X Eine kirchenmusikalische Freizeit in Hei-
delberg. In den Räumen des Evangelischen
Kirchenmusikalischen Instituts in Heidelberg,
Anlage 62, wird vom 9. bis 12. Oktober eine
kirchenmusikalische Freizeit veranstaltet, bei
der Professor Dr. Poppen Vorträge über
„Die neue Lage unserer Kirchenmusik", „Be-
gleitung des Eemeindegesanges", „Die Or-
gelregister und ihr Klangwert" halten wird.
Dr. Haag wird einen Ueberblick über die
Orgelmusik mit Beispielen geben, Dr. Leib
einen lleberblick über die Formen der Chor-
literatur und die Verschiedenheit der Orgel-
bausbsteme, Wolfgang Fortner wird
sprechen über Zeitgenössische Chormusik für
den Gottesdienst und Oskar Erhardt
über Chorische Stimmbildungsarbeit.
X Name für den „1!>35er" gesucht. Bei dem
großen Pfälzischen Weinlesefest in Neustadt a. d.
Hd-t., das dieses Jähr am 12. und 13. Oktober
gefeiert wird, wird auch die Taufe des „Neuen"
— des Weins des neuen Jahrgangs — vorge-
nommen. 1932 erhielt er den Namen „Kris-
ling", 1933 „Gleichschalter" und 1931 „Volltref-
fer". Originelle und für den diesjährigen Jahr-
gang charakteristische Namonsvorschläge wollen
an das Verkehrsbüro Neustadt a. d. Hdt. einge-
reicht werden.
X Zweiter Theologischer Ferienkursus in
Heidelberg. Auch in diesem Jahr wird wie-
der ein Theologischer Ferienkursus in Heidel-
berg gehalten. Er soll in den Tagen vom 23
bis 27. September stattfinden. Der Tagung
kommt dadurch besondere Bedeutung zu, daß
sich Ku ihrer Veranstaltung der Evnng. Pfarr-
verein, der Wissenschaftliche Predigerverein
und der Verein für Kirchengeschichte mit der
Theologischen Fakultät zusammengeschlossen
haben. Das Genexalthem-a des Kursus lautet:
„Das Anliegen der Ghristusbotschaft."
X Aus dem evangelischen Kirchendienst. Als
Nachfolger des seit 1912 in Meckesheim wirken-
den Pfarrers Wilhelm Niederer aus Mittel-
schefflenz, der nunmehr in den Ruhestand tritt,
wurde Pfarrer Wilhelm Weber aus Mannheim
unter Versetzung von Bad Dürkheim zum Pfar-
rer in Meckesheim ernannt. Pfarrer Kuno
Schimmelbusch, seit 10 Jahren in Uiffiwgen, Amt
Tauberbischofsheim tätig, wurde zum Pfarrer
in Teningen ernannt. Pfarrer Adam Kaiser
aus Eschelbronn, seit 1929 Pfarrer in Kippen-
heim, wurde zum Pfarrer in Teutschneureuth er-
nannt. Religionslehrer Pfarrer H. Borchardt,
Roligionslehrer an der Fortbildungs-, Eswsrbe-
und Handelsschule in Mannheim, wurde acff An-
suchen mit Wirkung vom 1. September 1935 zur
Ruhe gesetzt. Pfarrer Karl Spitzer, seit 1928
Seelsorger an den Akademischen Kliniken in
Heidelberg, und Pfarrer Wilhelm Kamm
aus Typingen, seit 1931 in Sindolsheim bei
Adelsheim, wurden auf Ansuchen unter Aner-
kennung ihrer langjährigen treugeleisteten
Dienste auf 1. Oktober, bezw. auf 1. November
ds. Js. in den Ruhestand versetzt. — Die Seel-
sorgerstelle an den Akademischen Kliniken in
Heidelberg ist zur Neubesetzung ausgeschrie-
ben.
Der KulturwAe der deutschen Westmark
Hauptversammlung des Bolksbildungsverbandrs und der
NE-KultUMMinde Malz-Eaar
In V l ie s k ast e l l, einem reizenden Städt-
chen in der Westpfalz zwischen Zweibrücken und.
Saarbrücken, das auch als Wallfahrtsort dem
Volke vertraut ist, traten der Volksbildungsver-
band und die NS-Kulturgemeinde Pfalz-Saar
zu ihrer diesjährigen Hauptversammlung zusam-
men.
Diese Tagung hat gezeigt, daß man sich in der
Westmark der Verpflichtung bewußt ist, an der
gemeinsamen, deutschen Kultur mitzuschaffen,
und daß man gewillt ist, nur das wirklich Gute
und Echte dabei zu fördern. In der öffentlichen
Mitgliederversammlung erklärte der Geschäfts-
führer des Volksbildungsverbandes, Pg. Jun g,
daß es auch fernerhin die Aufgabe des Verban-
des bleiben wird, das ursprüngliche, kraftvolle
Leben der pfälzischen und saarländischen Land-
schaft zu pflegen. In diesem Sinne arbeiten das
„Amt für Volkstum und Heimat", die Vortrags-
vermittlungsstelle und das Landestheater für
Pfalz und Saar sowie die NS-Kulturgemeinde
für Pfalz und Saar, endlich die westmärkische
Spielgemeinschaft für nationale Festgestaltung.
