Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 42.1931

DOI Artikel:
Hofmann, Else: Die Arbeit einer Innenarchitektin: neue Wohnungs-Einrichtungen von Liane Zimbler, Wien
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10795#0314

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
292

INNEN-DEKORATION

Für ein kultiviertes, intellektuelles Ehepaar,
zwei ältere Damen, einen Sohn, eine Tochter
und für einige Hausmädchen wurden Räume
adaptiert. Aus einem mehrstöckigen, in mehrere
enge Flure geteilten Landhaus mit Winkelwerk
und Mansarden entstand in geistreicher Verein-
fachung und Durchbrechung der Zwischenwände
ein Einfamilienhaus mit durchlaufendem Treppen-
haus, behaglicher Diele, komfortablen Neben-
räumen. Der Raum, der durch die Erweiterung
des Treppenhauses gewonnen wurde, ist gut ver-
wertet in einer Reihe angenehmer und praktischer
Vorräume, Kleiderablagen, Waschgelegenheiten,
Putzräume usw. . Im ersten Stock entstand eine
»Diele mit Arbeitsplätzen« um einen Arbeitstisch,
den Einbauschränke mit hellen Schleiflacktüren
und Eichenholzleisten umgeben. Wenn wir die
Türe öffnen, so finden wir nicht nur Kleider- und
Flickschränke, sondern auch Putz- und Besen-
kammern, Kitchenetie, Abwasch mit heißem und
kaltem fließendem Wasser, so daß hier ein nütz-
licher Arbeits- und Putzraum gegeben ist, der im
häuslichen Leben der großen Familie eine wohl-
tätige Rolle spielt und am Abend auch als kleiner
Sitz- und Wohnraum immer freundlich wirkt. .

*

Wie verschiedenartig und treffend weiß die
Architektin die Wohnzimmer der einzelnen Fa-
milienmitglieder in diesem Landhaus zu gestal-
ten! Dem Hausherrn, einem feinsinnigen, viel-
beschäftigten Arzt und Bücherfreund schafft sie
ein »Herrenzimmer« in gedämpften Tönen. Ein
stilles Braun deckt die Wände, naturfarbene Roh-
leinen-Vorhänge schließen die Fenster ab. Auf
sandfarbenem englischen Leinen zeigen die Be-
spannungen des Bettes und der tiefen Lehnsessel
gedämpftes Blaugrün. . Goldgelbe Seidenbezüge
decken das breite Lager im »Schlafzimmer der
Dame« mit seinen eleganten Kissen und Rollen.
Die geblümte Seide des Wandbehangs zeigt helle,
erlesene Töne. Die hellfarbenen Möbel, Frisier-
tisch, Bänkchen, Hocker und niedere Tische,
Lampen und Vorhänge aus heller, blumiger Seide
verbinden sich mit den praktischen Einbauschrän-
ken, Waschnischen, dem komfortablen Badezim-
mer zu der Stimmung kultivierter Frauen-Eleganz.

Das »Zimmer des Sohnes«, einst ein kleiner
Mansardenraum mit viel zu hoch gelegenen Fen-
stern, ist durch die geschickte Verschiebung der
Wände, Anlage einer Treppe, Erhöhung des Fen-
sters, neue Gliederung des ganzen Raumes ein
gemütliches Studio geworden. Die Möbel sind in
poliertem Mahagoni. Das Sitzbett mit Überzug in
derbem Rupfenleinen leuchtet frisch in blau und
roten Streifenmustern. Das Bettzeug wird tags-
über in eine Kiste gehängt, die als Sitzbank dient.
Den Ausdruck liebenswürdigster Stimmungskul-
tur hat die Architektin für die »Veranda« des

Hauses, den gemeinsamen Erholungsraum ge-
funden. Um ein Tischchen in mandelgrünem
Schleiflack reihen sich bequeme Thonet-Lehnses-
sel mit Kissen-Auflagen. Eine Sitzbank mit Seiden-
kissen umläuft den ganzen Raum. Dazu weiße
Wände mit zarter gelber Zeichnung, Bretter mit
Blumen und grünen Hängepflanzen, Keramiken,
Bastarbeit und eine Kugellampe mit Seidenquaste.

*

Liane Zimbler sieht ihre Hauptaufgabe als Ar-
chitektin nicht nur in der praktischen und behag-
lichen Gestaltung der Wohn- und Gesellschafts-
räume, sondern insbesondere in der richtigen An-
ordnung des Grundrisses, in der technischen An-
lage und Ausrüstung des ganzen Hauses. So sind
auch die Badezimmer des Hauses Dr. D. mit ihren
Wänden aus weißem Marmorglas, schwarz-weißem
Steinboden, Türvorhängen aus gelbem Gummi-
stoff, geräumigen Waschtisch-Anlagen usw. mit
ebensoviel Sorgfalt angelegt, wie Küchen, Wasch-
küche und andere Nebenräume.

Waren im Falle des Hauses Dr. D. die Bau-
herrn selbst als moderne Menschen für alle hygie-
nischen und technischen Ausrüstungen der Neben-
räume eingenommen, so versteht Liane Zimbler
es in anderen Fällen, auch zunächst widerstrebende
Bauherrn dafür zu gewinnen, selbst auf Kosten
der äußeren »Repräsentation« die unsichtbaren
Investitionen aufs sorgfältigste durchzuführen. .

Liane Zimbler ist künstlerische Organisatorin.
Sie bat es verstanden, einen Stab begabter und
geschmackvoller Wiener Künstlerinnen um sich
zu scharen, die durch ein Verhältnis treuer Ar-
beitsgemeinschaft mit ihr verbunden sind. Sie gab
Maria Strauß-Likarz in zahlreichen Salons,
Kinderzimmern, Gartenveranden Gelegenheit zu
anmutigen Wanddekorationen; auch Schleiflack-
möbel, Barschränke, Truhen, Likörschränke sind
von Maria Strauß-Likarz in phantasievoller Ele-
ganz bemalt, Holzkästchen und kleine Schränke
mit Intarsia belegt worden. Die gediegene und
formenreiche keramische Kunst Herta Buchers
findet hier immer wieder treffliche Verwendung
für Kamine, Brunnen, Leuchtkörper und Blumen-
behälter. Farbige Bastarbeiten von Lilly Hahn
erscheinen auf Servierplatten der niedrigen Tee-
tische, als Bastkissen, farbige Cachepots usw. .



Liane Zimbler ist eine der wenigen Frauen, die
bis jetzt in der Wohngestaltung Wiens lebhafter
hervorgetreten sind. War es ihr bis jetzt meist
beschieden, ihr gediegenes und lebensvolles Kön-
nen als Dame der eleganten Welt für Damen und
Herren der Gesellschaft zu verwerten, so darf sie
sich von der weiteren Entwicklung der Wiener
Wohnkultur wohl auch die Möglichkeit erhoffen,
als Frau und Mutter für Frauen, Mütter und Kinder
des Volkes Gutes zu schaffen. . Dr. else hofmann.
 
Annotationen