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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 4.1910

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Heft IX (September 1910)
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Henrici, Karl: Ueber die Pflege des Heimatlichen im ländlichen und städtischen Bauwesen, 4
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https://doi.org/10.11588/diglit.34105#0140

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für den Städtebau errichtet. So wird es hoffentlich bald dazu kommen, dass bei
der Besetzung der Kommunalbaubeamtenstellen allgemein das Studium und die
Befähigung auf diesem Gebiete zur Voraussetzung gemacht wird.
Je mehr dann wieder die Städte die Kräfte gewinnen, sich aus sich selbst
heraus entwickeln zu können und sich von staatlicher Bevormundung frei zu machen,
um so besser.
Auf dem Lande, wo die Bevölkerung gänzlich ihre Selbständigkeit in baulichen
und künstlerischen Dingen verloren hat, und wo die private Bautätigkeit fast aus-
schliesslich in der Hand von Bauhandwerkern, Unternehmern und Bautechnikern
liegt, die höchstens ihre Ausbildung auf Baugewerbeschulen genossen haben, wird
es allerdings auf noch lange Zeit hinaus der staatlichen Fürsorge bedürfen, um
wieder Besserung herbeizuführen. Diese Fürsorge hat sich in erster Linie der

Fig- 14.



Reformierung der Baugewerbeschulen zuzuwenden und sich darauf zu richten, dass
ein höheres Architekturstudium von ihnen verbannt, und ihr Zweck ausschliesslich
darin gesucht werde, tüchtige Handwerker und Bauunternehmer herauszubilden.
Nichts ist der ländlichen Baukunst schädlicher gewesen, als der unverstandene
Formalismus, der von den Baugewerbeschulen grossgezogen ist, und durch den das
Bauernhaus und die bescheidene bürgerliche Wohnung zu Karikaturen von Villen
und Palästen geworden sind, wo sie nicht gar durch brutale Hässlichkeit in Form
und Farbe als Zeugen gänzlichen Unvermögens auftreten. Es ist ferner zu ver-
langen, dass die Baubeamten der Landesbaupolizei und des Land- und Wegebaues
ebenso wie die Stadtbaubeamten bis zu gewissem Grade künstlerisch vorgebildet seien.
Dazu bedarf es ebenfalls keines eigentlichen Architekturstudiums. Die künst-
lerische Vorbildung dieser Leute soll nur zu einem Verständnis für das urwüchsig
Schöne führen, zu dem Unterscheidungsvermögen dessen, was der Erkaltung wert,
und was es nicht ist, und zu der Fähigkeit, mit einfachsten Mitteln Wege, Brücken
und kleine Gebäude so zu gestalten, dass sie zur Umgebung passen und wie aus
dem Boden herausgewachsen erscheinen.
Es ist zu verlangen, dass die Bauschulen jeder Art, ebensowohl die Hoch-
schulen wie die Baugewerbeschulen, dieser Art der Lehre und des Studiums die
allergrösste Aufmerksamkeit zuwenden.
 
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