen Luftstreitkräfte, Luftmarschall Sir
Edward Ellington, teilnahmen.
Für die völlige Verworrenheit der augenblick-
lichen Lage ist die Tatsache bezeichnend, daß bei-
spielsweise die Londoner Effektenbörse auf den
meisten Gebieten trotz des allenthalben zur
Schau getragenen Pessimismus heute ziemlich
fest war. Britische Regierungskonsols zogen
teilweise scharf an. Auch die Aktien der führen-
den Industrieunternehmen wiesen in ihren
Notierungen allgemein eine Besserung auf. Auf
dem Devisenmarkt zog der Sterlingkurs
leicht an.

Es soll ein Zentralorgan geschaffen werden,
dem vier Hauptberatcr, nämlich die Leiter des
Polizei- und Gendarmeriewesens, der Wirt-
schafts-, der Finanz- und der Justizabteilung
angehören würden. Das gesamte ausländische
Personal wäre im Einvernehmen zwischen dem
Völkerbund und dem Kaiser von Abessinien zu
ernennen. Der oberste Vertreter des Völker-
bundes hätte so oft wie erforderlich, mindestens
jedoch einmal im Jahre, an den Völkerbund zu
berichten.
Angesichts der Langwierigkeiten der Aufgaben
will der Fünferausschuß auf eine Befristung des
Planes etwa auf fünf Fahre verzichten, jedoch
soll der Plan nach fünf Jahren vom Völker-
bundsrat revidiert werden können, damit die
inzwischen gemachten Erfahrungen berücksichtigt
werden können.
Zum Schluß enthalten die Vorschläge Hin-
weise auf besondere italienische Belange Es
wird erklärt, die Vertreter Frankreichs und
Englands hätten dem Fünferausschuß miss-
teilt, daß ihre Regierungen bereit wären, als
Beitrage zur friedlichen Regelung des italie-
nisch-abessinischen Streites gewisse Eebietsver-

DNV Gens, 23. Sept.
Die abessinische Stellungnahme zu den Vor-
schlägen des Fünferausschusses wurde am
Montag abend ebenfalls veröffentlicht. Sie
knüpft an die Annahme dieser Vorschläge als
Verhandlungsgrundlage eingehende juristische
Erörterungen, aus denen sich ergibt, wie der
Hilfeleistungsplan von Abessinien und wahr-
scheinlich auch von den beiden westeuropäischen
Großmächten aufgefaßt wird. Die abessinische
Antwort unterstreicht den Grundsatz, daß die
Hilfeleistung und Mitarbeit des Völkerbundes
kollektiv und international sein müssen.
Sie hebt ferner als besonders wichtig hervor,
daß dem K.iser von Abessinien ausdrücklich das
Recht anerkannt worden sei, nach freiem Er-
messen jeden Ratgeber auszuschalten, der nicht
sein volles Vertrauen genießt.
Hinsichtlich des Eebietsaustausches an der
Somaliküste stellt die abessinische Regierung
mit Befriedigung fest, daß ihr dieser Vorschlag
nicht im Namen des Völkerbundes unterbreitet
werde, der für Gebietsveränderungen nicht zu-
ständig sei, sondern von Frankreich und England
zu dem einzigen Zweck, zur friedlichen Regelung
des italienisch-abessinischen Streites beizutragen.
Die abessinische Regierung erneuert dabei die

änderungen zwischen Italien und Abessinien zu
erleichtern und zu diesem Zweck, falls erforder-
lich, Abessinien gewisse Opfer in der Gegend der
Somaliküste zu bringen. Die Vertreter Frank-
reichs und Englands hätten dem Fünferausschuß
außerdem mitgeteilt, daß ihre Regierungen, un- !
beschadet der gegenwärtigen Rechtslage für die
Behandlung der Fremden und des Außenhandels
bereit seien, Italien ein besonderes Interesse
bei der wirtschaftlichen Erschließung Abessiniens
zuzuerkennen. Demgemäß würden die genannten
Regierungen den Abschluß wirtschaftlicher Ver-
einbarungen zwischen Italien und Abessinien be-
grüßen, vorausgesetzt, daß die Belange gewahrt
werden, die Frankreich und England durch die
geltenden Abkommen zuerkannt sind.
Wog legi sein Amt nieder
beim Internationalen Gerichtshof
DNB Eens, 23. Sept.
Das Völkerbundssekretariat veröffentlichte am
Montag ein vom 9. September datiertes Schrei-
ben des amerikanischen Mitgliedes des Ständi-
gen Internationalen Gerichtshofes. Kellogg
gibt von seinem Entschluß Kenntnis, von seinem
Amt zurückzutreten. Er erklärt, die Um-
stände machten es ihm unmöglich, weiter
an den Tagungen des Ständigen Internatio-
nalen Gerichtshofes teilzunehmen. Weiter stellt
er fest, daß er die Bedeutung des Internatio-
nalen Gerichtshofes auf dem Gebiet der Rege-
lung der internationalen Beziehungen sehr ge-
schätzt habe. Es sei sein Wunsch, weiter am
Fortschritt der rechtlichen Beilegung internatio-
naler Streitigkeiten mitzuarbeiten; denn diese
Art der Regelung erscheine ihm im Hinblick auf
die Erhaltung des Weltfriedens von größter
Bedeutung.
Auch uoK Gold?
Abessinien aus der Westseite des Blauen Nils
DNB London, 23. Sept.
Nach einer Reuter-Meldung sollen die
Versuche mehrerer Ingenieure das Vorhanden-
sein beträchtlicher Goldvorkommen er-
geben haben, die sich teilweise in dem Fluß Da-
dessa, einem wichtigen Nebenfluß des Blauen
Nils, befinden. Der ganze Fluß liegt inner-
halb des Konzessionsgebietes. Oelvorkommen
sollen nicht festgestellt worden sein, doch hält
man das Vorhandensein von Platin nicht für
ausgeschlossen.

