Seite 6 „Heidelberger Volksblatt" — Montag, den 26. August 1935
Rückgang der Verbrechenswelle
Die Entwicklung öer Kriminalität in SrutWand nach drm Kriege
Der große Internationale Strafrechts- und
Göfängnisko-ngreß in Berlin, der sich diesmal
mit ganz «besonders wichtigen und für die
Rechtsentwicklung in Deutschland bedeutsamen
Fragen beschäftigte, bot Bevamla-ssung, den
Teilnehmern aus dem Reiche sowohl -als auch
aus 50 Ländern der ganzen Welt einen Ueber-
blick über die Entwicklung der Kriminalität
Deutschlands und des Auslandes seit der Zeit
nach dem Kriege zu geben.
Was insbesondere die Kriminalitätsentwick-
lung in unserem eigenen Volke angeht, so hat
sie sich in den ersten Na-chkriegsjaihren völlig
unter den Einwirkungen des immer weiter um
sich greifenden wirtschaftlichen Zusammen-
bruchs vollzogen. In der überaus sorgfältig
bearbeiteten Kriminalstatistik, die das
Reichsstatistische Amt herausgegeben und als
Material dem Internationalen Kongreß m
Vorlage gebracht hat, werden über diese Ent-
wicklung Angaben gemacht, die auch über den
Kreis derjenigen, die sich ans Beruf oder Nei-
gung mit der Bekämpfung des Verbrechertums
beschäftigen, weitgehendes Interesse haben. Es
wird da ausgefnhrt, daß gleich mit Kriegsende
eine Verbrechenswelle einfetzt, die sich ständig
verstärkt und bis zum Haup-tinfl-ation-sjahr 1923
einen ganz außerordentlichen Umfang an-
nimmt. Der Verfall der Währung, die Zer-
rüttung der Wirtschafts- und Löbensvevhalt-
nisse und die hierdurch hervorgerufene allge-
meine Wirtschaftliche Not ließen die Kriminali-
tätskurve auf den höchsten bisher erreichten
Stand anschwellen. Es wurden rund 82'3 900
Verurteilte gezählt, das sind 1693 auf 100 000
der strafmündigen Bevölkerung.
Die WährungsbefÄstigung und die damit ver-
bundene Rückkehr geordneter wirtschaftlicher
Verhältnisse hat dann ein erhebliches Nachlas-
sen der Kriminalität zur Folge, das sich mit
der fortschreitenden Gesundung der Wirschaft
weiter fortsetzt. Die Jahre 1926 und 1927 zei-
gen wieder einen — wenn auch mäßigen —
Anstieg, dem im Jahre 1928 abermals eme
Verminderung fo'-lgt. Die Kurve der Gesamt-
kriminalität verläuft bis zum Jahre 1932
leicht abwärts geneigt. Das Jahr 1933 bringt
sodann mit der Machtergreifung des National-
sozialismus einen starken Rückgang der Kri-
minialität, der in der Hauptsache auf die Be-
ruhigung der innerpolitischen Verhältnisse, auf
die Erfolge der nationalsozialistischen Erzie-
hungsarbeit, ferner auf die Verschärfung der
Strafgesetze und deren abschreckende Wirkung.
Nicht zuletzt aber auch auf die stetige Verrin-
gerung der Arbeitslosigkeit und die Besserung
der Wirtschaftslage vieler Volksgenossen zurück-
zuführen ist. Es darf aellrdings nicht außer
acht gelassen werden, daß durch die Amnestie
auf Grund des Gesetzes über Straffreiheit
vom 20. Dezember 1932 (Reichsgefetzblatt 1
S. 599) eine nicht unbeträchtliche Zahl von
strafbaren Handlungen unabgeurteilt geblie-
ben ist. Der Zahl der wogen Verbrochen und
Vergehen gegen die Reichsgefetze verurteilten
Personen ist von 564 479 (1932) auf 489 090
(1933) zurückgegangen, die Kriminalitätszif-
fer sinkt von 1125 in den beiden Jahren vor
der nationalsozialistischen Revolution um 13,5
v. H. auf 973. Eine solche niedrige Ziffer ist
in der Kriminalstatistik, seit sie geführt wird
— wenn man vom ersten Kriegsjahr 1914 und
dem ersten Nachkriegsjahr 1919 mit völlig anor-
malen BevhältniGcn abfieht —, noch nicht be-
obachtet worden.
Die weibliche Kriminalität, die während
des Krieges sowohl im Deutschen Reich als
auch in den meisten ausländischen am Kriege
beteiligten Staaten einen ganz bedeutenden
Umfang angenommen hatte, sinkt nach dem
Kriegsende als mit der Demobilmachung und
der Rückkehr der Soldaten in das Zivilleben
und ihre alten Berufe oder an ihre früheren
Arbeitsstätten die Frauen aus dem öffent-
lichen Leben wieder zurücktreten. Langsam,
aber stetig. Der Anteil der weiblichen Personen
an der Geisamtzalhl der Verurteilten vermin-
derte sich hierbei von rund 20 v. H. auf 11 bis
12 v. H. in den beiden letzten Berichtsjahren.
Die Kriminalität der Jugendlichen,
die gleichfalls während des Krieges von Jahr
zu Jahr gestiegen war und eine bisher nicht
beobachtete Höhe angenommen hatte, verrin-
gerte sich im Verhältnis zur Gesamtkriminan-
tät in der ersten Nachkriegszeit zuerst mäßig,
vom Jahre 1923 ab unter den Auswirkungen
des 1923 in Kraft getretenen Jugendgerichts-
gesetzes in weit stärkerem Grad«. Während
im Jahre 1920 unter den VeDurteilt-ön noch
etwa 15 v. H. im jugendlichen Aller standen,
find es im letzten Berichtsjahr nur noch 3 v. H.