Der Verband ist bemüht, das kulturelle Leben
der Westmark nicht nur einheitlich zusammenzu-
fassen, sondern zu einem kraftvollen Organismus
zu führen. In einer großen Kundgebung für die
Kultur der Westmark brachte der HJ-Gebiets-
führer Thiemel unter anderem zum Ausdruck,
daß Macht und I n n e r l i ch ke i t die deutsche
Geschichte gebaut haben. Die Mitarbeit der
geistigen und kulturellen Kräfte der deutschen
Aufbauarbeit sei darum unerläßlich, aber kein
Erstarren dürfte eintreten, sie müsse im Wan-
del und in Bewegung bleiben. Auf die Revo-
lution müsse die kulturelle Evolution folgen. Der
Leiter des Kulturamtes, Gaukulturwart
Kölsch, stellte fest, daß Pfalz und Saar, die
während des Abwehrkampfes eine besondere
Schicksalsgemeinschaft bildeten, nunmehr auch
kulturell vereint find. Kunst und Kultur seien
Brot und Nahrung der Seele. Kunstschöpfungen
kommen nicht aus der Großstadt, sondern aus
der Landschaft, Diese volksverbindende Kultur
und Kunst m pflegen — eine Kunst und Kultur,
nicht aus Zivilisation und wurzellosem Litera-
tentum — das sei der Geist der Westmark.
Für den Beginn des kommenden Kunst- und
Konzert-Winters ist eine saarländi sch-
pfälzische Musikwoche vorbereitet wor-
den, bei der Werke junger, westmärkischer Kom-
ponisten wie Pbüipp Mohler und Albert Jung,
zur Ur- bezw, Erstaufführung kommen. In der
ersten Hälfte des Dezembers finden 14 Tage
dauernde Kun st wachen statt, bei denen u. a.
auch Werke verstorbener und lebender Künstler
aus dem saarländisch-pfälzischen Raum ausge-
stellt werden. Gaukulturwart Kölsch gab der
Hoffnung Ausdruck, daß es gelingen möge, eine
Kunst-Schule und Kunst-Stättte der Westmark zu
schaffen und daß dann auch von dem wertvollen
Kunstgut saarländischen und pfälzischen Schaf-
fens manches wieder in die Heimat zurückge-
bracht wird. Er wies dann auf die Eingliede-
rung des Pfälzer Waldvereins in die Arbeit des
Amtes für Volkstum und Heimat und auf die
neue Zeitschrift „Unsere Heimat, Blätter für
saarländisches und pfälzisches Volkstum" hin.
Nachdem 100 Pfälzer und Saarländer in diesem
Sommer in einer Volkstumsfahrt die pfälzischen
Siedlungsgebiete in der Batschka besucht haben,
soll der neue Reichssender Saar-
brücken durch pfälzische und saarländische Sen-
dungen die Beziehungen zu den dortigen Lands-
leuten und denen in Galizien und Pennsylvanien
pflegen.
Mit scharfen Worten wandte sich Gaukultur-
wart Kölsch gegen die Nichtskönner und Alles-
könner, gegen jene, die Gedichte am laufenden
Band fabrizieren, ohne daß sie die innerliche
Berufung zum Dichter haben. Er sagte: Das
Schlimmste bei dieser Sorte von Dichtern ist, daß
sie es oft verstehen, sich an die Jugend heranzu-
machen und sich als nationalen Helden prokla-
mieren lassen. Auf diese Weise würden dann die
Begriffe von Echt und Unecht mit einer seltsa-
men Geschwindigkeit vertauscht und manches gute
Alte durch ein solches unruhiges Flackerlicht für
kurze Zeit oder sogar für immer verdeckt. Dem-
gegenüber werde der Gau das wirklich Gute und
Echte suchen, wo immer er es finde. Er werde
aber auch prüfen, ab es in diese schwere pfälzische
und saarländische Erde paßt, damit es nicht mehr
Unheil wie Gutes anrichte. „Wir wollen uns
wach halten gegenseitig, daß wir das Zukunfts-
trächtige und Schöpferische an dieser Zeit und in
dieser Landschaft erkennen. Er schloß mit den
Worten: Der Führer sei der wegweisende Ge-
stalter der deutschen Seele. Mit ihm halten wir
das Bollwerk der deutschen Westmark!
In einer Arbeitstagung der Fachschaft wurden
das Vortragswesen, Wissenschaft, Theater und
Bühne, Musik, Schrifttum, Volkstum und Hei-
mat, Sängertum, bildende Kunst, Grenze und
Ausland, Jugend sowie Film und Funk, behan-
delt.
Eine Laienspielschar des Arbeitsdienstes La-
chen-Speyerdorf gab „Glum", auf dem Volks-
tumsabend am Samstag ein heldisches Spiel aus
Alt-Island.
Grotzmarkthalle Handschuhsheim.
Marktbericht vom 18. September. Birnen 9 bis
15, 4—8; Aepfel 10-15. 5-9; Mirabellen 17;
Zwetschgen 10—12; Pfirsiche 13—23, 8—12,
Trauben schwarz 9—11, weiß 9—10, rot 9—12;
Nüsse 27—31; Stangenbohnen 10—18; Buschboh-
nen 10—11; Tomaten 7—8, 3—4; Gurken 8—9,
4—5; Spinat 10; Wirsing 9. — Anfuhr gut
Nachfrage gering. Ueberstand. Nächste Verstei-
gerung heute nachmittag 16 Uhr.
_
WetternMriMen
Für Freitag: Weiterhin unveränderlich^
Wetter, stärkere Bewölkung und Mederischlag'
Kräftige, Mweftliche Winde, Temperaturen »»
wesentlichen unverändert.
(Wetterbericht des Reichswetterdienstes,
Ausgabeort Stuttgart.)
WMrltmd
vom IS. (18.) September 1S35:
Heidelberg 260 (360),
Aus amtlMn
BMMmMlNWN
Das Entschuldungsamt beim Amtsgericht
delberg gibt bekannt: —
In dem am 18. September 1984 eröffnet
Schuldenregelungsverfahren für den Landw
Georg Heinrich Scheeder und dessen Ehefrau
fette geb. Hering in Ittlingen werden auf ,
trag der bisherigen Entschuldungsstelle die uni
gaben der Entschuldungsstelle nunmehr ge-m,S
Artikel 50 Absatz 2 der 7. DVOrdg. v. 30 Ap«
1935 durch das Entschuldungsamt beim AmtE
richt Heidelberg wahrgenommen. —
Auf den am 28. Juni 1934 eingegangenen u»
trag wird für den Landwirt Oskar Bauer >
Bad Rappenau heute 11 Uhr das landwirtschaf
liche Schuldenregelungsverfahren nach Matzgao
des Reichsgesetzes vom 1. Juni 1933 eröffne,
Entschuldungsstelle ist das Entschuldungsam
beim Amtsgericht Heidelberg, Unterer Faule
Pelz 2.
