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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 150-228)

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Nr. 221 - Nr. 228 (21. September - 30. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43255#0742
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Verte S

„Heivelverger Bolksdlatt" — Montag, den 23. September 1938

Nr.SSS 7


Dei: Fünser ausschuh in Genf, der die Schiedsvorschläge ansarbeitete
Die letzte Hoffnung der Bölkevbundspolitcker knüpft sich jetzt an die Schiedsvorschlüge, die der Fünfervusschuß gemacht hat, um eine Ver-
meidung des Kriegsausbruchs zwischen Italien und Abessinien zu ermöglichen. Unser Bild zeigt den Fünferausschuh während der Beratung.
Bon Kurs nach rechts: der türksche Delegierte Ruchdy B e y, der franMsche Auhenurinister Laval, der Vorsitzende des Ausschusses,
der spanische Botschafter Ma dar :aga, dann der Völkerbundssekretär Avenol (kein offizielles Mitglied des Fmffemnsschusses), Eug-
jstmds Minister Eden und der polnische Außenminister Beck. (Schevl-Bilderdienst-M.)

WohWhrtsbmfmarktn der NeutsOen Michspest. Gültig bis M. Zum 19Z6


Am 4. Oktober gibt die Deutsche Reichspost zugunsten der
Deutschen Nothilfe neue Wohlfahrtswertzeichen heraus. Es sind
10 Wertzeichen zu 3, 4, 5, 6, 8, 12, 15, 25, 30 und 40 Rpf. vor-
gesehen, die mit einem Wohlfahrtszuschlag für die Deutsche
'Nothilfe abgegeben werden. Daneben wird je eine Postkarte
zum Erntedänktag und zur Eröffnung des Museums für Deut-
sche Volkskunde in Berlin ausgegeben, und zwar die letztere in
Berlin bereits am 1. Oktober. Der Verkauf der Wohlfahrts-
wertzeichen durch die Postanstalten und die Deutsche Nothilfe
dauert bis Ende Februar 1936, ihre Gültigkeit hört Ende Juni
1936 auf.


Die neuen Marken bringen Frauenbilder mit den Trachten
verschiedener deutscher Volksstämme, und zwar von Ostpreußen,
Schlesien, Rheinland, Niedersachsen, Kurmark, Schwarzwald,
Hessen, Oberbayern, Friesland und Franken. Die beiden Post-
karten tragen die Abbildung eines BDM-Mädels. bezw. das
Trachtenbild aus Niedersachsen (wie auf der Freimarke zu 6
Rpf.), Die Entwürfe stammen von dem Maler K. Diebitsch in
München, dem als Unterlagen für die Trachten Aufnahmen
des Trachtenphotographen Hans Retzlaff in Berlin-Char-
lottenburg dienten.


16 Millionen Erntesträutzchen für den
Erntedanktag
Deutschland rüstet zum Erntedank-tag am 6.
Oktober, an dem sich das Bauerntum auf dein
Bückeberg bei Hameln versammeln wird. „ An
diesem Tage werden 16 Millionen Erntesträuß-
chen verkauft, deren Herstellung 10 000 Volks-
genossen im Obererzgebirge Nahrung undBpot
gegeben hat. (Scherl-Bilderdienst-M.t

Zwölf Wörter Deutsch
Ich bin von deutschen Eltern in Deutsch-
land geboren und -ging in eine deutsche Schuld-
Und ich mußte dort als deutsche Muttersprache
lernen:
Konservatorium. Konversation. Kolloquium.
Krematorium. Konkret. Abstrakt. Konsequent.
Konsonant. Vokal. Renommage. Reportage-
Blamage.
Saqt es keinem Ausländer! ,
Ich wünsche, daß meine Kinder und Enkel
ein anderes Deutsch lernen in einqp deutsche-
ren-Schule. Deutscher Sprachverein.
Die größte Stadt der Welt, gemessen an del
Flächenausdehnung, ist Debreczin in Ungarn, das
mehr als 600 Quadratmeter bedeckt.
Rur bis zu einer Höhe von 1 bis 11 Kilo-
meter können sich Wolken bilden.
Die Zahl der deutschen Aerzte beträgt rund
52 000.