Uöber den Berbrechenscharakter und die
Verbrechensausdehnung erhält man aber erst
dann einen größeren Einblick, wenn man die
wichtigsten strafbaren Handlungen in ihrer
Einzelentwicklung betrachtet. Gerade darüber
liefert uns das vom Statistischen Reichsamt
bearbeitete Material außerordentzlich interes-
sante Erkenntnisse.
Am basten 'kennzeichnet nachstehende Aufstel-
lung diese Entwicklung, wobei wir ausgehen
von dem Fahre 1920, dann die infolge der
Nachkriegszeit und der Inflation ganz außer-
ordentlich hohen Kriminalitätsziffern des Jah-
res 1923 nehmen, dann, um einen Ruhepuukt
zu erholten, auf das Jahr 1930 übergehen, um
darauf schließlich die Ziffern des Jahres 1933,
also des Jahres der Machtergreisurig durch
den Nationalsozialismus, uns vor Augen zu
führen.
Danach stellte sich die Gesamtzahl der Ver-
brechen im Jahve
1920 1923 1930 1933
auf 608 560 823 900 594 600 489 000
Dazu ist zu bemerken, daß wir im Jahre
1920 eine strasmündige Bevölkerung von 47,4
Millionen, im Jähre 1923 von 48,6 Millionen,
im Jahre 1930 von 50,1 und im Jahve 1933
von 50,240 Millionen Personen hatten.
Aus der Betrachtung der Ziffern von .1930
und 1933 ergibt sich, daß trotz Zunahme der
«kmjlliche Riesenbarillen?
lieber die Möglichkeit der Bazillen-
hochzüchtung sind vielfach abenteuerliche
Ansichten verbreitet, die sich zum Teil sogar
auf fixe Ergebnisse der Wissenschaft stützen.
Es soll u'-imlich gelungen sein, aus harmlosen
Schimmelvilzchen Tuberkulosebazillen zu
züchten. Aehnlich entstanden durch Hochzüch-
tung harmloser Heubazillen Erreger des
Milzbrandes. Ja selbst Bakterienkreuzung
soll schon erreicht worden sein: Ein Forscher
züchtete auf demselben Nährboden Ruhrba-
zillen und Typhusbazillen nebeneinander
und mit eigenen Augen mußte er sehen, wie
aus diesen Vater- ünd Mutterkulturen eine
neue Art verderbenbringender Bazillen ent-
stand. die alle üblen Eigenschaften ihrer
Stammfamilien Typhus und Ruhr in sich
vereinigten. Solche Resultate sind ganz ge-
wiß dazu geeignet, ängstliche Gemüter in
Schrecken zu versetzen. Man s ch e i n t in der
Wissenschaft einem Artwandel der Bakterien
auf der Spur zu sein, einer Bildung neuer
Formen — und damit auch neuer Krank-
heiten.
Dem ist aber nicht so. Es gibt kein Ent-
stehen neuer Krankheitserreger durch Arten-
wandel im Reiche der Bakterien. Die Ba-
zillen wachsen nur, aber sie ändern ihr
Wesen nicht, lieber die Ursachen dieses
Riesenwachstums schreibt Walter Finkler
in einem interessanten Rundschau-Aufsatz im
Augustheft der bekannten im Tyrolia-Verlag
(Innsbruck, Wien München) erscheinenden
Monatsschrift „Natur und Kultur:
„Am Bakteriologischen Institut in FrLnk-
furt a. M. ist es gelungen, künstlich Riesen-
bazillen zu erzeugen. Das Wunder bringt
das Element Lithium zustande. Eine Spur
davon dem Nährboden der Bazillen zugesetzt
und wie von Dämonen getrieben, beginnen
die Bazillen in unerhörten Ausmaßen zu
wachsen. Sie blähen sich auf, werden grö-
ßer, größer, noch größer, erreichen das Dop-
pelte, das Dreifache, das Vierfache ihrer nor-
malen Dimensionen und noch weiter, noch
riesiger. Zum Schluß sind die Bazillen so
groß wie menschliche Blutkörperchen.
Allerdings der Märchenzauber verpufft so-
fort, wenn man die Riesenbazillen wieder
auf ihre gewöhnlichen Nährböden zurückver-
Nr.tSS
stvafmü-Nd'igen Bevölkerung -von 1920 Dis 1933
um run'd 3 Millionen bi« Gesamtzahl der krv
mincllen Handlungen von 608 560 auf 489 00ü,
also'um 119 560 zu-rückgegang-en ist.
Von «den -erwähnten Gesamtziffer-n entfallt
Verbrech-enIdelikte auf
1920 1923 1930
Weibliche 118 749 134 943 79 350
Jugendliche 91 171 86 040 26 409
Vorbestrafte 125 033 1 78 544 227 332
Ausländer 12 425 17 647 16 796
1S3S
58173
15 958
213978
14 228
setzt,- auf Nährböden also, die kein Lithium
enthalten. So gigantisch sie auch aufgepE
stert waren, so schrumpften sie schön wieder
zusammen und nehmen die natürliche Win-
zigkeit von Bazillen an. Und darauf kam es
den Forschern eigentlich an. Nicht so
auf die Möglichkeit, durch einen bestimmten
Zusatz zum Nährboden abnorme Riesenbaz"-
len zu erzeugen, als auf den Nachweis, daß
diese k ü n st l i ch e Veränderung der Ba-
zillen nur fsüchtig ist, nur ein kurzer
Spuk, der an ihrem Wesen nichts zu ändern
vermochte!"
Das neueste Heft der Zeitschrift für NatE
forschung und Kulturpflege enthält u. a. noch
folgende für jeden Gebildeten wertvolle uno
wichtige Beiträge: Zusammenhänge. Deutsch-
lands große Himalayafahrten als Nacher-
mnerung. I. Von E. F. Hofmann. — „H^
ratsinserate" der Tiere. Von Dr. Hau-
Bernhard Lauffer. — Erlebte Pyrenäen-
landschaft. Von Dr. Ludwig Koegel.—
Schmetterling und Seele. Von Julius Ste-
phan. — Rundschau (Die Selbstzerstörung
der Alpen. Die drohende Bodenaustrocknung
Deutschlands. Die Ausgangsform der ME
schenrassen. Die Medizin in AltägYptE
Verkürzung der Gotthard-Strecke? usw.