NWMMM WraiMIllMgen
Städtisches Theater. Heute erlebt Egen Ort-
ners neuestes Bühnenwerk „Moor" kurz »aG
der Uraufführung seine Heidelberger Erstaup
führung. Als zweite Bühne (nach Fürth anläß-
lich des Reichsparteitags) bringt unser DheaN,,
diese Dichtung des durch „Meier Helmbrecht
weit bekannt gewordenen Autors. Ein leiden-
schaftliches Bekenntnis unserer Zeit wächst «u
einer Handlung packender Wirklichkeit und dä-
monischer Gewalt. Intendant Kurt Erlichf"'
szeniert das Drama, zu dessen letzten Proben
und Erstaufführung Eugen Ortner nach Hel-
berg gekommen ist. In Hauptrollen sind böschest
tigt die Damen Collin, Holm, Manhof »nl>
die Herren Braun, Fürstenberg, Helms, LooS'
Thiele, Wichert, Wittig. Die Vorstellung ist ft*
Stammplatzmiete L I.
*
Heidelberger Lichtspiele.
Capitol: „Episode".
Gloria: „Petterson und Bendel". „
Kammerlicht : „Die Heilige und ihr Narr .
Odeon: „Die blonde Carmen".
Schloßlicht: „Petterson und Bendel".
Filmbühne Leimen: „Zigeunerbaron'.
«em»»»»«»»» v«o»n> MM«»»»« Wa-rk-m«»'
KoM»nv«Nrted -Udert l-saxeo L Oeorg Hüller, blüvcllev 19, »ubertusstrab« 27
54) (Nachdruck verboten.)
Nur Sekunden waren es, in denen der De-
tektiv, während er immer weiterrannte, dies
alles überlegte und nach einem Ausweg suchte.
Er vernahm laute Schreie und Rufe . . . .
Plötzlich bekam er einen Schlag gegen die
Schulter, fühlte einen brennenden Schmerz.
Etwas Warmes kroch über seinen linken
Arm, und seine Hand fühlte sich ganz klebrig
an. Er sah nicht hin, denn er wußte, es war
Blut, das aus seinem Aermel tropfte.
Der Inspektor war schon in der Mitte des
Durchgangs angelangt, als seine Vermutung,
daß'die Verfolger ihn in eine Sackgasse trei-
ben wollten, bestätigt wurde. Denn er er-
blickte jetzt Cäsar Montis Gesicht hinter der
halbblinden Scheibe eines Fensters, das zu
einem kleinen Gsrnüssgeschäft gehörte,
Fan warf sich herum und stürmte die nächste
Seitentreppe empor. Wenn es ihm nur ge-
lang, einen kleinen Vorsprung zu erreichen,
dann war vielleicht noch nicht alles verloren.
Er nahm zwei Stufen auf einmal, aber er
mutzte sich jetzt schon sehr anstrengen, um
rasch vorwärts zu kommen. Denn in seinem
Alter spürt auch ein vollkommen gesunder
Mensch eine solche Jagd. Und schließlich, Mn
gab sich keinen Illusionen hin, diesmal lies
ex um sein Leben.
Er keuchte, fein Atem ging schwer und ein
leichtes SchwindelgHühl apckte ihn. Wenn das
so weiterging, würde ihn Monti einholen, ehe
er irgendwo Unterschlupf — oder wenn ei
besonderes Glück hatte — ein Telephon fand.
Da öffnete sich eine Tür. Eine ältere Dame
in Hut und Mantel wollte eben ihre Wohnung
verlassen, und sie schrie entsetzt auf, als der
Inspektor sie brüsk am Arm ergriff und ein-
fach zurückdrängte. Leise zog Fan die Tür zu
und blieb lauschend stehen. Draußen glitt dm
Schatten eines Mannes vorbei.
„Was wollen Sie . . .? Wer sind Sie . .?"
ft-gt-e die Dame unwillig über den Zwischen-
fall.
Der Inspektor zeigte ihr seine Erkennungs-
marke und klärte sie mit einigen Worten über
die schwier-ge Situanvu, in der er sich befand,
aus. Die alte Dame erwies sich mutiger als
er dachte, fiel weder in Ohnmacht, noch bekam
sie einen Weinkrampf.
„Haben Sie ein Telephon, gnädige Frau?"
»Ja, Inspektor ... ein Glück für Sie!"
Sie führte ihn in das Wohnzimmer und wies
auf den Apparat.
Fan hob den Hörer ab, hing ihn aber schon
nach wenigen Augenblicken mit einem inner-
lichen Fluch wütend auf. — „Das Telephon
funktioniert nicht . . .!" rief ex aus.
„Gestern abend habe ich noch gesprochen"
sagte die Wohnungsinhaberin. „Ein unglück-
licher Zufall. . ."
Der Inspektor lächelte resigniert. Für ihn
gab es keine solchen Zufälle, seine Feinde hat-
ten eben an alles gedacht. Der Ueberfall war
bis ins kleinste Detail vorbereitet, für jede
Möglichkeit waren Gegenmaßnahmen getrof-
fen worden. Er zweifelte nicht, daß man die
Telephonverbindung mit diesem Häuserblock
absichtlich unterbrochen hatte.
„Was werden Sie nun tun?" fragte die
alte Dame den Detektiv.
„Wenn es Sie nicht stört", antwortete
Fan, „möchte ich mir jetzt einmal eine Zi-
garre anzünden und dann zehn Minuten lang
Nachdenken. Ist das erlaubt, gnädige Frau?"