Ni« NrßiÄ!«^
teowsav-rrried widert t-üiixeo L Oeor« blüller. dlünchev 19. Ilubertusslrode 27

57) l Nachdruck verboten.)
Echagüe warf einen Blick auf den brennen-
den Dachstuhl und schüttelte den Kops.
„Ich glaube kaum, daß es länger dauern
wird als zehn Minuten, bis das Feuer ge-
löscht ist." Dann stampfte er voll Wut mit
dem Fuß auf den Boden. „Mir gefällt diese
Sache nicht, das sieht nach Brandlegung aus!"
„Das war auch mein erster Gedanke", ent-
gegnete No-ef. „Da hat uns jemand einen
Streich gespielt!"
Trotzdem habe ich wenig Lust, hier in der
Nähe zu bleiben", drängte Monti „Wenn die
elektrische Leitung bei den Löscharbeiten Kon-
takt erhält, gibt es eine entsetzliche Kata-
strophe . !"
Ihr Gespräch wurde jäb unterbrochen. Sie
mußten vor einer Motorspritze flüchten, die
bis an das Haus herangefahren kam. Jetzt
standen auch schon die Schläuche unter Druck
und armdicke Wasserstrahlen ergossen sich über
das brennende Dach. Die Flammen sanken
raich zusammen, und wie es der Spanier vor-
ausgesagt hatte, war die Gefahr einer Weiter-
verbreitung des Feuers in kürzester Zeit be-
seitigt.
Echagüe wurde es immer klarer, daß dieser
Brand durch keinen Zufall zum Ausbruch ge-
kommen war. Und als er erkannte, daß er
nichts mehr für sein Leben zu fürchten hatte,
erwachte auch wieder die alte Energie in ibm.
Es fiel ibm jetzt nicht mehr ein, aus der
Nähe der Billa zu fliehen, im Gegenteil, er
beschloß, genau auf alles zu achten, was sich
hier noch abfpielen würde. Mit Sicherheit
war auch mit einer Polizeilichen llnter'uchung
zu rechnen, aber diese fürchtete der Spanier
nicht. Seine Bedenken bewegten sich in einer
ganz andren Richtung.
Einer der Feuerwehrleute kam auf ihn zu
und schob ihn beiseite.
„Sie stehen hier im Weg herum", fuhr ihn
der Uniformierte barsch an.
„L-affen Sie mich sn Rühe", entrüstete sich
Echagüe, „ich bin der Besitzer dieser Billa."
„Ach so, dann entschuldigen Sie . . ", ent-
gegnete der Mann jetzt höflich. „Haben Sie
übrigens eine Ahnung, wodurch das Feuer
entstanden ist?"
„Das möchte ich selbst gerne wissen . - .!"
Wahrscheinlich waren es Strolche, die das
Haus angezündet haben."
„Brandlegung, hier mitten in der Stadt?"
gab der andere erstaunt zurück.
„Das zu untersuchen wird Aufgabe der Be-
hörde sein", sagte Echagüe gereizt und wollte
sich entfern er:.

