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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 150-228)

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Nr. 221 - Nr. 228 (21. September - 30. September)
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Samstag, Vs« 21. September IMS

-rr. rri

Zm Wichen Mtelmerrbecken
Griechischer Flottenbesuch in Istanbul
DNB. Istanbul, 20. Sept.
Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung
ist am Freitagvormittag ein Geschwader der
griechischen Kriegsflotte, das sich aus dem Kreu-
zer „Helli", den Zerstörern „Hydra", „Spara,
„Yerax" und „Panthera", den U-Baoten „Tn-
ton", „Proteus", „Katsonis" und einigen ande-
ren Schiffseinheiten zusammensetzt, in den Ha-
fen von Istanbul eingelaufen. Zugleich mit den
Kriegsschiffen traf ein griechisches Geschwader
von sechs Militärflugzeugen ein. Türkische
Kriegsschiffe und zwei Flugzeuggeschwader wa-
ren den Gästen entgegengefahren, um sie auf
dem Marmara-Meer zu begrüßen. Die grie-
chische Flotte wird einige Tage in Istanbul
bleiben. Von den türkischen Behörden werden
für die Gäste verschiedene Festveranstaltungen
und Empfänge vorbereitet. Im Hinblick auf die
gegenwärtige politische Lage gewinnt dieser
Flottenbesuch insofern besondere Bedeutung, als
dadurch die Freundschaft zwischen der Türkei
und Griechenland eine neuerliche offizielle Be-
kräftigung erfährt.
Wertpapiersturz an der Athener Börse
DNB. Athen, 20. Sept.
Es lausen hier Gerüchte um, die von einer
Verwicklung Griechenlands in einen zukünfti-
gen Krieg sprechen. Diese Gerüchte haben eine
Beunruhigung an der Athener Börse zur Folge,
ö-s konnten bereits verschiedentlich Wertpapier-
ftürze beobachtet werden.
Ein italienisches Motorschiff „Prometheus",
das von Tarent kam, hat am Freitag den Hafen
Arogstolien auf der Insel Kephallinia angelau-
fen mit der Begründung, daß der schwere See-
gang das Boot gezwungen habe, Schutz in dem
nächsten Hafen zu suchen. Man erwartet in Ar-
gostolion angeblich noch weitere Schiffe. Auf-
grund einer griechischen Meldung sollen die
Griechen in Argostolion die Annahme von Lira
bei Käufen der Besatzung des italienischen
Motorschiffes verweigert haben.
Di« italienischen Truppenverschifsungen nach
Libyen
DNB Rom, 20. Sept.
Bei den italienischen Truppenverschiffungen
nach Libyen handelt es sich nach Mitteilung des
halbamtlichen „Giornale d'Jtalia" nur um
kleinere Truppenverbände, die als Ersatz für die
von Libyen nach Eritrea gebrachten Eingebore-
nentruppen dorthin geschickt wurden. Die Lage
in Libyen sei vollkommen ruhig, doch wolle die
italienische Regierung angesichts einiger ver-
dächtiger Bewegungen für alle Fälle vorsichts-
halber bereit sein. Es sei daher nur logisch und
gerecht, wenn man in Aegypten wegen dieser
italienischen Trupenverbände in Libyen keine
Unruhe empfinden würde. Man wisse in Aegyp-
ten genau so gut wie in London, daß Italien
keine Maßnahmen ergreifen werde, durch die
andere Staaten in den italienisch-abessinischen
Konflikt hineingezogen werden könnten.
Die VMOenKrlegsschiffe imBittelmeer
DNB. London, 20. Sept.
Das Reutersche Büro veröffentlicht eine Ueber-
ficht über die Verteilung der britischen Kriegs-
schiffe im Mittelländischen Meer. Danach befin-
den sich in Gibraltar die Schlachtkreuzer „Hood"
und „Renown", ferner vier Kreuzer, neun Zer-
störer und drei Minensucher. In Alexandria lie-
gen nunmehr insgesamt 2g britische Kriegs-
schiffe, von denen das Schlachtschiff „Resolution"
mit Admiral Sir William Fisher an Bord erst
am 18. September hier eingetroffen ist. Zu dem
Geschwader in Alexandria gehören u. a. die
Schlachtschiffe „Revenge" und „Valiant", drei
Kreuzer, die beiden Flugzeugmutterschiffe „Glo-
rious" und „Courageous", sowie ein Hospital-
schiff. Die Zahl der in Aden eingelaufenen
Kriegsschiffe beläuft sich auf 10, darunter sind
die Kreuzer „Norfolk" und „Colombo". In Haifa
befinden sich drei Kreuzer und zwei U-Boote.
In Port Said halten sich das Schlachtschiff
„Barham", der Kreuzer „Despatch" und ein Zer-
störer auf. Die Reutersche Ueiersicht teilt ferner
Mit, daß in Suez am 18. September ein Aviso
<- 'gekommen, aber weitergefahren ist. Aus Sin-
gapour wird gemeldet, daß das Flugzeugmutter-
schiff „Hermes" und drei Zerstörer dort am 18.
September eingetroffen sind.
Malta wird in obenstehender Uetersicht nicht
erwähnt.
Britische Vorsichtsmaßnahmen in Gibraltar
DNB. Paris, 20. Sept.
Havas meldet aus Gibraltar, daß der bri-
tisch« Kreuzer „Exeter" am Freitagvormittag
dort eingetroffen sei. Ein Stahlnetz sperre sämt-
liche Eingänge zum Hasen. Die Behörden hät-
ten am Donnerstag die Bevölkerung von
Gibraltar angewiesen, sich mit Wachslichtern zu
versehen; im Laufe des Tages sind 15 000 Lich-
,ter verlauft worden. Auch die umliegenden
spanischen Dörfer hätten viele tausende Lichter
erworben, so daß die Vorräte hieran zu Ende
gegangen seien. !