Weswegen man sich in Ungarn duelliert.
Das Duell ist bekanntlich in Ungarn im-
mer noch eine äußerst beliebte Art, alle mög-
lichen Streitigkeiten auszutragen. Ein Fall,
der sich kürzlich ereignete, dürfte aber im-
merhin zu den Seltenheiten gehören. Zw^
bekannte Aerzte waren zu einer Operation
gerufen worden. Sie untersuchten den Pa-
tienten und konnten, wie das öfter AU g^'
schehen pflegt, nicht zu einer gemeinsamen
Diagnose kommen. Man geriet in eine hal-
tige medizinische Debatte, und als alle medi-
zinischen Argumente erschöpft waren, ohne
daß die Gemüter sich beruhigt hatten, for-
derte man sich zum Duell. Der Zweikampf
fand auch wirklich statt, der eine der beiden
Gelehrten wurde schwer am Kopf verwundet
uud mußte ins Krankenhaus geschafft wer-
den. während der Sieger zu dem Patienten
zurückkehrte, um diesen nun ungestört nach
seiner Diagnose zu behandeln.
VS« SrSSÄ«r
Ko»«»«»»» v«»»» M»-«»»»« Kl»»»'I HV«»»t»»«»»
kow»Lvertrted -Adert l-eoxeo L Oeorg dlüller, kcküocdeu 19, Hubertusstrsbe 27
32) Nachdruck verboten.
„Oho!" Fan ärgerte diese freche Unver-
schämtheit, und er beschloß, wenigstens einen
„Wir wollen eine Viertelstunde gemütlich
miteinander plaudern", beantwortete der In-
kleinen Erfolg zu buchen. Schwer legte er
seine Hand auf Philippas Schulter. „Ich ver-
hafte Sie, weil Sie verdächtig sind, zu Leu-
ten in Beziehung zu stehen, in deren Besitz sich
nach dem Gesetz unerlaubte Mengen von
Sprengstoff befinden. Folgen Sie mir!"
Bill Smal riß das Mädchen an seine Seite.
Philippa sah ein gefährliches Leuchten in sei-
nen Augen und erschrak. Auch war ihr nicht
entgangen, daß beide Männer nach ihren Waf-
fen griffen. Aber Bill beherrschte sich im letzten
Augenblick ... Ja noch mehr: er brach Plötz-
lich in ein so herzliches Lachen aus, daß Fan
glaubte, es mit einem Irrsinnigen zu tun zu
haben.
„Geh, Philippa, ich glaube kaum, daß In-
spektor Fan dich lange zurückhalten wird. Und
wenn, vielleicht ist es sogar besser für dich .. ."
Mit diesen rätselhaften Worten kehrte er
Fan den Rücken.
Der Inspektor nahm das Mädchen beim
Arm und führte es zu dem Polizeiauto, das
vor dem Garteneingang der Villa auf ihn
wartete. Wortlos nötigte-er sie einzusteigen,
worauf das Auto sofort wegfuhr.
Während der Fahrt beobachtet? der Inspek-
tor Philippa wiederholt. Aber sie hielt die
Augen geschlossen und saß völlig gleichgültig
gegen ihr Schicksal neben ihm.
Nach zehn Minuten gab der Detektiv dem
Chauffeur ein Zeichen, und das Automobil
hielt.
„Kommen Sie", fockerte Fän das Mädchen
auf und half ihr beim Aussteigen.
„Wohin bringen Sie mich?" Matt und er-
staunt sah Philippa um sich.
Sie waren am Eingang des großen Zentral-
parkes angelangt, und da es schon sieben Uhr
abends war, herrschte lebhaftes Gedränge.
Viele Leute, die den ganzen Tag in ihren
Büros verbracht hatten, machten hier vor dem
Abendessen noch rasch einen kleinen Spazier-
gang, um sich zu erholen.
spektor die Frag« und führte seine Begleiterin
durch das hohe gotische Steintor'. Dann nahm
er ihre Hand und zog sie durch seinen Arm.
Philippa, unwillig über diese Plötzliche Ver-
traulichkeit, wollte sich zur Wehr setzen, aber
Fan blinzelte sie aus seinen listigen Aeuglein
gutmütig an.
„Nun, nun, Sie werden doch einem älteren
Herrn dieses kleine Vergnügen gestatten!"
Das jung« Mädchen war empört, denn sie
nahm an, der Inspektor wolle sich über sie lu-
stig machen. „Sie haben mich verhaftet, und
ich denke nicht, daß diese Art mit einer
Polizeigesangenen umzugehen den Vorschrif-
ten entspricht. Bringen Sie mich dorthin, wo-
hin es Ihre Pflicht gebietet, speeren Sie mich
ein. verhören Sie mich, aber . . ."
Sie »raren inzwischen in einen kleinen
Seitenweg engebogsn. Hier war es einsamer
als in der großen Allee, und Fan konnte un-
gestört mit dem Mädchen sprechen.
„Was meine Pflicht ist oder nicht, darüber
will ich mit Ihnen nicht streiten", begann er.
Er ließ ihren Arm los und zog seine lederne
Zigarrentasche. Philippa war gezwungen, ste-
henzubleiben, da der Inspektor ein Streichholz
entzündete und bedächtig eine Zigarre an-
brannte. In diesem Augenblick kam ihr zum
Bewußtsein, daß sie eigentlich keine Furcht
vor dem Ungewissen empfand, das ihr bevor-
stand. Ja, sie ertappte sich plötzlich sogar bei
dem Gedanken, daß der Mann an ihrer Seite
gar nicht so schrecklich war.