Sie nickte Gewährung, verschwand für einen
Augenblick, kehrte jedoch gleich darauf mit
einer Waschschüssel, Handtuch und einigen
reinen Leinenstreifen zurück.
„Bevor Sie anfangen nachzudenken, muß
ich Sie aber verbinden. Schnell, ziehen Sie
Ihren Rock aus!" kommandierte sie.
Es war zum Glück nur ein ganz harmloser
Streifschuß, den Fan erlitten hatte. Trotzdem
blutete die Wunde ziemlich stark. Mit flinken
Händen verband die alte Dame den JnseMor
und schob ihm dann einen Sessel zu.
„Ich danke Ihnen, gnädige Frau."
Fan empfand Hochachtung und Bewunde-
rung, für die alte Dame, die ihn jetzt mit kei-
ner einzigen Frage mehr störte. Nun erinnerte
er sich auch, an der Wohnungstür den Namen
Gerson gelesen zu haben.
„Ihr Name kommt mir so bekannt vor"
wandte er sich an sein schweigendes Gegen-
über. „Gerson?"
„Sind Sie in Ihren jungen Jahren nie
ins Theater gegangen, Inspektor?"
Da wußte er plötzlich, wer ihn so bereit-
willig ausgenommen hatte: Adele Gerson, die
einst berühmte Altistin der Großen Oper. Er
warf ein Paar verstohlene Blicke auf ihr Ge-
sicht, das noch immer klassisch edle Linien
zeigte.
Dann aber versank Inspektor Fan wieder
in eifriges Nachdenken. Er rauchte wie ein
Schlot, aber er fand keinen Ausweg. Wie in
einer von Feinden umzingelten Festung saß
er hier, fast abgeschlossen von der Außen-
welt, fest. Ein Schritt aus dieser Wohnung,
und . . . eine Kugel würde ihn erwarten.
Sollte er Frau Gerson bitten, Hilfe für ihn
herkeizuholen . . .?
Sein ganzer Stolz bäumte sich gegen die-
sen Gedanken auf. War es überhaupt sicher,
daß die alte Dame unerkannt dnrch die Ab-
sperrungskette seiner Feinde gelangen würde?
Fan sprang auf.
„Gnädige Frau", begann er, „Sie waren
doch beim Theater - . . Wollen Sie mir hel-
fen . .?"
„Gewiß, Inspektor, wenn ich es vermag."
Der Detektiv entwickelte Frau Gerson sei-
nen Plan. Sie unterbrach ihn wiederholt mit
einer zustimmenden Bemerkung und ihre
Augen leuchteten voll Freude.
„Glauben Sie, daß es so gehen wird?"
,Jch denke schon", erwiderte sie.
, Eine Stunde später führte Frau Gerson
eine gebrechliche Greisin die Treppe hinab. Sie
stützte sie fürsorglich, denn die Alte schien' von
Asthma so geplagt zu sein, daß sie nur ganz
langsam gehen konnte.
Am Fuße der Treppe lehnte Cäsar Monti
und bewachte den Ausgang des Stiegenhauses.
Während die beiden Damen an ihm vorbei-
schritten, bekam die ältere einen starken
Hustenanfall. Er warf einen forschenden Blick
auf die beiden Frauen, wandte sich aber dann
gleichgültig ab.
Als Inspektor Fan dann endlich mit seiner
Begleiterin in einem Taxi saß, ergriff er die
Hand Frau Gersons.
„Es war das erstemal während meiner
Laufbahn als Detektiv, daß ich mich verkleidet
habe", seufzte er erleichtert auf. „Perücken,
falsche Bärte und ähnliches Zeng komme
sonst nur in der überhitzten Phantasie seist*
Schriftsteller vor, die Kriminalromane sch*^
ben ..."
„Eine gute Maske bedeutet manchmal ave*
einen letzten Ausweg. Inspektor", gab m
Künstlerin zur Antwort.
„Sie haben eigentlich recht, gnädige Fran.
Und wenn ich nicht gerade in Ihre Wohnung
hineingeiallen wäre . . ."
Er vollendete den Satz nicht, denn es war
ibm begreiflicherweise höchst unangenehm, an
die Möglichkeit erinnert zu werden, daß e*
unter weniger glücklichen Umständen siM
wahrscheinlich setzt auf dem Transport in»
Leichenhaus befunden hätte ....
23. Kapitel. , ,
Seit vielen Stunden bemühte man sich 'w
Polizeipräsidium, den Aufenthalt Inspektor
Fans festzustellen. Da der Detektiv nicht zu*
Audienz beim Präsidenten der Republik er-
schienen war, erfolgte von dort eine Anfrage
im Präsidium. Darauf leitete mau sofort Re-
cherchen ein.
Die einzigen sicheren Anhaltspunkte konnte
zuerst nur der Polizeipräsident selbst gebou,
der um ungefähr ein Viertel zehn Uhr do»
Büro seines Untergebenen verlassen hattch
Fan wurde zwar dann noch von einigen Po-
lizisten gesehen, wie er das Präsidium verließ,
von da ab verlor sich aber seine Spur.
Erst nachmittags, als eine Meldung über
ein .geheimnisvolles graues Automobil vorn
Polizeirayon des Parlamentsviertels abgege-
ben wurde, begann man Zusammenhänge zu
ahnen. Es wurden verschiedene Zeugen ver-
nommen, aus deren Aussagen unzweifelhaft
hervorging, daß aus diesem Automobil vor
dem Durchgangshaus, das zum Regierung»^
gebäude führt, auf einen Mann geschosst»
worden war. Dieser flüchtete bei dem Attentat
in den Haupteingang, wo er verschwand. Das
Automobil fuhr dann davon und entkam un«
verfolgt. Nach der Personenbeschreibung, d«
die Leute von dem Manne, auf den
wurde, gaben, handelte es sich um Inspektor
Fan.
Dalenbrogg, der von dieser unerwarteten
Wendung vollkommen erschüttert war, uev
Smith rufen.