Die Berichte der Blatter aus Genf lauten noch
düsterer als bisher, wenn man auch annimmt,
daß die endgültige Entscheidung bis Samstag
auf sich warten lassen werde. Man glaubt, daß
dis Sitzung des italienischen Ministerrats am
Samstag eine Entscheidung bringen wird. An
einer günstigen Antwort Abessiniens wird kein
Zweifel gehegt.
*
„Daily Mail", die bisher gegen die amt-
liche englische Politik in der abessinischen Frage
aufaetreten war, stellt sich jetzt aus patriotischen
lAMS« tzt»tor di« Regierung.

MS dem Reich

Die Bauern danken dem Führer
In seiner Proklamation auf dem Parteitag der
Freiheit hat der Führer an den Anfang seiner
Ausführungen über die deutsche Wirtschaft die
Feststellung gesetzt, daß es „trotz der schlechten
Ernte im Jahre 1934 gelungen ist, die Versor-
gung des deutschen Volkes mit den lebenswich-
tigen Nahrungsmitteln sicherzüstellen". Im
weiteren Verlauf sagte der Führer, daß hier in
den letzten Jahren eine Leistung vollbracht sei,
die der großen Masse unseres Volkes vielleicht
nicht in genügendem Umfang zum Bewußtsein
kam. In diesem Worten des Führers sehen, wie
Regietungsrat Dr. Wolfgang Clauß im Haüpt-
blatt des Reichsnährstands, „NS-Landpost",
zum Ausdruck bringt, die deutschen Bauern eine
Anerkennung, für die sie nicht nur dankbar
sind, sondern die sie als eine neue Verpflich-
tung betrachten. Der Referent weist darauf
hin, daß 1932 Reichsbauernführer DarrS vor
dem Parteikongreß noch feststellen mutzte, daß
infolge der zerstörenden Auswirkungen der
Systemzeit praktisch eine volkswirtschaftlich voll
einsatzfähige deutsche Landwirtschaft kaum noch
vorhanden war. Er wirft die Frage auf, was
aus Deutschland geworden wäre, wenn die
Agrarpolitik versagt hätte. Nach den neuesten
Berechnuneg ndes Instituts für Konjunktur-
forschung hätten wir 192? einen Einfuhrüber-
schuß an Nahrunges- und Futtermitteln im
Wert von 4.9 Milliarden RM gehabt. 1934 sei
trotz der schlechten Ernte nur ein Einfuhriiber-
! schuß von 1.3 Milliarden RM erforderlich ge-
wesen. Wo hätten wir, so fragt der Referent,
im letzten Ihr die 3.6 Milliarden RM Devisen
für die Lcbensmitteleinfuhr hergenommen, die
wir 1927 mehr benötigten als 1934, wenn nicht
inzwischen die Erzeugung im Inland nachhal-
tigst gestärkt worden wäre? Und wie wäre die
Lage in Deutschland, wenn nicht der Brotpreis,
die Achse und Richtschnur sämtlicher Preise, seit
dem Januar 1933 vollkommen stabil gehalten
worden wäre? Schließlich sehen wir an dem
Beispiel der Sowjetunion, so schließt Dr.
Claus, wo in den letzten Jahren Millionen
Menschen verhungerten, was Deutschland er-
spart blieb.
Die ZudeMage in der Gemeindepolitil
Der stellvertretende Geschäftsführer im
Hauptamt für Kommunalpolitik der Reichs-
leitung, Dr. Kurt Müller, nimmt in der „NS-
Gemeinde", dem Zentralblatt der NSDAP für
Gemeindepolitik, vom Standpunkt der Ge-
meindepolitik Stellung zur Judenfrage. Eine
in nationalsozialistischem Sinne getätigte An-
wendung und Auslegung der Gesetzesvorschrif-
ten vermöge vor allem in der Judensrage in
weitesten Umfange jene Lücken zu schließen, die
bei einer rein formalistischen Handhabung des
Gesetzes einer Bereinigung scheinbar im Wege
ständen, Der Referent verweist auf das Bei-
spiel des Benutzungsverbotes gemeindlicher
Badeanstalten für Juden, gegen das vielfach
eingewendet worden sei, daß die Rechtsgrund-

