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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — 4.1910

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Heft II (Februar 1910)
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Hahn: Vom "papiernen" Ornament in der Schule
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https://doi.org/10.11588/diglit.34105#0028

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wurden — die wären mir die liebsten. Manchem gelingt’s überraschend, mancher
entgleist dabei.
So benützt einer die Blätter mehrerer Pflanzen zu einer Füllung. Nichts
hindert, beim Hornstrauch die Beeren, oder beim Leberblümchen die Blüte, oder
überhaupt neutrale Linien (nur keine Jugendwürste!) Punkte usw. einzuführen —
nach unserem zuerst erkannten Gesetz wird durch die Gegensätze die Wirkung
sogar noch gesteigert werden (vgl, Abb. 5 und 7) — aber völlig fremde Elemente,
von denen jedes ausgesprochenen Eigen Charakter trägt, gehen schwerlich zu-
sammen. Das Ornament soll einheitlich sein.
Mancher tut auch trotz Warnung
des Guten zuviel. Daher lasse ich, um
klare Wirkung zu erhalten, mit dem
Pinsel den Grund schwarz ausfüllen.
Wenn der Betreffende seinen Irrtum
jetzt noch nicht erkennt, nehme ich
ihm stillschweigend den Pinsel aus
der Hand und decke das Entbehr-
liche zu. Der Schüler ist im ersten
Augenblick entsetzt über die vermeint-
liche Ungeschicklichkeit des Lehrers,
dann entrüstet, dass mit einem Pinsel-
strich soviel Arbeit vernichtet wird,
und zuletzt erstaunt, dass es auch so
geht, ja noch besser geht. Schliess-
lich sagt man ihm noch, warum. Auch
Mitschüler werden mitunter zur Be-
urteilung herangezogen; das übt und
stärkt ihr Raumgefühl. Der origi-
nellste Entwurf wird in grösserem
Massstab ausgeführt und soll dann
noch durch Farbe in Wirkung versetzt
werden.
Dies gibt uns Veranlassung zur
Ausbildung der Farbenphan -
tasie und des Farbengefühls.
Zunächst sind wieder in kleinem
Massstab Farbskizzen zu entwerfen.
Hiebei ist der Schüler durch nichts
gebunden wie etwa bei einem Buch-
deckel durch die Farbe des Grundes,
durch die Beschaffenheit des Stoffs;
er kann seine Phantasie frei walten
lassen. Zur Ermutigung macht der
Lehrer ein Beispiel vor. Im übrigen werden zu Anfang keinerlei theoretische Richt-
linien gegeben. Aus den so erstandenen Arbeiten erkennen wir, dass die drei Grund-
farben unmittelbar nebeneinander hart wirken. Ein anderer Schüler ist zufällig
oder instinktmässig an Violett, Grün und Orange geraten. Wie wohltuend das
daneben wirkt! Woher das rührt? Der Abstand zwischen Violett und Grün
ist ja in Wirklichkeit ebenso gross als zwischen Rot und Blau. Aber diese haben
als Grundfarben nichts Gemeinsames, während jene durch das gemeinschaftliche
Blau innerlich verbunden sind. So kommen wir des weiteren darauf, die Farbe
für gewöhnlich überhaupt nicht rein zu verwenden, sondern zu mischen. Unsicheren
Schülern wird empfohlen, durch einen Generalton, der über die ganze Fläche
gelegt wird, die Abstände sämtlicher Farben zu überbrücken, oder mehr in einer
Farbrichtung zu bleiben. Alles weitere entscheidet das Gefühl. Durch Vorführen
von Beispiel und Gegenbeispiel wird übrigens das Farbengefühl noch geläutert.

Abbildung 5.
 
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