„Sehen Sie, mein Kind", sagte Inspektor
Fan bedauernd, „es ist eigentlich recht schade,
daß Sie Ihr Herz gerade an einen Menschen
verloren haben wie Bill Smal. Verbrecher
bleibt Verbrecher! Und eines Tages wird ihn
auch der geschickteste Rechtsanwalt nicht mehr
vor dem Strick retten können."
Philippa stieß einen Schrei aus. „Was . - .
was meinen Sie damit?"
„Na, spielen Sie nur die Ueberraschte, Sie
wissen doch -genau, was mit Bill Smal los
ist. Er ist Mitglied dieser Bande, die schon
mehr Morde begangen hat, als Sie an den
Fingern Ihrer Hand abzäh-len können. Bill
Smal ist -ebsn-f.alls ein Mörder, und dafür
wird man ihn hängen."
„Nein, nein, Bill ist kein Mörder, nein."
„Wie wollen Sie das beweisen, Fräulein?"
fragte der Inspektor lauernd.
Philippa ließ den Kopf sinken, mutlos über
ihre große Hilfsasigkeit.
Wie konnte sie einen anderen von Bills
Unschuld überzeugen, wenn sie doch selbst schon
manchmal an diese grauenvolle Möglichkeit
dachte, die der Inspektor eben ausgesprochen
hatte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie
Fan fassungslos -an.
„Glauben Sie das wirklich- . . .? Ist das
Ihr Ernst . . .?"
„Es ist meine Uebe-rzeugung!"
Das Mädchen an seiner Seite lat ihm zwar
furchtbar leid, aber jetzt mußte er alle Ge-
fühlsmomente beiseite lassen, wenn es ihm
glücken sollte, etwas zu erfahren. Bedächtig
setzte er dann hinzu:
„Außer . . . Sie könnten mir eine Mit-
teilung machen, durch die es möglich wäre, -die
wirklich Schuldigen zu ermitteln. "
Philippa hatte sich gefaßt, sie erriet, was der
Inspektor von ihr wollte, und sagte: „Sie
wollen, daß ich Verrat über soll, deshalb ha-
ben Sie mich eingeschüchtert."
Inspektor Fan erwiderte ernst:
„Ich weiß nicht, wie weit Sie selbst diesen
Leuten, -gegen -die wir einen Kampf führen,
verpflichtet sind, -aber wenn mich meine Men-
schenkenntnis nicht trügt, so sind Sie keine
Verbrecherin. Ueberlegen Sie meinen Vor-
schlag, vielleicht gibt er Ihnen die einzige
Möglichkeit, sich und den Menschen, den Sie
lieben, zu retten."
„Sie sind doch ein Poliz-eibeamter, wie
könnte ich Ihnen vertrauen?"
Fan überlief es unangenehm. Mit dieser
Antwort hatte das Mädchen nicht so unrecht.
List und Verstellung waren d-ie Waffen, mit
-denen er kämpfen mußte, uud der Gedanke,
daß jemand, der in Verbindung mit der Ver-
brecherwelt stand, zu -ihm Vertrauen haben
könnte, war j-a g-er-ad-ezu absurd. Trotzdem
wollte er nochmals einen Versuch machen.
„Wir sind nicht alle unbarmherzig", be-
gann er nochmals eindringlich. „Glauben Sie
mir. Fräulein, uns ist ost nur darum zu tun,
den wirklichen Hauptschuldigen f-estzunehme »
damit wir weitere Verbrechen verhinder
können."
Philippa lachte Fan ärgerlich ins
„Geben Sie sich keine Mühe, Inspektor. jD
wollen Erfolg haben, damit Ihre Borgens
mp Ihnen zufrieden sind, damit Sie rasch u
fördert werden und ein höheres Gehalt » -
kommen. Das liegt Ihnen am Herzen"
nicht die Ausrottung der Verbrecher, nicht v
Respekt vor d-en Gesetzen. Geld vevd-leneu
wollen Sie, um gut leben zu können. NE,
hat auch schon genug Polizeibcamte
di« ihren Unis-ormrock mit einer Sträflingsj
haben vertauschen müssen, weil sie aHM
hinter dem Geld« her waren . .
„Sie sind ein törichtes junges Mädchen U.
sprechen eine Menge Unsinn. Wenn ich Eis >
könnte ich Sie schon allein dafür vor "
Richter bringen." ,
„Tun Sie es doch!" forderte sie ihn trosv
heraus.
Inspektor Fan schüttelte den Kops-
möchte Sie nicht gerne in einer Zelle Mw" '
erwiderte er bedächtig. „Ich habe kein
trauen mehr zu unseren Gefängnisse
„Fürchten Sie, daß ich -ausreiße-n könnte-.
„Das wäre nicht das Schlimmste, aber ,
Jonas ist im Gefängnis ermordet ward'
weil seine Komplizen wahrscheinlich
haben, er würde plaudern. Dieses Schw!
könnte auch Sie treffen ..."
Mit Genugtuung stellte der Detektiv
daß seine Worte den beabsichtigten
machten. Da zog er, einer -augenblmuo-
Eingebung folgend, seine Brieftasche und
nahm ihr eines der beiden kleinen run
Blättchen. „Die Polizei weiß mehr, als
glauben; -da sehen Sie einmal her." .
Philippa Monti warf einen einzigen B '
auf das runde Ding, das ihr der
entgegenhielt. Dann sagte sie ruhig:
„Sie haben mir einen schönen
gejagt, warum gaben Sie mir nicht g^w
verstehen, daß Sie zu uns gehören?" . r
Fan glaubte nicht richtig zu Höven. -7
Plötzlich hielt Philippa ein ebensolches Z'
chen in d-er Hand, um es jedoch gleich -N)
verschwinden zu lassen. '
(Fortsetzung folgt.)
