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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 42.1931

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Löwitsch, Franz: Raum-Psychologie
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https://doi.org/10.11588/diglit.10795#0480

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458

INNEN-DEKORATION

kann: ein Gegensatzpaar von Raumbildern um das
»Urbild des Körpers«. Jahrtausendelang waren
der geschlossene Hohl- und Körperraum die For-
men, durch die der Mensch die Umwelt begriff.
Im offenen und leeren Raum tasten Blick und
Hände vergebens nach festen Grenzen und Stütz-
punkten. Ihn zu begreifen, dient ein anderes Mittel:
die Bewegung. Waren früher die Gestalten der
Raum- und Körpergrenzen vorwiegend Gegen-
stand der Architektur, so sind sie heute fast aus-
schließlich Mittel zur Gestaltung der Bewe-
gungen, die der Benützer des Raumes erlebt.

*

Dieser radikale Wechsel der Raumgestalten
reizt, den Dingen auf den Grund zu gehen und so
etwas wie »Raumwissenschaft« zu betreiben.
Dabei ist Raum-Gestaltung nicht nur ein geome-
trisch-physikalisches, sondern auch ein psycho-
logisches Problem, wieso es dem Menschen mög-
lich wird, aus dem Chaos der Sinnes-Eindrücke
eine geordnete Welt erstehen zu lassen. Die geson-
derten Eindrücke des Gesichts-, Tast- und Bewe-
gungssinnes liefern ja noch keine Raum-Vor-
stellung. Erst dadurch, daß die Seele aus eigenem
Besitz etwas hinzufügt, entstehen die »Raum-
Empfindungen«. Je nach Veranlagung und
augenblicklicher Verfassung betont der Mensch

die einen oder die anderen Empfindungen, lebt
mehr oder weniger im Seh-, Tast- oder Bewe-
gungsraum. Und je nach Veranlagung und Ver-
fassung holt er sich aus seinem Innersten »Ur- und
Wunschbilder«, nach denen er den Raum als An-
schauung und wirkliche Gestalt formt, nach denen
er die Umwelt umformt und anpaßt, und schöpft
aus dem Gelingen dieses Schaffens Lust oder
Unlust. Die Fortschritte der Psychologie lassen
erwarten, daß die wissenschaftliche Analyse auch
diesen bisher noch dunklenProzeß im Wesentlichen
aufhellen wird. Hier sind die Imponderabilien, die
nicht wegzuleugnen, sondern allmählich durch Be-
obachtungen und experimentelle Versuche zu er-
forschen sind. Aber nur bis zu dem Punkt, wo das
eigentliche Wunder der Raumgestaltung beginnt:
der Akt, in dem die Seele sich das Urbild und
Maß des Raumes und aller Dinge in ihm schafft.

*

Dieses Wunder setzt der Wissenschaft die
Grenze, und enttäuscht die Erwartungen derer,
die den Ersatz künstlerischen Gestaltens durch
wissenschaftliche Synthese erhoffen. Denn, für
einen Menschen den richtigen, seinem Wesen ganz
gemäßen Raum schaffen, heißt, tief in ihn hinein-
schauen und aas dessen innerstem Gebalt die For-
men seines Raumes holen. dipl.-ing. franz löwitsch.
 
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