lage für dieses Vorgehen fehle. In Wahrheit
fehle sie nicht, und die Auffassung, daß den
Juden als „Bürgern und Steuerzahlern" die
Eemeindeeinrichtungen zur Verfügung stehen
müßten, sei insoweit verfehlt, als nie und nim-
mer alle Hinrichtungen uneingeschränkt zur Ver-
fügung gestellt werden müßten. Nach der Ge-
meindeordnung sei es den Hauptsatzungen der
Gemeinden überlassen, Voraussetzungen," Bedin-
gungen und Art der Benutzung gemeindlicher
Anstalten und Einrichtungen überhaupt zu
regeln. Es bedürf« keiner Begründung, daß rn
dieser Beziehung eine Sonderbehandlung der
Juden auch gesetzlich einwandfrei zulässig sei.
Wenn nach der noch geltenden Verfassungsbestim-
mung" „alle Deutschen vor dem Gesetz" gleich
seien, so sei die Frag«, wer Deutscher ist,' auch
aus dem Parteiprogramm zu beantworten. Der
Referent erklärt, daß schwerlich Fälle denkbar
seien, in denen einer allmählichen Bereinigung
der Judenfrage ernstliche gesetzliche Hindernisse
im Wege stehen. Umsomehr seien Maßnahmen
entbehrlich, die sich grundsätzlich oder in der
Form außerhalb des gesetzlichen Rahmens hal-
ten. Wenn beispielweise die Anbringung von
„Judentafeln" in manchen Orten notwendig und
zweckmäßig erscheinen möge, so sei auch auf eine
entsprechende Form solcher Verlautbarungen Be-
dacht zu nehmen. Aufschriften wie „Juden be-
treten diesen Ort auf eigene Gefahr" seien un-
zweckmäßig, da hierdurch der falsche Eindruck er-
weckt werde, als seien an dem Ort lebensgefähr-
liche Gewalttätigkeiten an der Tagesordnung.
Die Mittel, deren sich die Leiter der Gemeinden
zur Behandlung der Lösung Ker Judenfrage be-
dienen könnten, seien so zahlreich, daß es un-
zweckmäßiger Drohungen nicht bedürfe.
Breslauer FranzMauerpaier wegen Dewisen-
vergehens verurteilt
DNB. Breslau, 20. Sept.
Der Franziskanerpater Franz Zimolong (Pa-
ter Verwand) erhielt wegen Vergehens gegen
das Devisengesetz ein Jahr sechs Monate Ge-
fängnis und 3000 RM. Geldstrafe oder noch
weitere 30 Tage Gefängnis.
Der Angeklagte hatte im Oktober 1934 und
im Januar 1935 jedesmal 15 000 RM., die dem
in Jerusalem ansässigen „Verein zum Heiligen
Land" zustanden, von einer Breslauer Bank ab-
gehoben und dem Vertreter einer Orgelbaufirma
in Jägerndorf in der Tschechoslowakei für einen
Orgelbau übergeben, der da? Geld dann ins
Ausland brachte.
Das Gericht berücksichtigte, daß der Angeklagte
auftragsgemäß gehandelt habe, und zwar im
Auftrag des Paters Custos in Jerusalem, der
ihm den Auftrag gegeben hatte, Geld für eine
Orgel zu übersenden. Der Angeklagte hätte un-
bedingt aber Bedenken haben müssen, denn er
habe wissen müssen, daß der Vertreter der Or-
gelbaufirma Ausländer sei. der seinen Sitz in
Jägerndorf in der Tschechoslowakei habe. So habe
er damit rechnen müssen, daß das Geld dorthin
gehen sollte.