(Fortsetzung folgt.)
delberg. In den Räumen des Evangelischen
Kirchenmusikalischen Instituts in Heidelberg,
Anlage 62, wird vom 9. bis 12. Oktober eine
kirchenmusikalische Freizeit veranstaltet, bei
der Professor Dr. Poppen Vorträge über
„Die neue Lage unserer Kirchenmusik", „Be-
gleitung des Eemeindegesanges", „Die Or-
gelregister und ihr Klangwert" halten wird.
Dr. Haag wird einen Ueberblick über die
Orgelmusik mit Beispielen geben, Dr. Leib
einen lleberblick über die Formen der Chor-
literatur und die Verschiedenheit der Orgel-
bausbsteme, Wolfgang Fortner wird
sprechen über Zeitgenössische Chormusik für
den Gottesdienst und Oskar Erhardt
über Chorische Stimmbildungsarbeit.
X Name für den „1!>35er" gesucht. Bei dem
großen Pfälzischen Weinlesefest in Neustadt a. d.
Hd-t., das dieses Jähr am 12. und 13. Oktober
gefeiert wird, wird auch die Taufe des „Neuen"
— des Weins des neuen Jahrgangs — vorge-
nommen. 1932 erhielt er den Namen „Kris-
ling", 1933 „Gleichschalter" und 1931 „Volltref-
fer". Originelle und für den diesjährigen Jahr-
gang charakteristische Namonsvorschläge wollen
an das Verkehrsbüro Neustadt a. d. Hdt. einge-
reicht werden.
X Zweiter Theologischer Ferienkursus in
Heidelberg. Auch in diesem Jahr wird wie-
der ein Theologischer Ferienkursus in Heidel-
berg gehalten. Er soll in den Tagen vom 23
bis 27. September stattfinden. Der Tagung
kommt dadurch besondere Bedeutung zu, daß
sich Ku ihrer Veranstaltung der Evnng. Pfarr-
verein, der Wissenschaftliche Predigerverein
und der Verein für Kirchengeschichte mit der
Theologischen Fakultät zusammengeschlossen
haben. Das Genexalthem-a des Kursus lautet:
„Das Anliegen der Ghristusbotschaft."
X Aus dem evangelischen Kirchendienst. Als
Nachfolger des seit 1912 in Meckesheim wirken-
den Pfarrers Wilhelm Niederer aus Mittel-
schefflenz, der nunmehr in den Ruhestand tritt,
wurde Pfarrer Wilhelm Weber aus Mannheim
unter Versetzung von Bad Dürkheim zum Pfar-
rer in Meckesheim ernannt. Pfarrer Kuno
Schimmelbusch, seit 10 Jahren in Uiffiwgen, Amt
Tauberbischofsheim tätig, wurde zum Pfarrer
in Teningen ernannt. Pfarrer Adam Kaiser
aus Eschelbronn, seit 1929 Pfarrer in Kippen-
heim, wurde zum Pfarrer in Teutschneureuth er-
nannt. Religionslehrer Pfarrer H. Borchardt,
Roligionslehrer an der Fortbildungs-, Eswsrbe-
und Handelsschule in Mannheim, wurde acff An-
suchen mit Wirkung vom 1. September 1935 zur
Ruhe gesetzt. Pfarrer Karl Spitzer, seit 1928
Seelsorger an den Akademischen Kliniken in
Heidelberg, und Pfarrer Wilhelm Kamm
aus Typingen, seit 1931 in Sindolsheim bei
Adelsheim, wurden auf Ansuchen unter Aner-
kennung ihrer langjährigen treugeleisteten
Dienste auf 1. Oktober, bezw. auf 1. November
ds. Js. in den Ruhestand versetzt. — Die Seel-
sorgerstelle an den Akademischen Kliniken in
Heidelberg ist zur Neubesetzung ausgeschrie-
ben.
Der KulturwAe der deutschen Westmark
Hauptversammlung des Bolksbildungsverbandrs und der
NE-KultUMMinde Malz-Eaar
In V l ie s k ast e l l, einem reizenden Städt-
chen in der Westpfalz zwischen Zweibrücken und.
Saarbrücken, das auch als Wallfahrtsort dem
Volke vertraut ist, traten der Volksbildungsver-
band und die NS-Kulturgemeinde Pfalz-Saar
zu ihrer diesjährigen Hauptversammlung zusam-
men.
Diese Tagung hat gezeigt, daß man sich in der
Westmark der Verpflichtung bewußt ist, an der
gemeinsamen, deutschen Kultur mitzuschaffen,
und daß man gewillt ist, nur das wirklich Gute
und Echte dabei zu fördern. In der öffentlichen
Mitgliederversammlung erklärte der Geschäfts-
führer des Volksbildungsverbandes, Pg. Jun g,
daß es auch fernerhin die Aufgabe des Verban-
des bleiben wird, das ursprüngliche, kraftvolle
Leben der pfälzischen und saarländischen Land-
schaft zu pflegen. In diesem Sinne arbeiten das
„Amt für Volkstum und Heimat", die Vortrags-
vermittlungsstelle und das Landestheater für
Pfalz und Saar sowie die NS-Kulturgemeinde
für Pfalz und Saar, endlich die westmärkische
Spielgemeinschaft für nationale Festgestaltung.