Rückgang der Verbrechenswelle
Die Entwicklung öer Kriminalität in SrutWand nach drm Kriege
Der große Internationale Strafrechts- und
Göfängnisko-ngreß in Berlin, der sich diesmal
mit ganz «besonders wichtigen und für die
Rechtsentwicklung in Deutschland bedeutsamen
Fragen beschäftigte, bot Bevamla-ssung, den
Teilnehmern aus dem Reiche sowohl -als auch
aus 50 Ländern der ganzen Welt einen Ueber-
blick über die Entwicklung der Kriminalität
Deutschlands und des Auslandes seit der Zeit
nach dem Kriege zu geben.
Was insbesondere die Kriminalitätsentwick-
lung in unserem eigenen Volke angeht, so hat
sie sich in den ersten Na-chkriegsjaihren völlig
unter den Einwirkungen des immer weiter um
sich greifenden wirtschaftlichen Zusammen-
bruchs vollzogen. In der überaus sorgfältig
bearbeiteten Kriminalstatistik, die das
Reichsstatistische Amt herausgegeben und als
Material dem Internationalen Kongreß m
Vorlage gebracht hat, werden über diese Ent-
wicklung Angaben gemacht, die auch über den
Kreis derjenigen, die sich ans Beruf oder Nei-
gung mit der Bekämpfung des Verbrechertums
beschäftigen, weitgehendes Interesse haben. Es
wird da ausgefnhrt, daß gleich mit Kriegsende
eine Verbrechenswelle einfetzt, die sich ständig
verstärkt und bis zum Haup-tinfl-ation-sjahr 1923
einen ganz außerordentlichen Umfang an-
nimmt. Der Verfall der Währung, die Zer-
rüttung der Wirtschafts- und Löbensvevhalt-
nisse und die hierdurch hervorgerufene allge-
meine Wirtschaftliche Not ließen die Kriminali-
tätskurve auf den höchsten bisher erreichten
Stand anschwellen. Es wurden rund 82'3 900
Verurteilte gezählt, das sind 1693 auf 100 000
der strafmündigen Bevölkerung.
Die WährungsbefÄstigung und die damit ver-
bundene Rückkehr geordneter wirtschaftlicher
Verhältnisse hat dann ein erhebliches Nachlas-
sen der Kriminalität zur Folge, das sich mit
der fortschreitenden Gesundung der Wirschaft
weiter fortsetzt. Die Jahre 1926 und 1927 zei-
gen wieder einen — wenn auch mäßigen —
Anstieg, dem im Jahre 1928 abermals eme
Verminderung fo'-lgt. Die Kurve der Gesamt-
kriminalität verläuft bis zum Jahre 1932
leicht abwärts geneigt. Das Jahr 1933 bringt
sodann mit der Machtergreifung des National-
sozialismus einen starken Rückgang der Kri-
minialität, der in der Hauptsache auf die Be-
ruhigung der innerpolitischen Verhältnisse, auf
die Erfolge der nationalsozialistischen Erzie-
hungsarbeit, ferner auf die Verschärfung der
Strafgesetze und deren abschreckende Wirkung.
Nicht zuletzt aber auch auf die stetige Verrin-
gerung der Arbeitslosigkeit und die Besserung
der Wirtschaftslage vieler Volksgenossen zurück-
zuführen ist. Es darf aellrdings nicht außer
acht gelassen werden, daß durch die Amnestie
auf Grund des Gesetzes über Straffreiheit
vom 20. Dezember 1932 (Reichsgefetzblatt 1
S. 599) eine nicht unbeträchtliche Zahl von
strafbaren Handlungen unabgeurteilt geblie-
ben ist. Der Zahl der wogen Verbrochen und
Vergehen gegen die Reichsgefetze verurteilten
Personen ist von 564 479 (1932) auf 489 090
(1933) zurückgegangen, die Kriminalitätszif-
fer sinkt von 1125 in den beiden Jahren vor
der nationalsozialistischen Revolution um 13,5
v. H. auf 973. Eine solche niedrige Ziffer ist
in der Kriminalstatistik, seit sie geführt wird
— wenn man vom ersten Kriegsjahr 1914 und
dem ersten Nachkriegsjahr 1919 mit völlig anor-
malen BevhältniGcn abfieht —, noch nicht be-
obachtet worden.
Die weibliche Kriminalität, die während
des Krieges sowohl im Deutschen Reich als
auch in den meisten ausländischen am Kriege
beteiligten Staaten einen ganz bedeutenden
Umfang angenommen hatte, sinkt nach dem
Kriegsende als mit der Demobilmachung und
der Rückkehr der Soldaten in das Zivilleben
und ihre alten Berufe oder an ihre früheren
Arbeitsstätten die Frauen aus dem öffent-
lichen Leben wieder zurücktreten. Langsam,
aber stetig. Der Anteil der weiblichen Personen
an der Geisamtzalhl der Verurteilten vermin-
derte sich hierbei von rund 20 v. H. auf 11 bis
12 v. H. in den beiden letzten Berichtsjahren.
Die Kriminalität der Jugendlichen,
die gleichfalls während des Krieges von Jahr
zu Jahr gestiegen war und eine bisher nicht
beobachtete Höhe angenommen hatte, verrin-
gerte sich im Verhältnis zur Gesamtkriminan-
tät in der ersten Nachkriegszeit zuerst mäßig,
vom Jahre 1923 ab unter den Auswirkungen
des 1923 in Kraft getretenen Jugendgerichts-
gesetzes in weit stärkerem Grad«. Während
im Jahre 1920 unter den VeDurteilt-ön noch
etwa 15 v. H. im jugendlichen Aller standen,
find es im letzten Berichtsjahr nur noch 3 v. H.