Die Wasserwüjle von Kiangs»
Sine halbe Billion Benschen abgeschnttten

DNB. Nanking, 20. Sept.
Der Sonderberichterstatter des DNB. meldet
aus Puenho (Provinz Kiangsu):
Die Züge der Oststrecke der Lunghai-Vahn, an
deren Kreuzung mit dem Kaiser-Kanal Lung-
Hai liegt, beginnen etwa 30 km östlich Hsuetschau
ihre stark gefährdete Fahrt durch das Flutgebiet
auf einem Bahndamm, der stellenweise nur
wenige Zentimeter über dem Wasser liegt und
zum Teil unterspült ist.
Die Bauern südlich der Strecke haben wochen-
lang den Bahndamm verteidigt, den sie als Not-
deich benutzten und diese Funktion durch Ver-
dämmung der Durchlässe erzwangen. Ihre aben-
teuerlich bewaffneten Wachen sind noch heute an
vielen Stellen zu sehen. Sie hatten mit ihrem
den Bahndamm selbst stark gefährdenden Vor-
gehen gegenüber der Vahwverwaltung insofern
Erfolg, als diese sich scheute, gegen die gefähr-
lichen Selbsthilfemaßnahmen der Bauernbevöl-

kerung Waffengewalt anzuwenden. Alle ihre
Bemühungen versagten jedoch gegenüber den
Naturgewalten. Ein schwerer Nordsturm hat
einerseits die einzeln angelegten Verdämmungen
weggsschwemmt, andererseits gewaltige Vreschen
in die Deiche des Kaiser-Kanals geschlagen,
dessen Wasser heute drei Meter über dem ge-
wöhnlichen Wasserstand dahinbrausen.
Der Anblick der die Lunghai-Bahn zu beiden
Seiten auf einer Länge von über 60 km beglei-
tenden Wasserwüste mit ihren gelegentlichen
Oasen höhergelegener Siedlungen ist in seiner
katastrophalen Größe kaum zu beschreiben. Etwa
eiste halbe Million Menschen sind von
den Zügen abgeschnitten, und es ist kaum zu er-
kennen, welche Maßnahmen zu ihrem Abtrans-
port bereits getroffen wurden oder überhaupt
möglich sind.
Die Ausdehnung und die Richtung, die die
Fluten nehmen, sind auch amtlichen Stellen
nur ungenau bekannt.

Rücktritt der
spanischen Regierung
DNB. Madrid, 20. Sept.
Der spanische Ministerpräsident Lerroux hat
am Freitagmittag dem Staatspräsidenten den
Rücktritt des Gesamtkabinetts angezeigt. Die
Besprechungen des Staatspräsidenten mit den
Parteiführern werden bereits am Freitagnach-
mittag beginnen.
Die ursprünglich beabsichtigte rein verwal-
tungsmäßige ministerielle Neuorganisation der
spanischen Regierung hat sich also zu einer poli-
tischen Krise ausgewachsen. Die Ursache liegt in
dem Rücktritt des Marine- und des Landwirt-
schaftsministers, die beide der Agrarpartei an-
gehören, und in der Stellungnahme dieser Par-
tei, die laut Erklärung ihres Führers Martinez
de Velaszo einem neuen Kabinett keinen Ver-
treter zuteilen will: Es besteht jedoch in Re-
gierungskreisen die Ansicht, daß eine neue Re-
gierung eine ähnliche Zusammensetzung aufwei-
sen wird wie die bisherige, da die Agrarier
bereit seien, eine solche im Parlament zu unter-
stützen, auch wenn sie nicht direkt in der Regie-
rung beteiligt sind, und andererseits die stärkste
Partei, die Katholische Volksaktion, eine Er-
weiterung des Kabjstetts nach links nicht zulas-
sen wird. Eine Auflösung des Parlaments will
man in Anbetracht der innen- und außenpolitt-
schen Lage aus jeden Fall vermeide«.