Der Verband ist bemüht, das kulturelle Leben
der Westmark nicht nur einheitlich zusammenzu-
fassen, sondern zu einem kraftvollen Organismus
zu führen. In einer großen Kundgebung für die
Kultur der Westmark brachte der HJ-Gebiets-
führer Thiemel unter anderem zum Ausdruck,
daß Macht und I n n e r l i ch ke i t die deutsche
Geschichte gebaut haben. Die Mitarbeit der
geistigen und kulturellen Kräfte der deutschen
Aufbauarbeit sei darum unerläßlich, aber kein
Erstarren dürfte eintreten, sie müsse im Wan-
del und in Bewegung bleiben. Auf die Revo-
lution müsse die kulturelle Evolution folgen. Der
Leiter des Kulturamtes, Gaukulturwart
Kölsch, stellte fest, daß Pfalz und Saar, die
während des Abwehrkampfes eine besondere
Schicksalsgemeinschaft bildeten, nunmehr auch
kulturell vereint find. Kunst und Kultur seien
Brot und Nahrung der Seele. Kunstschöpfungen
kommen nicht aus der Großstadt, sondern aus
der Landschaft, Diese volksverbindende Kultur
und Kunst m pflegen — eine Kunst und Kultur,
nicht aus Zivilisation und wurzellosem Litera-
tentum — das sei der Geist der Westmark.
Für den Beginn des kommenden Kunst- und
Konzert-Winters ist eine saarländi sch-
pfälzische Musikwoche vorbereitet wor-
den, bei der Werke junger, westmärkischer Kom-
ponisten wie Pbüipp Mohler und Albert Jung,
zur Ur- bezw, Erstaufführung kommen. In der
ersten Hälfte des Dezembers finden 14 Tage
dauernde Kun st wachen statt, bei denen u. a.
auch Werke verstorbener und lebender Künstler
aus dem saarländisch-pfälzischen Raum ausge-
stellt werden. Gaukulturwart Kölsch gab der
Hoffnung Ausdruck, daß es gelingen möge, eine
Kunst-Schule und Kunst-Stättte der Westmark zu
schaffen und daß dann auch von dem wertvollen
Kunstgut saarländischen und pfälzischen Schaf-
fens manches wieder in die Heimat zurückge-
bracht wird. Er wies dann auf die Eingliede-
rung des Pfälzer Waldvereins in die Arbeit des
Amtes für Volkstum und Heimat und auf die
neue Zeitschrift „Unsere Heimat, Blätter für
saarländisches und pfälzisches Volkstum" hin.
Nachdem 100 Pfälzer und Saarländer in diesem
Sommer in einer Volkstumsfahrt die pfälzischen
Siedlungsgebiete in der Batschka besucht haben,
soll der neue Reichssender Saar-
brücken durch pfälzische und saarländische Sen-
dungen die Beziehungen zu den dortigen Lands-
leuten und denen in Galizien und Pennsylvanien
pflegen.
Mit scharfen Worten wandte sich Gaukultur-
wart Kölsch gegen die Nichtskönner und Alles-
könner, gegen jene, die Gedichte am laufenden
Band fabrizieren, ohne daß sie die innerliche
Berufung zum Dichter haben. Er sagte: Das
Schlimmste bei dieser Sorte von Dichtern ist, daß
sie es oft verstehen, sich an die Jugend heranzu-
machen und sich als nationalen Helden prokla-
mieren lassen. Auf diese Weise würden dann die
Begriffe von Echt und Unecht mit einer seltsa-
men Geschwindigkeit vertauscht und manches gute
Alte durch ein solches unruhiges Flackerlicht für
kurze Zeit oder sogar für immer verdeckt. Dem-
gegenüber werde der Gau das wirklich Gute und
Echte suchen, wo immer er es finde. Er werde
aber auch prüfen, ab es in diese schwere pfälzische
und saarländische Erde paßt, damit es nicht mehr
Unheil wie Gutes anrichte. „Wir wollen uns
wach halten gegenseitig, daß wir das Zukunfts-
trächtige und Schöpferische an dieser Zeit und in
dieser Landschaft erkennen. Er schloß mit den
Worten: Der Führer sei der wegweisende Ge-
stalter der deutschen Seele. Mit ihm halten wir
das Bollwerk der deutschen Westmark!
In einer Arbeitstagung der Fachschaft wurden
das Vortragswesen, Wissenschaft, Theater und
Bühne, Musik, Schrifttum, Volkstum und Hei-
mat, Sängertum, bildende Kunst, Grenze und
Ausland, Jugend sowie Film und Funk, behan-
delt.
Eine Laienspielschar des Arbeitsdienstes La-
chen-Speyerdorf gab „Glum", auf dem Volks-
tumsabend am Samstag ein heldisches Spiel aus
Alt-Island.
Grotzmarkthalle Handschuhsheim.
Marktbericht vom 18. September. Birnen 9 bis
15, 4—8; Aepfel 10-15. 5-9; Mirabellen 17;
Zwetschgen 10—12; Pfirsiche 13—23, 8—12,
Trauben schwarz 9—11, weiß 9—10, rot 9—12;
Nüsse 27—31; Stangenbohnen 10—18; Buschboh-
nen 10—11; Tomaten 7—8, 3—4; Gurken 8—9,
4—5; Spinat 10; Wirsing 9. — Anfuhr gut
Nachfrage gering. Ueberstand. Nächste Verstei-
gerung heute nachmittag 16 Uhr.
_
WetternMriMen
Für Freitag: Weiterhin unveränderlich^
Wetter, stärkere Bewölkung und Mederischlag'
Kräftige, Mweftliche Winde, Temperaturen »»
wesentlichen unverändert.
(Wetterbericht des Reichswetterdienstes,
Ausgabeort Stuttgart.)
WMrltmd
vom IS. (18.) September 1S35:
Heidelberg 260 (360),
Aus amtlMn
BMMmMlNWN
Das Entschuldungsamt beim Amtsgericht
delberg gibt bekannt: —
In dem am 18. September 1984 eröffnet
Schuldenregelungsverfahren für den Landw
Georg Heinrich Scheeder und dessen Ehefrau
fette geb. Hering in Ittlingen werden auf ,
trag der bisherigen Entschuldungsstelle die uni
gaben der Entschuldungsstelle nunmehr ge-m,S
Artikel 50 Absatz 2 der 7. DVOrdg. v. 30 Ap«
1935 durch das Entschuldungsamt beim AmtE
richt Heidelberg wahrgenommen. —
Auf den am 28. Juni 1934 eingegangenen u»
trag wird für den Landwirt Oskar Bauer >
Bad Rappenau heute 11 Uhr das landwirtschaf
liche Schuldenregelungsverfahren nach Matzgao
des Reichsgesetzes vom 1. Juni 1933 eröffne,
Entschuldungsstelle ist das Entschuldungsam
beim Amtsgericht Heidelberg, Unterer Faule
Pelz 2.