Erklärung, daß sie bereit sei, über Gebietsver-
änderungen, die für alle Interessierten von
Vorteil sein sollen, zu verhandeln.
Zu der englisch-französischen Bereitschaft, Ita-
lien unbeschadet der geltenden Bestimmungen
über die Behandlung der Ausländer und über
den Außenhandel ein besonderes Interesse an
der wirtschaftlichen Erschließung Abessiniens zu-
zuerkennen, erklärt die abessinische Regierung,
daß diese Willenserklärung lediglich die Be-
ziehungen zwischen Frankreich, Italien und
England betreffe. Abessinien selbst werde ge-
genüber allen Mächten, die einen Anspruch
hätten, alle internationalen Verträge über die
Behandlung der Grenzen und über den Außen-
handel in dem gleichen Geist erfüllen, in dem
sie abgeschlossen worden seien. Wenn die abes-
sinische Regierung in der Zukunft mit Italien
wirtschaftliche Abkommen abschließen sollte, so
würden diese Abkommen gewissenhaft alle Rechte
achten, die den Statsangehörigen oder Schutz-
genossen aller Vertragsstaaten zuerkannt seien.
Schließlich erklärt sich die abessinische Regie-
rung bereit, die Verhandlungen über die Schaf-
fung des Hilseleistungssystemes sofort aufzuneh-
men in dem festen Wunsch, sie zu einem Ab-
schluß zu bringen, der allen berechtigten Be-
langen gerecht werde.

Die Vorschläge des Wnserausschuffes
Veröffentlichung -es Wortlauts

Abessiniens Stellungnahme
Vereit, über gewisse Gebietsveränderungen zu verhandeln

Mussolini empfing am Montagabend den
englischen Botschafter Sir Eric Drummond.
Die Unterredung dauerte fast eine Stunde. Der
englische Botschafter, der in der letzten Zeit nur
mit Staatssekretär Suvich verhandelt hatte,
überbrachte Mussolini eine persönliche
Botschaft des englischen Außenmini-
sters.
Am Vormittag hatte der französische Botschaf-
ter Chambrun mit Staatssekretär Suvich «ine
Besprechung.
In beiden Unterredungen sieht man hier ein
weiteres Zeichen für die zurzeit in Gang befind-
lichen diplomatischen Bemühungen um eine Bei-
legung des Streites. In der Beurteilung der
Angelegenheit bleibt man recht zurückhaltend,
obwohl man in politischen Kreisen immerhin
von einem leichten Optimismus spricht, der nach
hiesiger Ansicht hauptsächlich darauf zurückzu-
führen sei, daß die Weltöffentlichkeit sich mehr
und mehr auf die italienische Betrachtungsweise
umzustellen beginne.
Der König von England an Australien
DNB London, 23. Sept.
In Canberra wurde am Montag die Antwort
des Königs von England auf die Ergebenheits-
botschaft der australischen Regierung anläßlich
des 2Sährigen Jubiläums veröffentlicht. Der
König bringt darin sein Vertrauen zum Aus-
druck, daß Australien in Uebereinstimmung mit
den übrigen Mitgliedern des Reiches bei der
Aufrechterhaltung der Ideale des Friedens und
der Freiheit seine Rolle spielen wird. Die
Schilderungen, die des Königs Söhne von ihrer
Reise nach Australien gegeben hätten, zeigten,
daß das australische Volk trotz räumlicher Ferne
im Geiste England nahe lei
Laval greift -arcy
Einreise bolschewistischer Gewerkschaftsvertreter
aus Rußland verboten
DNB. Paris, 23. Sept.
Die kommunistische Arbeitergewerkschaft, die
am 24. September in einem Pariser Vorort
ihre diesjährige Tagung abhält, hatte auch ein«
Reihe Moskauer Vertreter eingeladen, an der
Sitzung teilzunehmen. Laval hat diesen kommu-
nistischen Propagandisten die Einreise nach
Frankreich verweigert.
Der „Jour" glaubt zu wissen, daß von parla-
mentarischen Linkskreisen ein sehr starker Druck
auf Laval ausgeiibt worden sei, damit er seinen
Beschluß wieder rückgängig mache. Ein linksge-
richtetes Mitglied des Kabinetts habe sogar
mit dem Rücktritt gedroht, aber Laval habe
nichtsdestoweniger nicht nachgegeben, sondern die
Leiter der kommunistischen Arbeitergewerkschaft
gewarnt und wissen lassen, daß an der französi-
schen Grenze entsprechende Vorkehrungen getrof-
fen worden seien, falls die Sowjetvertreter trotz-
dem versuchen sollten, die Grenze zu über-
schreiten.
In Kürze
Der Stellvertreter des Führers empfing den
Präsidenten des „Reichsinstitutes für Geschichte
des neuen Deutschlands", Professor Dr. Walter
Frank, zu einer eingehenden Aussprache-
*
50 nationalsozialistische Juristen unternahmen -
eine Studienfahrt nach Nordamerika. Bor ihrer
Abreise fand ein Empfang auf dem Dampfer
„Europa" statt.
Die Danziger Verfasiungsbeschwerde wurde .
am Montag in öffentlicher Sitzung vom Völker-
bund gemäß den Vorschlägen des englischen Be-
richterstatters erledigt.
*
Der Präsident der Abrüstungskonferenz, Arthur
Henderson, mußte sich am Donnerstag in einer
Londoner Klinik einer Gallensteinoperation
unterziehen. Sein gegenwärtiger Zustand wird
als befriedigend bezeichnet.
 
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