Das Handgemenge im Flugzeug
Die beiden Flieger sreigespiochen
DNB. Toronto, 21. Sept.
Das Schwurgericht in Toronto sprach am
Freitag die beiden Flieger frei, die mit dem be-
kannten Rugbyspieler Koennecke astfgestiegen
Waren und ihn in einem Handgemenge in der
Luft getötet hatten.
Das Gericht erklärte, die beiden Flieger Hütten
in Notwehr gehandelt. Die Verhandlung habe
ergeben, daß Koennecke schwer betrunken gewesen
sei und daß sein Kampf mit den beiden Flug-
zeugführern für diese die Gefahr eines Absturzes
Mit sich gebracht hätte. Koennecke hatte, wie er-
innerlich versucht, während des Fluges in dem
von ihm gemieteten Flugzeug den Piloten vom
Steuer wegzureißen, was zu einem Handgemenge
zwischen dem Flug-eugbeobachter, dem Piloten
und Koennecke geführt hatte, in dessen Verlauf
Koennecke von dem Piloten mit einem Feuer-
löscher niedergeschlagen wurde.

Der Kaiser von Japan hat dem Führer und
Reichskanzler für die Ueberreichung des Kaiser-
Saga-Bildes ein in warmen Worten gehaltenes
Danktelegramm übermittelt.
*
In der mexikanischen Ortschaft Lajohci kam es
um den Besitz von Ländereien zwischen Siedlern
zu Streitigkeiten, die 16 Tote und zahlreiche
WMWÄSte fordert««.

mehr den europäischen Frieden.
Sie Menielsrage
Der Völkerbund ausgeschaltet
DNB. London, 20. Sept.
Reuter meldet aus Genf,Eden und Laval
ten am Donnerstag eine lange Besprechung w
den Vertretern Litauens und Lettlands, Lw
raitis und Munters, über die Frage der o
kunft von Memel. Es verlaute, die vier Staa» :
männer seien übereingekommen, die Frage a» <
diplomatischem Wege und nicht vor de
Völkerbundsrat oder der Völkerbundsversaw»
lung zu behandeln.
Nach einein Bericht des „Petit Journal"
Ministerpräsident Laval dem litauischen Auße»
Minister gegenüber ausdrücklich betont, daß da
Memelstatut von der litauischen Regierung 0?
nau befolgt werden müsse.
*
Die Vertreter der fremdstämmigen NationaO-
täten in den verschiedenen Grenzbezirken Mn
lands haben dem Präsidenten der Völkerbunds
Versammlung eine Denkschrift überreicht, in ° ,
dagegen Protestiert wird, daß trotz der AU
nähme Rußlands in den Völkerbund die rno-ks
witische Unterdrückungspolitik in diesen Gebrete»

