Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 11.1931

DOI Heft:
Heft 1 (Januar 1931)
DOI Artikel:
Parnitzke, Erich: Rund um den Spielwürfel: eine gerahmte A-U-Betrachtung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.28010#0023

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
lere Denkmöglichkeil über Farbe wäre es, dieses Ver-
hältnis „feinfarbig" so abzustimmen, daß es eben
stimmt. Und noch eine weitere Möglichkeit — die
nur beim Würfel „unpraktisch" bleibt, läge etwa darin,
mit grenzlosem Übergang zu arbeiten — 1 d. Soll
heißen, daß es Stufen der Empfindlichkeit gibt und
die „Richtigkeit" schon bei der Würfellösung allein
zu bewerten ist aus dem jeweiligen Vorstellungsver-
mögen, nicht aber nach einer Norm etwa im Sinne
von' 1 a. — Wenn gleichwohl beim Würfel ein Optimum
an Brauchbarkeit der Lösung darin gesehen werden
kann, so folgt daraus höchstens die pädagogische
Hilfe, das sechsjährige Kind durch den Hinweis auf
die praktischere Zweckform sozusagen zur Auseinan-
dersetzung mit einer „Gewichts"-Lösung zu „verfüh-
ren", nicht aber die falsche Hilfe des Vormachens: so
muß es aussehen.
Vier
Die Vier liegt dem Quadrat am nächsten, inso-
fern als sie mit der besonderen Vier-Eck-Form der
Grundfläche zusammengeht. (Das wirklich gleich-gül-
tigste U für die Eins wäre eigentlich der Kreisl) —•
Die Lösung 2 b zeigt, daß die Grundfläche selber ver-
letzt wird, verändert zum Achteck, wenn die vier
Hauptbestände in die Ecken rücken und zu Neben-
beständen herabsinken der als A-gemeint wirkenden
Grundfläche. Andererseits zeigt 2 d, daß Vier-Viertel
noch nicht als vier Ganze wirken. Wiederum ist die
eindeutige Lösung erst dann erreicht, wenn die vier
Einer je die gleich-gültigste Umgebung haben, sozu-
sagen vier zusammengerückte Einer-Würfelflächen —
oder Tische — sind. Das gilt allerdings nicht mathe-
matisch; das Auge ist äußerst empfindlich dafür, daß
die Grundfläche zwar einen Außenrand behält,
aber die Binnengrenzen nicht verwirklicht sind. Die
gewichtsmäßige Ordnung — 2a — zeigt, daß der
Außenrand die Augen etwas zusammendrängt. Die
meisten Spielwürfel zeigen diese Rücksicht nicht, weil
die Vier wie eine Fünf-ohne-Mitte geprägt wird. Wo
nur, wie bei Kindern zunächst, das Richtungsurteil
waltet: vier hinzupiekende Punkte, bleiben diese oft
angelehnt an die Ecken, es werden vier Einzeibestände
einzeln gesetzt — ähnlich, wie mit Vorliebe beim
schmückenden Gestalten nur die Ecken ausgezeichnet
werden, — auf der Linie des geringsten Widerstan-
des, d. h. in Anlehnung an schon hervorstechende
Bestände —-.
Fünf
Die Fünf ist zentrale und Eck-Lösung zugleich.
Aber sie ist nicht nur Addition, sondern ein neues
Produkt, ist die eigentliche Vollendung der Vier und
der wachen und schlummernden Richtungsreize der
Grundfläche: Quadrat. Jede Fläche zeigt in ihren
Grenzen schon Richtungsreize; die vier Eck-augen
der Fünf machen die rechten Winkel mit. Sie hat
aber auch latente Rhythmen; hier Uebereckbeziehun-
gen, das Diagonalkreuz; 3b und 3c. So wie in der
Fünf die Eins und die Vier vereinigt sind, sind es auch
die Drei und die Zwei — und zwar anschaulich. Die
Diagonaldurchdringung kann mit verschiedenem Ton
Gewiß kann dabei scheinbar eine derartige Relativierung des
A zu U walten, daß das Was des A-U-Verhällnisses — scheinbar —
belanglos wird, dagegen die Nuancen des Wie der Durchdringung
alles bedeuten. Ich sage: scheinbar, weil nämlich ein Bild ohne Haupf-
A-Bestande, d. h. ohne eine Rangfolge in der Blickführung, der Farbig-
keit usw. tatsächlich nur ein Flechtwerk ohne zwingenden Aufbau wäre,
wovon es allerdings reichliche Beispiele in der jüngeren Malerei gibt.
Pfaufh hat, wenn er Brifsch diesen Vorwurf macht, die Tatsache über-
sehen, die aus jeder frühen Kunst überdeutlich spricht, daß es im Bilde
eben dodi „Umgebungen" gibt (allerdings keine „Hintergründe", in
weldier Bezeichnung der Irrtum spukt, physikalische Deutungen des
Naluranblicks mit dem Bildgeschehen gleichzuseßen). Die Würfel-Eins
sprich! für sich: das ausdruckgemeinfe Zeichen in der umgebungge-
meinlen Grundfläche. Erst wenn das U gleich gilt, d. h. keine Sonder-
boachtung beansprucht, d, h die Eins gleichmäßig umgibt, spricht
das A unmißverständlich: Ich-Eins-und-nichfs-sonst.—