Uöber den Berbrechenscharakter und die
Verbrechensausdehnung erhält man aber erst
dann einen größeren Einblick, wenn man die
wichtigsten strafbaren Handlungen in ihrer
Einzelentwicklung betrachtet. Gerade darüber
liefert uns das vom Statistischen Reichsamt
bearbeitete Material außerordentzlich interes-
sante Erkenntnisse.
Am basten 'kennzeichnet nachstehende Aufstel-
lung diese Entwicklung, wobei wir ausgehen
von dem Fahre 1920, dann die infolge der
Nachkriegszeit und der Inflation ganz außer-
ordentlich hohen Kriminalitätsziffern des Jah-
res 1923 nehmen, dann, um einen Ruhepuukt
zu erholten, auf das Jahr 1930 übergehen, um
darauf schließlich die Ziffern des Jahres 1933,
also des Jahres der Machtergreisurig durch
den Nationalsozialismus, uns vor Augen zu
führen.
Danach stellte sich die Gesamtzahl der Ver-
brechen im Jahve
1920 1923 1930 1933
auf 608 560 823 900 594 600 489 000
Dazu ist zu bemerken, daß wir im Jahre
1920 eine strasmündige Bevölkerung von 47,4
Millionen, im Jähre 1923 von 48,6 Millionen,
im Jahre 1930 von 50,1 und im Jahve 1933
von 50,240 Millionen Personen hatten.
Aus der Betrachtung der Ziffern von .1930
und 1933 ergibt sich, daß trotz Zunahme der
«kmjlliche Riesenbarillen?
lieber die Möglichkeit der Bazillen-
hochzüchtung sind vielfach abenteuerliche
Ansichten verbreitet, die sich zum Teil sogar
auf fixe Ergebnisse der Wissenschaft stützen.
Es soll u'-imlich gelungen sein, aus harmlosen
Schimmelvilzchen Tuberkulosebazillen zu
züchten. Aehnlich entstanden durch Hochzüch-
tung harmloser Heubazillen Erreger des
Milzbrandes. Ja selbst Bakterienkreuzung
soll schon erreicht worden sein: Ein Forscher
züchtete auf demselben Nährboden Ruhrba-
zillen und Typhusbazillen nebeneinander
und mit eigenen Augen mußte er sehen, wie
aus diesen Vater- ünd Mutterkulturen eine
neue Art verderbenbringender Bazillen ent-
stand. die alle üblen Eigenschaften ihrer
Stammfamilien Typhus und Ruhr in sich
vereinigten. Solche Resultate sind ganz ge-
wiß dazu geeignet, ängstliche Gemüter in
Schrecken zu versetzen. Man s ch e i n t in der
Wissenschaft einem Artwandel der Bakterien
auf der Spur zu sein, einer Bildung neuer
Formen — und damit auch neuer Krank-
heiten.
Dem ist aber nicht so. Es gibt kein Ent-
stehen neuer Krankheitserreger durch Arten-
wandel im Reiche der Bakterien. Die Ba-
zillen wachsen nur, aber sie ändern ihr
Wesen nicht, lieber die Ursachen dieses
Riesenwachstums schreibt Walter Finkler
in einem interessanten Rundschau-Aufsatz im
Augustheft der bekannten im Tyrolia-Verlag
(Innsbruck, Wien München) erscheinenden
Monatsschrift „Natur und Kultur:
„Am Bakteriologischen Institut in FrLnk-
furt a. M. ist es gelungen, künstlich Riesen-
bazillen zu erzeugen. Das Wunder bringt
das Element Lithium zustande. Eine Spur
davon dem Nährboden der Bazillen zugesetzt
und wie von Dämonen getrieben, beginnen
die Bazillen in unerhörten Ausmaßen zu
wachsen. Sie blähen sich auf, werden grö-
ßer, größer, noch größer, erreichen das Dop-
pelte, das Dreifache, das Vierfache ihrer nor-
malen Dimensionen und noch weiter, noch
riesiger. Zum Schluß sind die Bazillen so
groß wie menschliche Blutkörperchen.
Allerdings der Märchenzauber verpufft so-
fort, wenn man die Riesenbazillen wieder
auf ihre gewöhnlichen Nährböden zurückver-
Nr.tSS
stvafmü-Nd'igen Bevölkerung -von 1920 Dis 1933
um run'd 3 Millionen bi« Gesamtzahl der krv
mincllen Handlungen von 608 560 auf 489 00ü,
also'um 119 560 zu-rückgegang-en ist.
Von «den -erwähnten Gesamtziffer-n entfallt
Verbrech-enIdelikte auf
1920 1923 1930
Weibliche 118 749 134 943 79 350
Jugendliche 91 171 86 040 26 409
Vorbestrafte 125 033 1 78 544 227 332
Ausländer 12 425 17 647 16 796
1S3S
58173
15 958
213978
14 228
setzt,- auf Nährböden also, die kein Lithium
enthalten. So gigantisch sie auch aufgepE
stert waren, so schrumpften sie schön wieder
zusammen und nehmen die natürliche Win-
zigkeit von Bazillen an. Und darauf kam es
den Forschern eigentlich an. Nicht so
auf die Möglichkeit, durch einen bestimmten
Zusatz zum Nährboden abnorme Riesenbaz"-
len zu erzeugen, als auf den Nachweis, daß
diese k ü n st l i ch e Veränderung der Ba-
zillen nur fsüchtig ist, nur ein kurzer
Spuk, der an ihrem Wesen nichts zu ändern
vermochte!"
Das neueste Heft der Zeitschrift für NatE
forschung und Kulturpflege enthält u. a. noch
folgende für jeden Gebildeten wertvolle uno
wichtige Beiträge: Zusammenhänge. Deutsch-
lands große Himalayafahrten als Nacher-
mnerung. I. Von E. F. Hofmann. — „H^
ratsinserate" der Tiere. Von Dr. Hau-
Bernhard Lauffer. — Erlebte Pyrenäen-
landschaft. Von Dr. Ludwig Koegel.—
Schmetterling und Seele. Von Julius Ste-
phan. — Rundschau (Die Selbstzerstörung
der Alpen. Die drohende Bodenaustrocknung
Deutschlands. Die Ausgangsform der ME
schenrassen. Die Medizin in AltägYptE
Verkürzung der Gotthard-Strecke? usw.