Nur üer Feuenveyrmauu hwtt ihn zurück.
„Wir haben auf der andern Seite des Hau-
ses einige merkwürdige Entdeckungen gemacht,
die für Sie vielleicht von Interesse sind! Wenn
Sie mitkommen wollen . . . ?"
Der Spanier nickte und schloß sich dem
Manne an. Niemand kümmerte sich um sie,
als sie über die Schläuche stiegen und sich
zwischen den Feuerwehrleuten hindurchdrnng-
ten.
„Was haben Sie denn entdeckt?" fragte
Echagüe jetzt mit Neugierde.
„Kommen Sie nur ... Sie sollen es selbst
sehen!"
Der Mann schritt voraus und führte den
Spanier, der vergeblich von seinem Begleiter
eine genaue Antwort zu erhalten versuchte,
etwas abseits.
„So reden Sie doch . . . glauben Sie denn
ich will bier in der Finsternis mit Ihnen
Herumlaufen . . ?"
Die folgenden Worte blieben dem Spanier
in der KeOle stecken. Der Feuerwehrmann
hatte sich plötzlich umgcdreßt und den Lauf
eines Revolvers auf seinen Begleiter gerichtet.
„Sind Sie endlich still mit Ihren Fragen",
sagte der Uniformierte zu Echagüe.
„Geben Sie das Ding weg . - . und unter-
lassen Sie solche Scherze!"
Ein herzliches Lachen war die Antwort.
Den Spanier überlief es kalt, und er begriff
langsam, daß hier etwas nicht in Ordnung
war. Scheu sah er sich um, aber angesichts der
Revolvermündung verging ihm jeder Ge-
danke an Flucht.
„Was wollen Sie denn von mir, wer sind
Sie . . .?"
Der Feuerwehrmann packte Echaqüe mit
festem Geist an der Schulter und stieß ihn
noch ein Stück weiter in die Dunkelheit des
Gartens. Dann sagte er°
„Ich nehme an, daß Sie nicht aus Ihrem
Haus gelaufen sind, ohne die Ihnen so wert-
volle Achillesdose mitzunehmen. Ich gebe
Ihnen drei Minuten, Zeit, um mir die Tose
auszuliefern!"
Der Spanier versuchte auszuweichen. „Ich
habe keine Ahnung, was Sie von mir wol-
len!"
„Eine Minute!" entgegnete der Mann mit
dem Revolver lakonisch.
„Und wenn Sie eine Stunde warten, so be-
kommen Sie die Dose nicht!" Echagüe sah
zwar sofort ein, daß er eine Unvorsichtigkeit
begangen hatte, aber er konnte sich vor Wut
kaum mehr beherrschen. Wie ein Irrsinniger
warf er die Hände in die Luft und krallte die

Finger zusammen. Aus seinem Munde kamen
unartikulierte Laute.
„Zwei Minuten . . !"
„Sie Teufel", schrie jetzt Echagüe, „glauben
Sie, ich weiß nicht, mit wem ich es zu tun
habe?" Aber Sie triumphieren zu früh, In-
spektor, wenn Sie auch diesmal im Vorteil
sind, so werden Sie doch nichts erreichen . .
nie . . . niemals . . ."
„Drei Minuten!" lautete die ruhiae Ant-
wort des anderen. „Schade, daß Sie sist das,
was jetzt folgen wird, nicht erspart haben,
Echagüe. Ich muß Sie nämlich etwas unsanft
behandeln, um die Dose zu bekommen . "
Der Spanier fuhr mit dem Koch zurück,
aber er entging dem Schlag mit dem Gummi-
knüppel nicht. Sein Gegner hatte zu gut ge-
zielt.
Rasch war der am Boden Liegende durch-
sucht, und die Achillesdose wanderte in die
Tasche des Feuerwehrmannes.
„Endlich!" rlüsterte dieser und zeigte jetzt
große Eile, vom Schauplatz zu verschwinden.
Unerkannt achaneste er durch das Tor auf die
Straße und ging auf ein geschlossene Auto zu,
das. sich sofort in Bewegung setzte; als er ein-
stieg.
Im Auto saß außer dem Ebamfeur noch
ein zweiter Mann, der sich jedoch vollkom-
men schweigend verhielt. Erst nach einer Weile
wagte er rn sprechen.
„Nun, Inspektor, ist cs gelungen?" Es
dauerte lange, bis er eine Antwort erhielt.
„Es war eine kinderlcicktc Angelegenheit",
sagte Fan. „Aber geben Sie mir erst einmal
Feuer, Smith, ich habe seit zwei Stunden kei-
nen einzigen Zug aus eim'r Zigarre getan . ."
Nach einer weiteren Panse fuhr er dann
in behaglicher Stimmung fort: „Ja, Smith,
ich muß in meinen alten Tagen umlernen,
fange an, als falscher Feuerwehrmann ber-
uunulausen, breche cckne amtliche Erlaubnis
in der Nackt in fremden Häusern ein und
stecke einen Dachstubs in Brand. Das sind
Dinge, die mir allerlei Unannehmlichkeiten
eintragen können. Aber ich habe die Dose,
Smith . . . mein Eigentum!"
„Sie gehört Ihnen, Inspektor?"
Fan weidete sich an dem Erstaunen des
Untergebenen. „Sie werden noch Augen
machen, Smith! Na, vorläufig ist das alles
ein Geheimnis, Sie würden die Zusammen-
hänge wahrscheinlich auch gar nicht begreifen.
Aber die Sache heute hat mir wirklich Spaß
gemacht! Wie ein Fuchs aus seinem Bau habe
ich diesen Gauner ausgeräuchert, und er hat
höllisch Angst bekommen wegen des Dyna-
mits im Keller! Sehen Sse, es ist doch manch-
mal gut, wenn man seine alten Kriegswaffen
nicht abliefert. So eine Brandpistole ist ein
ausgezeichnetes Ding,"
Dann wurde der Inspektor Plötzlich ernst,
ja sein Ton, in dem er das Folgende sagte,
war scharf und drohend.