NWMMM WraiMIllMgen
Städtisches Theater. Heute erlebt Egen Ort-
ners neuestes Bühnenwerk „Moor" kurz »aG
der Uraufführung seine Heidelberger Erstaup
führung. Als zweite Bühne (nach Fürth anläß-
lich des Reichsparteitags) bringt unser DheaN,,
diese Dichtung des durch „Meier Helmbrecht
weit bekannt gewordenen Autors. Ein leiden-
schaftliches Bekenntnis unserer Zeit wächst «u
einer Handlung packender Wirklichkeit und dä-
monischer Gewalt. Intendant Kurt Erlichf"'
szeniert das Drama, zu dessen letzten Proben
und Erstaufführung Eugen Ortner nach Hel-
berg gekommen ist. In Hauptrollen sind böschest
tigt die Damen Collin, Holm, Manhof »nl>
die Herren Braun, Fürstenberg, Helms, LooS'
Thiele, Wichert, Wittig. Die Vorstellung ist ft*
Stammplatzmiete L I.
*
Heidelberger Lichtspiele.
Capitol: „Episode".
Gloria: „Petterson und Bendel". „
Kammerlicht : „Die Heilige und ihr Narr .
Odeon: „Die blonde Carmen".
Schloßlicht: „Petterson und Bendel".
Filmbühne Leimen: „Zigeunerbaron'.
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KoM»nv«Nrted -Udert l-saxeo L Oeorg Hüller, blüvcllev 19, »ubertusstrab« 27
54) (Nachdruck verboten.)
Nur Sekunden waren es, in denen der De-
tektiv, während er immer weiterrannte, dies
alles überlegte und nach einem Ausweg suchte.
Er vernahm laute Schreie und Rufe . . . .
Plötzlich bekam er einen Schlag gegen die
Schulter, fühlte einen brennenden Schmerz.
Etwas Warmes kroch über seinen linken
Arm, und seine Hand fühlte sich ganz klebrig
an. Er sah nicht hin, denn er wußte, es war
Blut, das aus seinem Aermel tropfte.
Der Inspektor war schon in der Mitte des
Durchgangs angelangt, als seine Vermutung,
daß'die Verfolger ihn in eine Sackgasse trei-
ben wollten, bestätigt wurde. Denn er er-
blickte jetzt Cäsar Montis Gesicht hinter der
halbblinden Scheibe eines Fensters, das zu
einem kleinen Gsrnüssgeschäft gehörte,
Fan warf sich herum und stürmte die nächste
Seitentreppe empor. Wenn es ihm nur ge-
lang, einen kleinen Vorsprung zu erreichen,
dann war vielleicht noch nicht alles verloren.
Er nahm zwei Stufen auf einmal, aber er
mutzte sich jetzt schon sehr anstrengen, um
rasch vorwärts zu kommen. Denn in seinem
Alter spürt auch ein vollkommen gesunder
Mensch eine solche Jagd. Und schließlich, Mn
gab sich keinen Illusionen hin, diesmal lies
ex um sein Leben.
Er keuchte, fein Atem ging schwer und ein
leichtes SchwindelgHühl apckte ihn. Wenn das
so weiterging, würde ihn Monti einholen, ehe
er irgendwo Unterschlupf — oder wenn ei
besonderes Glück hatte — ein Telephon fand.
Da öffnete sich eine Tür. Eine ältere Dame
in Hut und Mantel wollte eben ihre Wohnung
verlassen, und sie schrie entsetzt auf, als der
Inspektor sie brüsk am Arm ergriff und ein-
fach zurückdrängte. Leise zog Fan die Tür zu
und blieb lauschend stehen. Draußen glitt dm
Schatten eines Mannes vorbei.
„Was wollen Sie . . .? Wer sind Sie . .?"
ft-gt-e die Dame unwillig über den Zwischen-
fall.
Der Inspektor zeigte ihr seine Erkennungs-
marke und klärte sie mit einigen Worten über
die schwier-ge Situanvu, in der er sich befand,
aus. Die alte Dame erwies sich mutiger als
er dachte, fiel weder in Ohnmacht, noch bekam
sie einen Weinkrampf.
„Haben Sie ein Telephon, gnädige Frau?"
»Ja, Inspektor ... ein Glück für Sie!"
Sie führte ihn in das Wohnzimmer und wies
auf den Apparat.
Fan hob den Hörer ab, hing ihn aber schon
nach wenigen Augenblicken mit einem inner-
lichen Fluch wütend auf. — „Das Telephon
funktioniert nicht . . .!" rief ex aus.
„Gestern abend habe ich noch gesprochen"
sagte die Wohnungsinhaberin. „Ein unglück-
licher Zufall. . ."
Der Inspektor lächelte resigniert. Für ihn
gab es keine solchen Zufälle, seine Feinde hat-
ten eben an alles gedacht. Der Ueberfall war
bis ins kleinste Detail vorbereitet, für jede
Möglichkeit waren Gegenmaßnahmen getrof-
fen worden. Er zweifelte nicht, daß man die
Telephonverbindung mit diesem Häuserblock
absichtlich unterbrochen hatte.
„Was werden Sie nun tun?" fragte die
alte Dame den Detektiv.
„Wenn es Sie nicht stört", antwortete
Fan, „möchte ich mir jetzt einmal eine Zi-
garre anzünden und dann zehn Minuten lang
Nachdenken. Ist das erlaubt, gnädige Frau?"