Weswegen man sich in Ungarn duelliert.
Das Duell ist bekanntlich in Ungarn im-
mer noch eine äußerst beliebte Art, alle mög-
lichen Streitigkeiten auszutragen. Ein Fall,
der sich kürzlich ereignete, dürfte aber im-
merhin zu den Seltenheiten gehören. Zw^
bekannte Aerzte waren zu einer Operation
gerufen worden. Sie untersuchten den Pa-
tienten und konnten, wie das öfter AU g^'
schehen pflegt, nicht zu einer gemeinsamen
Diagnose kommen. Man geriet in eine hal-
tige medizinische Debatte, und als alle medi-
zinischen Argumente erschöpft waren, ohne
daß die Gemüter sich beruhigt hatten, for-
derte man sich zum Duell. Der Zweikampf
fand auch wirklich statt, der eine der beiden
Gelehrten wurde schwer am Kopf verwundet
uud mußte ins Krankenhaus geschafft wer-
den. während der Sieger zu dem Patienten
zurückkehrte, um diesen nun ungestört nach
seiner Diagnose zu behandeln.
VS« SrSSÄ«r
Ko»«»«»»» v«»»» M»-«»»»« Kl»»»'I HV«»»t»»«»»
kow»Lvertrted -Adert l-eoxeo L Oeorg dlüller, kcküocdeu 19, Hubertusstrsbe 27
32) Nachdruck verboten.
„Oho!" Fan ärgerte diese freche Unver-
schämtheit, und er beschloß, wenigstens einen
„Wir wollen eine Viertelstunde gemütlich
miteinander plaudern", beantwortete der In-
kleinen Erfolg zu buchen. Schwer legte er
seine Hand auf Philippas Schulter. „Ich ver-
hafte Sie, weil Sie verdächtig sind, zu Leu-
ten in Beziehung zu stehen, in deren Besitz sich
nach dem Gesetz unerlaubte Mengen von
Sprengstoff befinden. Folgen Sie mir!"
Bill Smal riß das Mädchen an seine Seite.
Philippa sah ein gefährliches Leuchten in sei-
nen Augen und erschrak. Auch war ihr nicht
entgangen, daß beide Männer nach ihren Waf-
fen griffen. Aber Bill beherrschte sich im letzten
Augenblick ... Ja noch mehr: er brach Plötz-
lich in ein so herzliches Lachen aus, daß Fan
glaubte, es mit einem Irrsinnigen zu tun zu
haben.
„Geh, Philippa, ich glaube kaum, daß In-
spektor Fan dich lange zurückhalten wird. Und
wenn, vielleicht ist es sogar besser für dich .. ."
Mit diesen rätselhaften Worten kehrte er
Fan den Rücken.
Der Inspektor nahm das Mädchen beim
Arm und führte es zu dem Polizeiauto, das
vor dem Garteneingang der Villa auf ihn
wartete. Wortlos nötigte-er sie einzusteigen,
worauf das Auto sofort wegfuhr.
Während der Fahrt beobachtet? der Inspek-
tor Philippa wiederholt. Aber sie hielt die
Augen geschlossen und saß völlig gleichgültig
gegen ihr Schicksal neben ihm.
Nach zehn Minuten gab der Detektiv dem
Chauffeur ein Zeichen, und das Automobil
hielt.
„Kommen Sie", fockerte Fän das Mädchen
auf und half ihr beim Aussteigen.
„Wohin bringen Sie mich?" Matt und er-
staunt sah Philippa um sich.
Sie waren am Eingang des großen Zentral-
parkes angelangt, und da es schon sieben Uhr
abends war, herrschte lebhaftes Gedränge.
Viele Leute, die den ganzen Tag in ihren
Büros verbracht hatten, machten hier vor dem
Abendessen noch rasch einen kleinen Spazier-
gang, um sich zu erholen.
spektor die Frag« und führte seine Begleiterin
durch das hohe gotische Steintor'. Dann nahm
er ihre Hand und zog sie durch seinen Arm.
Philippa, unwillig über diese Plötzliche Ver-
traulichkeit, wollte sich zur Wehr setzen, aber
Fan blinzelte sie aus seinen listigen Aeuglein
gutmütig an.
„Nun, nun, Sie werden doch einem älteren
Herrn dieses kleine Vergnügen gestatten!"
Das jung« Mädchen war empört, denn sie
nahm an, der Inspektor wolle sich über sie lu-
stig machen. „Sie haben mich verhaftet, und
ich denke nicht, daß diese Art mit einer
Polizeigesangenen umzugehen den Vorschrif-
ten entspricht. Bringen Sie mich dorthin, wo-
hin es Ihre Pflicht gebietet, speeren Sie mich
ein. verhören Sie mich, aber . . ."
Sie »raren inzwischen in einen kleinen
Seitenweg engebogsn. Hier war es einsamer
als in der großen Allee, und Fan konnte un-
gestört mit dem Mädchen sprechen.
„Was meine Pflicht ist oder nicht, darüber
will ich mit Ihnen nicht streiten", begann er.
Er ließ ihren Arm los und zog seine lederne
Zigarrentasche. Philippa war gezwungen, ste-
henzubleiben, da der Inspektor ein Streichholz
entzündete und bedächtig eine Zigarre an-
brannte. In diesem Augenblick kam ihr zum
Bewußtsein, daß sie eigentlich keine Furcht
vor dem Ungewissen empfand, das ihr bevor-
stand. Ja, sie ertappte sich plötzlich sogar bei
dem Gedanken, daß der Mann an ihrer Seite
gar nicht so schrecklich war.