gelesen werden, so und so herübei. Die Milte wird
dadurch sozusagen doppelt und dreifach belastet, sie
berührt sich in ihrer U-Zone mit den übrigen: die
Fläche ist dicht erfüllt. 3b zeigt diese erste Bindung
— „plane Überschneidung" — deutlich. 3c zeigt die
Fünf Im aufrechten Kreuz: völlig andre Wirkungl 3d
die Urform aller „unendlichen" Muster: Verkettung
dadurch, daß jeder Einzelbestand zugleich Haupt- und
Nebenbedeutung hat, zugleich im Gliede und auf
Lücke steht, daß mit andern Worten zugleich auch das
U durchbeurteilt ist noch ohne jeden grenzlosen Über-
gang. Die Fünf hat es reichlich in sich —. Wo es sich
nicht mehr um gleichgeltende A-Bestände handelt,
die verkettet werden A-A-A-A-A, sondern um die
intermettierende Folge nach A; und A. —4d —man
denke an Bäume mit Blumen dazwischen ArA.-Ai-A.-A,
— wird im Keim bereits die Voraussetzung für „grenz-
losen Übergang" geschaffen. Die Folge etwa A,-A.-Aj-
ArAi, gleichzeitig als Größenstaffelung, bringt ein
erstes An- und Abschwellen mit sich — zwar noch
grenzhaft, aber in der Wirkung: klein-mittel-groß
(selbstverständlich nicht „erscheinungsgemäß"; es
wäre etwa an einen Teppich zu denken, der Blume-
Strauch-Baum wiederholt) schon etwas vorwegneh-
mend, was „später" aus erweiterten Bedingungen
heraus noch und wieder da ist. — Wenn bei 3a
und 3d unmißverständlich A-Bestände von einem
durchgehenden U abgehoben werden, so zeigt 5d
die völlige Durchdringung, Durchflechtung, Verzah-
nung von A und U. Es ist nicht zu vergessen, daß dies
schon Farbbeurteilung voraussetzt. Das Schachbrett
ist als Bildgefüge die vollendete grenzhafte Durch-
dringung von A mit U. 6g zeigt ein Bildschema, das
im 16. Jahrhundert eine Rolle spielt (z. B. bei Tizian),
in dem noch das Schachbrett — allerdings nicht von
der „Fünf" her, sondern auf die „Zwei" zurückgehend
— durchschimmert.
Drei
Die Drei bleibt — dem Quadrat gegenüber — immer
ein Eigenbrödler: 4c. Als Drei-Eck gibt es nur eine
gute Ehe bei Unterordnung und Spaltung der Persön-
lichkeit: 3a, das 4 Dreiecke enthält. In Linie und paral-
lel geschaltet dem Richtungsreiz der Quadratseiten
— 4b — hebt sich die Drei nicht genug ab. (Von dem
Abheben der „runden" Punkte vom Viereck — schon
bei der Eins — sei hier abgesehen.) Sie erregt am
stärksten die Aufmerksamkeit, wenn sie sich schräg-
stellt, wobei die primäre Notwendigkeit wirkt, für die
drei Ganzen — der Gegenslandsvorstellung Drei —
die größten U-Zonen zu retten, was nur in der Diago-
nalrichtung möglich ist. 4b bleibt dagegen befangen
in Drei-Dritteln, umsomehr, als auch das ganze Qua-
drat als Dreier - S t r e i f e n (einer voll, zwei leer)
gefühlt wird.
Es wäre ja nun angebracht, mehr über die Diago-
nale zu sagen, obwohl an ihr schon viel mit Reden
gesündigt worden ist. Die Vier und Sechs sind brav
einfältig und unverdächtig „mit dem Rahmen" gebaut,
sind gewissermaßen spannungslos und zeigen gleich
niederen Organismen Neigung, sich schmerzlos zu
spalten: 2c, die Schere genommen und es gibt nur
noch Viertel; 5c und 6c, die Sechs zerfällt! Die Eins
hingegen ist nicht klein zu kriegen und sie hält auch
die Fünf unzerreißbar zusammen. In der Drei ist diese
starke Bindekraft der Fünf isoliert und zeigt sozu-
sagen die Wirkung einer Dissonanz, Träger von Un-
ruhe, von Bewegung, die zugleich trennt und verbin-
det, zu sein. Die Drei führt nicht zum Schachbrett,
sondern zu dem erregenden Signalzeichen 6i. Oft wird
— irrig — mit Diagonal-Komposition angesprochen,
was auf 6g zurückgeht, oft aber auch von Raumdia-
gonale gesprochen — im Sinne vom Schema 6h, wenn
etwa wie bei 4i links „Nähe", rechts „Ferne" gege-

22
 
Annotationen