Treuhänder der Verträge?
Man möchte es nicht glauben und dennoch
scheint es wahr zu sein, daß die Signatarmächte,
trotz der Recht und Gerechtigkeit, Freiheit uno
Menschlichkeit hohnsprechenden Vorgänge tM
Memelgebiet, trotz der nicht mißzuverstehenden
Worte des deutschen Führers und Reichskanzlers
vor dem Nürnberger Reichstag bei ihrer plato-
nischen Protestgeste es bewenden lassen wollen-
Die durch den litauischen Ministerpräsidenten
Tubelis abgegebene widerspruchsvolle Erklä-
rung, sowie die Ausführungen des litauischen
Außenministers in Genf sollen als befriedigens
eracktet werden!
Ein derartiges Verhalten der Treuhänder des
Memelstatuts wäre umso unbegreiflicher, als
nicht nur aus den Worten des deutschen Reichs-
kanzlers, sondern auch aus zahlreichen ausländi-
schen. Pressestimmen horvorgeht, daß die Ereig-
nisse im Memelgebiet allmählich Formen ange-
nommen haben, die geeignet sind, über Europa
eine verhängnisvolle Krise heraufzubeschwören.
Ein schwedisches Blatt sprach schon von einem
„internationalen Skandal". Kann man sich das
Weiterschwelen eines so gefährlichen Brand-
herdes, wie es Litauen in der Memelfrage ist,
tatsächlich in einem weltpolitischen Augenbua
höchster Unruhe und Spannung leisten, einem
Augenblick, in dem es sich schon ohnedies um die
Frage Krieg oder Frieden handelt an deren
Beantwortung alle europäischen Völker interes-
siert sind?
Man möge daher die Worte des deutschen
Reichskanzlers über die in der Memel frage stw
bergende Gefahr nicht unterschätzen, sie vor allem
so auffassen, daß sie vor aller Welt klar Heraus-
stellen: Im Memelgebiet handelt es sich nm
brutalste Vergewaltigung einer nationalen, stw
loyal an geschlossene Verträge haltende Minder-
heit. Im Memelgebiet, dem unter Garantie ver
Mächte England, Frankreich, Italien und M
pan volle Autonomie zugesichert ist einschlietzn^
eines freien Wahlrechts, vergeht kein Tag, an
dem sich die litauische Regierung nicht hohn-
lächelnd und rücksichtslos über das völkerrech.r-
lich bindende Memelstatut hinwegsetzt. Dw
Signatarmächte haben die Garantie für .
Innehaltung der Bestimmungen dieses Statur
übernommen. Bis jetzt waren sie in Erfüllung
dieser ihrer Pflichten meist, sagen wir einina
höflich, untätig und zurückhaltend. Greifen ll
aber nicht schleunigst energisch ein, dann trage
sie in erster Linie die Verantwortung für w
weitere Entwicklung im Memelgebiet und dar
über hinaus. Es gilt jetzt, daß sie sich endlich
als wirkliche Treuhänder des Rechts und de
Verträge erweisen.
Gelten ihnen die zwiespältigen offiziellen Er
klärungen der litauischen Regierung, die sch"'
früher das Gegenteil von dem besagten, was ve
tatsächlichen Verhältnissen entspricht, mehr
die geradezu unerhörten Geschehnisse angestw
der bevorstehenden Memelwahlen? Haben p
vergessen, daß die im Jahre 1923 von der M
schafterkonferenz ins Memelgebiet entsanw
Sonderkommission, der u. a. auch Baron Alov
angehörte, in ihrem Bericht feststellte, daß
litauische Diplomatie und Propaganda die
heit mutwillig, verschleiert und verdreht?
Warum drohte sie damals mit einem Vorgem
des Völkerbundes und Abbruch der diplonm'
schen Beziehungen? Wer fehlt denn eigentlich
mehr. Herr Außenminister Lozoraitis, wenn
die gegenwärtige Lage im Memelgebiet „n»
mal" nennt, oder die Garanten des Meine
statuts, die „Treuhänder des Rechts", wenn !
sich damit zufrieden gaben, wenn vom Mew«
statut aber auch rein garnichts mehr Lbriggedu^
ben ist, weder Schulautonomie, noch Eerichi
autonomie, weder Versammlungs-, Rede- "v
Pressefreiheit, noch die Möglichkeit irgendw
chen kulturellen Eigenlebens? Ist es wirklich w
der litauischen Regierung als „normal" zu
trachten, d. h. doch also wohl den Bestimmung
des Memelstatuts entsprechend, wenn poutaA
wirtschaftlich und sozial die grundlegendsten
stimmungen des Memelstatuts über den Ham
gerannt werden und Angehörige einer . g*Ej>
Nation wie unkultivierte Völker gepeinigt »u
vergewaltigt, unter Kriegszustand und Krieg
gericht gestellt werden allein deswegen, weil!
deutsche Volks- und Stammesgenossen blew
wollen, sonst aber in jeder Beziehung beie
sind, dem litauischen Staat und den BestinimU^
gen des Memelstatuts getreu zu bleiben
Das soll „zufriedenstellend", das soll „norina
sein? — Sieht so die Treuhänderschaft "
Rechts im Sinne kollektiver Friedens- »
Sicherheitspolitik aus?
Es ist höchste Zeit, daß die SignatarmaH
sich nicht nur nicht von Litauen verhöhnen mi
sen, sondern sich nicht auch selbst in WidersE
mit den von ihnen so oft und laut verkünver
Thesen des Rechts und der „Heiligkeit der
träge" setzen. Der rechtswidrige und anorm"
Zustand im Memelgebiet bedroht ernstlich >
mer mehr den europäischen Frieden.
 
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