„Hören Sie, Smith, bis Samstag haben
Sie noch den Mund zu halten. Ich bin ver-
schwunden, tot für alle, auch wenn der Prä"
sideut der Republik fragt. Lassen Sie sich nicht,
bluffen, am besten ist, Sie machen um das
Polizeipräsidium einen großen Bogen, mel-
den Sie sich meinetivegen krank . . . Sie sind
zwar kein großes. Geisteskind, aber ich ver-
spreche Ihnen rasche Beförderung, wenn Sie
Ihre Sache.gut machen. Äuf Ihren Schultern
liegt diesmal eine große Verantwortung,
Smich ..."
„Jawohl!" entgegnete der junge Polrzrst
stolz, und seine Augen leuchteten.
' 2 4. Kapitel.
Seii dem frühesten Morgen schon jagten
endlose Kolonnen von Automobilen, Privat-
wagen und die großen Transportomnibusse
des Heeres, die dicht besetzt mit Soldaten wa-
ren, dem Kriegshafen zu, der ungefähr 4"
Kilometer von der Stadt entfernt lag. Alle
Fahrzeuge fuhren ständig in riesigen Staub-
wolken.
Es war ein restlicher Tag. Der Staatskanz-
ler trat s?ine große Reise an, die in mehr als
einer Beziehung von ausschlaggebender Be-
deutung war. Er begab sich nach Amerika, urn
wegen eurer Anleihe zu verhandeln, mit dw
man die Finanzwirtschaft des Landes sanie-
ren wollte. Monatelang hatten die Diploma-
ten an den Vorbereitungen dieser Verhand-
lungen gearbeitet, bis sie nun endlich durch
den Kanzlerbesuch einen befriedigenden Ab-
schluß erhalten sollten.
Zugleich hatte die Reife aber noch eine an-
dere Aufgabe. Es galt, der Welt zu zeiget,
daß es der Kriegsmarine gelungen war, eine
Waffe zu erhalten, die auch einem an Flot-
tcncinheiten zahlenmäßig hoch überlegenen
Gegner sehr gefährlich werden konnte. Dieses
Wunderwerk modernster Kriegstechnik war
der Torpedobootzerstörer H T 19.
Silbergrau glänzte sein ftahlgepanzerter
schmaler Leib in der Sonne. Der Zerstörer
lag noch fest vertäut an der Kaimauer, doch
zeigte das Getriebe an Deck die letzten Vor-
bereitungen zum Auslaufen an. Aus de"
kurzen gedrungenen, etwas schräg nach rück-
wärts geneigten Schornsteinen quoll leichter
Rauch.
Ein sonderbarer Berbrennungsgeruch. lvg
in der Luft. Dieser rührte von dem neuen
Betriebsstoff her. der Erfindung eines M.a-
rineingcnieurs, mit dem die Motoren gespeist
wurden.
Die Maschinen von H T 19 bedeuteten auch
eine Umwälzung in der Schiffsbautechnik, und
bei den Probefahrten, die stets nur bei Nacht
durchgeführt wurden, hatte der Torpedoboot-
zerstörer die für ein Schiff geradezu phanta-
stische Geschwindigkeit von beinahe 48 Kno-
ten erreicht. Daher wollte man auch versuchen,
die Fahrt über den Ozean in Rekordzeit W
bewältigen. (Fortsetzung ßolgt.j
 
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