„Sehen Sie, mein Kind", sagte Inspektor
Fan bedauernd, „es ist eigentlich recht schade,
daß Sie Ihr Herz gerade an einen Menschen
verloren haben wie Bill Smal. Verbrecher
bleibt Verbrecher! Und eines Tages wird ihn
auch der geschickteste Rechtsanwalt nicht mehr
vor dem Strick retten können."
Philippa stieß einen Schrei aus. „Was . - .
was meinen Sie damit?"
„Na, spielen Sie nur die Ueberraschte, Sie
wissen doch -genau, was mit Bill Smal los
ist. Er ist Mitglied dieser Bande, die schon
mehr Morde begangen hat, als Sie an den
Fingern Ihrer Hand abzäh-len können. Bill
Smal ist -ebsn-f.alls ein Mörder, und dafür
wird man ihn hängen."
„Nein, nein, Bill ist kein Mörder, nein."
„Wie wollen Sie das beweisen, Fräulein?"
fragte der Inspektor lauernd.
Philippa ließ den Kopf sinken, mutlos über
ihre große Hilfsasigkeit.
Wie konnte sie einen anderen von Bills
Unschuld überzeugen, wenn sie doch selbst schon
manchmal an diese grauenvolle Möglichkeit
dachte, die der Inspektor eben ausgesprochen
hatte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie
Fan fassungslos -an.
„Glauben Sie das wirklich- . . .? Ist das
Ihr Ernst . . .?"
„Es ist meine Uebe-rzeugung!"
Das Mädchen an seiner Seite lat ihm zwar
furchtbar leid, aber jetzt mußte er alle Ge-
fühlsmomente beiseite lassen, wenn es ihm
glücken sollte, etwas zu erfahren. Bedächtig
setzte er dann hinzu:
„Außer . . . Sie könnten mir eine Mit-
teilung machen, durch die es möglich wäre, -die
wirklich Schuldigen zu ermitteln. "
Philippa hatte sich gefaßt, sie erriet, was der
Inspektor von ihr wollte, und sagte: „Sie
wollen, daß ich Verrat über soll, deshalb ha-
ben Sie mich eingeschüchtert."
Inspektor Fan erwiderte ernst:
„Ich weiß nicht, wie weit Sie selbst diesen
Leuten, -gegen -die wir einen Kampf führen,
verpflichtet sind, -aber wenn mich meine Men-
schenkenntnis nicht trügt, so sind Sie keine
Verbrecherin. Ueberlegen Sie meinen Vor-
schlag, vielleicht gibt er Ihnen die einzige
Möglichkeit, sich und den Menschen, den Sie
lieben, zu retten."
„Sie sind doch ein Poliz-eibeamter, wie
könnte ich Ihnen vertrauen?"
Fan überlief es unangenehm. Mit dieser
Antwort hatte das Mädchen nicht so unrecht.
List und Verstellung waren d-ie Waffen, mit
-denen er kämpfen mußte, uud der Gedanke,
daß jemand, der in Verbindung mit der Ver-
brecherwelt stand, zu -ihm Vertrauen haben
könnte, war j-a g-er-ad-ezu absurd. Trotzdem
wollte er nochmals einen Versuch machen.
„Wir sind nicht alle unbarmherzig", be-
gann er nochmals eindringlich. „Glauben Sie
mir. Fräulein, uns ist ost nur darum zu tun,
den wirklichen Hauptschuldigen f-estzunehme »
damit wir weitere Verbrechen verhinder
können."
Philippa lachte Fan ärgerlich ins
„Geben Sie sich keine Mühe, Inspektor. jD
wollen Erfolg haben, damit Ihre Borgens
mp Ihnen zufrieden sind, damit Sie rasch u
fördert werden und ein höheres Gehalt » -
kommen. Das liegt Ihnen am Herzen"
nicht die Ausrottung der Verbrecher, nicht v
Respekt vor d-en Gesetzen. Geld vevd-leneu
wollen Sie, um gut leben zu können. NE,
hat auch schon genug Polizeibcamte
di« ihren Unis-ormrock mit einer Sträflingsj
haben vertauschen müssen, weil sie aHM
hinter dem Geld« her waren . .
„Sie sind ein törichtes junges Mädchen U.
sprechen eine Menge Unsinn. Wenn ich Eis >
könnte ich Sie schon allein dafür vor "
Richter bringen." ,
„Tun Sie es doch!" forderte sie ihn trosv
heraus.
Inspektor Fan schüttelte den Kops-
möchte Sie nicht gerne in einer Zelle Mw" '
erwiderte er bedächtig. „Ich habe kein
trauen mehr zu unseren Gefängnisse
„Fürchten Sie, daß ich -ausreiße-n könnte-.
„Das wäre nicht das Schlimmste, aber ,
Jonas ist im Gefängnis ermordet ward'
weil seine Komplizen wahrscheinlich
haben, er würde plaudern. Dieses Schw!
könnte auch Sie treffen ..."
Mit Genugtuung stellte der Detektiv
daß seine Worte den beabsichtigten
machten. Da zog er, einer -augenblmuo-
Eingebung folgend, seine Brieftasche und
nahm ihr eines der beiden kleinen run
Blättchen. „Die Polizei weiß mehr, als
glauben; -da sehen Sie einmal her." .
Philippa Monti warf einen einzigen B '
auf das runde Ding, das ihr der
entgegenhielt. Dann sagte sie ruhig:
„Sie haben mir einen schönen
gejagt, warum gaben Sie mir nicht g^w
verstehen, daß Sie zu uns gehören?" . r
Fan glaubte nicht richtig zu Höven. -7
Plötzlich hielt Philippa ein ebensolches Z'
chen in d-er Hand, um es jedoch gleich -N)
verschwinden zu lassen. '
(Fortsetzung folgt.)