Sie nickte Gewährung, verschwand für einen
Augenblick, kehrte jedoch gleich darauf mit
einer Waschschüssel, Handtuch und einigen
reinen Leinenstreifen zurück.
„Bevor Sie anfangen nachzudenken, muß
ich Sie aber verbinden. Schnell, ziehen Sie
Ihren Rock aus!" kommandierte sie.
Es war zum Glück nur ein ganz harmloser
Streifschuß, den Fan erlitten hatte. Trotzdem
blutete die Wunde ziemlich stark. Mit flinken
Händen verband die alte Dame den JnseMor
und schob ihm dann einen Sessel zu.
„Ich danke Ihnen, gnädige Frau."
Fan empfand Hochachtung und Bewunde-
rung, für die alte Dame, die ihn jetzt mit kei-
ner einzigen Frage mehr störte. Nun erinnerte
er sich auch, an der Wohnungstür den Namen
Gerson gelesen zu haben.
„Ihr Name kommt mir so bekannt vor"
wandte er sich an sein schweigendes Gegen-
über. „Gerson?"
„Sind Sie in Ihren jungen Jahren nie
ins Theater gegangen, Inspektor?"
Da wußte er plötzlich, wer ihn so bereit-
willig ausgenommen hatte: Adele Gerson, die
einst berühmte Altistin der Großen Oper. Er
warf ein Paar verstohlene Blicke auf ihr Ge-
sicht, das noch immer klassisch edle Linien
zeigte.
Dann aber versank Inspektor Fan wieder
in eifriges Nachdenken. Er rauchte wie ein
Schlot, aber er fand keinen Ausweg. Wie in
einer von Feinden umzingelten Festung saß
er hier, fast abgeschlossen von der Außen-
welt, fest. Ein Schritt aus dieser Wohnung,
und . . . eine Kugel würde ihn erwarten.
Sollte er Frau Gerson bitten, Hilfe für ihn
herkeizuholen . . .?
Sein ganzer Stolz bäumte sich gegen die-
sen Gedanken auf. War es überhaupt sicher,
daß die alte Dame unerkannt dnrch die Ab-
sperrungskette seiner Feinde gelangen würde?
Fan sprang auf.
„Gnädige Frau", begann er, „Sie waren
doch beim Theater - . . Wollen Sie mir hel-
fen . .?"
„Gewiß, Inspektor, wenn ich es vermag."
Der Detektiv entwickelte Frau Gerson sei-
nen Plan. Sie unterbrach ihn wiederholt mit
einer zustimmenden Bemerkung und ihre
Augen leuchteten voll Freude.
„Glauben Sie, daß es so gehen wird?"
,Jch denke schon", erwiderte sie.
, Eine Stunde später führte Frau Gerson
eine gebrechliche Greisin die Treppe hinab. Sie
stützte sie fürsorglich, denn die Alte schien' von
Asthma so geplagt zu sein, daß sie nur ganz
langsam gehen konnte.
Am Fuße der Treppe lehnte Cäsar Monti
und bewachte den Ausgang des Stiegenhauses.
Während die beiden Damen an ihm vorbei-
schritten, bekam die ältere einen starken
Hustenanfall. Er warf einen forschenden Blick
auf die beiden Frauen, wandte sich aber dann
gleichgültig ab.
Als Inspektor Fan dann endlich mit seiner
Begleiterin in einem Taxi saß, ergriff er die
Hand Frau Gersons.
„Es war das erstemal während meiner
Laufbahn als Detektiv, daß ich mich verkleidet
habe", seufzte er erleichtert auf. „Perücken,
falsche Bärte und ähnliches Zeng komme
sonst nur in der überhitzten Phantasie seist*
Schriftsteller vor, die Kriminalromane sch*^
ben ..."
„Eine gute Maske bedeutet manchmal ave*
einen letzten Ausweg. Inspektor", gab m
Künstlerin zur Antwort.
„Sie haben eigentlich recht, gnädige Fran.
Und wenn ich nicht gerade in Ihre Wohnung
hineingeiallen wäre . . ."
Er vollendete den Satz nicht, denn es war
ibm begreiflicherweise höchst unangenehm, an
die Möglichkeit erinnert zu werden, daß e*
unter weniger glücklichen Umständen siM
wahrscheinlich setzt auf dem Transport in»
Leichenhaus befunden hätte ....
23. Kapitel. , ,
Seit vielen Stunden bemühte man sich 'w
Polizeipräsidium, den Aufenthalt Inspektor
Fans festzustellen. Da der Detektiv nicht zu*
Audienz beim Präsidenten der Republik er-
schienen war, erfolgte von dort eine Anfrage
im Präsidium. Darauf leitete mau sofort Re-
cherchen ein.
Die einzigen sicheren Anhaltspunkte konnte
zuerst nur der Polizeipräsident selbst gebou,
der um ungefähr ein Viertel zehn Uhr do»
Büro seines Untergebenen verlassen hattch
Fan wurde zwar dann noch von einigen Po-
lizisten gesehen, wie er das Präsidium verließ,
von da ab verlor sich aber seine Spur.
Erst nachmittags, als eine Meldung über
ein .geheimnisvolles graues Automobil vorn
Polizeirayon des Parlamentsviertels abgege-
ben wurde, begann man Zusammenhänge zu
ahnen. Es wurden verschiedene Zeugen ver-
nommen, aus deren Aussagen unzweifelhaft
hervorging, daß aus diesem Automobil vor
dem Durchgangshaus, das zum Regierung»^
gebäude führt, auf einen Mann geschosst»
worden war. Dieser flüchtete bei dem Attentat
in den Haupteingang, wo er verschwand. Das
Automobil fuhr dann davon und entkam un«
verfolgt. Nach der Personenbeschreibung, d«
die Leute von dem Manne, auf den
wurde, gaben, handelte es sich um Inspektor
Fan.
Dalenbrogg, der von dieser unerwarteten
Wendung vollkommen erschüttert war, uev
Smith rufen.
(Fortsetzung folgt.)