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entfaltet finden. Aber das gilt doch nur von einzelnen Städten und von Nieder-
lassungen in bevorzugten Gegenden, wo vorwiegend geschulte, tüchtige Architekten
sich betätigen konnten. Der Blick auf die grosse Masse des in der Neuzeit Ge-
schaffenen, und namentlich ins Land hinein, bestätigt überall den Mangel an Pietät
und heimatlichem Wesen.
Freudig anzuerkennen ist, dass staatlich mit gesteigertem Interesse und wach-
sender Sachkenntnis viel zur Erhaltung und Pflege beachtenswerter Baudenkmale
getan wird, und dass auch die Behörden mancher Städte sich von dem guten
V illen leiten lassen, dem nachzueifern. Hier und da begegnet man sogar schon
warmer Begeisterung, mit der das Alte gepflegt und das Neue dabin beeinflusst wird,
dass es zu dem Alten passe. Vielfach droht jedoch diese Begeisterung in eine
krankhafte Altertümelei, die nur von „historischem Stil“ etwas wissen will, auszu-
arten . D er Z wan g,
in alten Stilweisen
sich zu ergehen,
kann nie zum Guten
führen, denn die
Vorbedingungen,
aus denen jene ent¬
standen sind, haben
sich geändert, und
es ist ganz unmög¬
lich, lediglich auf
dem Wege der
Nachbildung ein
dem Alten Gleich¬
wertiges zu erzeu¬
gen. Die Frische
der originalen Er¬
findung kann nie
und nimmer, selbst
durch die höchste
Virtuosität, in der
Nachahmung er-
setzt werden. Aber man braucht nicht zu befürchten, dass die vielfach doktrinäre Art
des heutigen Mäzenatentums dem wuchtigen Andringen einer neuen Kunstära stand-
halten wird. Diese hat mit der Jahrhundertwende bereits festen Fuss gefasst und
wird sich eine um so dauerndere Herrschaft erringen, mit je mehr Anstrengung
sie um den Platz zu kämpfen hat.
Solche Anstrengung ist besonders nötig allem passiven Widerstand^ gegenüber.
Man denke nur daran, in welcher Rückständigkeit sich die meisten Städte
noch mit ihren Bebauungsplänen befinden Die Einsicht, dass diese die Grundlage
bilden für die bauliche und schönheitliche Entwicklung der Stadt, und dass sich
an ihre Aufstellung und Festlegung eine gar nicht hoch genug anzuschlagende Ver-
antwortlichkeit knüpft, ist verhältnismässig noch recht wenigen Stadtvorständen
und Gemeinderäten gekommen. Es ist gar nicht zu glauben, mit welcher Leicht-
fertigkeit die Anfertigung solcher Pläne jedem beliebigen Techniker oder Vermessungs-
beamten anvertraut wird, und mit welcher Naivität Leute sich dieser Aufgabe
unterziehen, die gar keine Ahnung von alle dem haben, worauf es dabei ankommt,
und die von der lebhaften reformatorischen Bewegung auf diesem Gebiete gänzlich
unberührt geblieben sind.
Aber auch in dieser Beziehung lässt sich schon ein Fortschritt spüren. Das
Grossherzogtum Hessen ist mit gutem Beispiel vorangegangen und hat eine staat-
liche Kontrolle über jedwede dieser Arbeiten eingeführt, in Bayern sind hervor-
ragende Architekten zu einer Kommission berufen, die sich gutachtlich über Stadt-
und Ortspläne zu äussern hat, und an einer Reihe von Hochschulen sind Lehrstühle
entfaltet finden. Aber das gilt doch nur von einzelnen Städten und von Nieder-
lassungen in bevorzugten Gegenden, wo vorwiegend geschulte, tüchtige Architekten
sich betätigen konnten. Der Blick auf die grosse Masse des in der Neuzeit Ge-
schaffenen, und namentlich ins Land hinein, bestätigt überall den Mangel an Pietät
und heimatlichem Wesen.
Freudig anzuerkennen ist, dass staatlich mit gesteigertem Interesse und wach-
sender Sachkenntnis viel zur Erhaltung und Pflege beachtenswerter Baudenkmale
getan wird, und dass auch die Behörden mancher Städte sich von dem guten
V illen leiten lassen, dem nachzueifern. Hier und da begegnet man sogar schon
warmer Begeisterung, mit der das Alte gepflegt und das Neue dabin beeinflusst wird,
dass es zu dem Alten passe. Vielfach droht jedoch diese Begeisterung in eine
krankhafte Altertümelei, die nur von „historischem Stil“ etwas wissen will, auszu-
arten . D er Z wan g,
in alten Stilweisen
sich zu ergehen,
kann nie zum Guten
führen, denn die
Vorbedingungen,
aus denen jene ent¬
standen sind, haben
sich geändert, und
es ist ganz unmög¬
lich, lediglich auf
dem Wege der
Nachbildung ein
dem Alten Gleich¬
wertiges zu erzeu¬
gen. Die Frische
der originalen Er¬
findung kann nie
und nimmer, selbst
durch die höchste
Virtuosität, in der
Nachahmung er-
setzt werden. Aber man braucht nicht zu befürchten, dass die vielfach doktrinäre Art
des heutigen Mäzenatentums dem wuchtigen Andringen einer neuen Kunstära stand-
halten wird. Diese hat mit der Jahrhundertwende bereits festen Fuss gefasst und
wird sich eine um so dauerndere Herrschaft erringen, mit je mehr Anstrengung
sie um den Platz zu kämpfen hat.
Solche Anstrengung ist besonders nötig allem passiven Widerstand^ gegenüber.
Man denke nur daran, in welcher Rückständigkeit sich die meisten Städte
noch mit ihren Bebauungsplänen befinden Die Einsicht, dass diese die Grundlage
bilden für die bauliche und schönheitliche Entwicklung der Stadt, und dass sich
an ihre Aufstellung und Festlegung eine gar nicht hoch genug anzuschlagende Ver-
antwortlichkeit knüpft, ist verhältnismässig noch recht wenigen Stadtvorständen
und Gemeinderäten gekommen. Es ist gar nicht zu glauben, mit welcher Leicht-
fertigkeit die Anfertigung solcher Pläne jedem beliebigen Techniker oder Vermessungs-
beamten anvertraut wird, und mit welcher Naivität Leute sich dieser Aufgabe
unterziehen, die gar keine Ahnung von alle dem haben, worauf es dabei ankommt,
und die von der lebhaften reformatorischen Bewegung auf diesem Gebiete gänzlich
unberührt geblieben sind.
Aber auch in dieser Beziehung lässt sich schon ein Fortschritt spüren. Das
Grossherzogtum Hessen ist mit gutem Beispiel vorangegangen und hat eine staat-
liche Kontrolle über jedwede dieser Arbeiten eingeführt, in Bayern sind hervor-
ragende Architekten zu einer Kommission berufen, die sich gutachtlich über Stadt-
und Ortspläne zu äussern hat, und an einer Reihe von Hochschulen sind Lehrstühle