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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 11.1931

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Heft 6 (Juni 1931)
DOI Artikel:
Sommer, P. K.: Zur gegenwärtigen Lage
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https://doi.org/10.11588/diglit.28010#0175

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Papierschnifte. Höhere preußische Knabenschule

barei und ungerecht. Kein neues System kann so
handeln. Es sind verdiente Männer, vielleicht Künst-
ler, wenn auch nicht Kubisten und Futuristen.
Auch für „moderne" Jugend bedeuten sie keine Ge-
fahr. Es hat sogar sein Gutes, wenn, wie im Reli-
gionsunterricht, Zweifel zum Nachdenken anregen.
Deshalb braucht das stolze, stattliche Bauwerk noch
nicht gestürzt zu werden, wie es bei den extremen
Kunstlehrern geschieht. Statt Religion — Atheismus,
statt Kunst — gänzlicher Verfall!
Man tadelt Gruppe 1, die nur zum richtigen Sehen
führen will gemäß dem Plan von 1902, man tadelt
Gruppe 2, weil beim Darstellen „beseelter" Natur
leicht das Konstruktive Beachtung findet. Ist denn das
wirklich etwas so unüberbrückbar Trennendes? M. E.
sollte man nicht so ängstlich zwischen darstellen und
gestalten unterscheiden. Einigen wir uns doch end-
lich auf Kunst f ä c h e r, dann kommt jeder auf seine
Rechnung, nicht nur die besondere Eigenart des Leh-
rers, sondern auch die der Schüler.
Es ist das, was eigentlich in den letzten Jahren
überhaupt nicht mehr berücksichtigt wurde, nämlich
die spezielle Veranlagung des Schülers. So lange er
naturfremd arbeitet — gestaltet, läßt man's als gute
Leistung gelten, wird's naturgetreu, dann ist der so
Begabte übel dran, dann kann seine Schulzeit ein
Märtyrium werden. Das geht doch aber nicht. Des-
halb in einer Stunde darstellen lassen, in einer ge-
stalten lassen, in einer konstruieren lassen. So ent-
wickeln sich alle Kräfte und warum so nicht auch in
der Richtung zur Kunst? Selbst die Gipszeichen-
periode hat tüchtige Künstler und tüchtige Ingenieure
und kauflustige, kunstiiebende Menschen erzogen.
Ob die neue Richtung prozentual auch solchen Er-
folg haben wird? Warten wir's ab. M. E. wird's nach
wie vor nur stets auf die Persönlichkeit ankommen,
ob darstellen oder gestalten. Ob mit beseelter oder
unbeseelter Natur ist dabei untergeordnet. Ob aber

Fachberater und zentralisiertes Prüfungsamt für Per-
sönlichkeiten Raum läßt, bezweifle ich. Man denke
an die Professoren vor 25 Jahren. Wer nicht auf ihre
Fahne schwor, taugte nichts. Auch das wird immer
so bleiben. Einseitigkeit aber ist der allerschlimmste
Feind für unser Fach. Kunst, Künstler, Kunsterzieher
brauchen Ellbogenfreiheit. Künstler können sich nicht
beraten. Nirgends gilt mehr der alte pädagogische
Satz: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Und
ein Oberstudiendirektor besitzt so viel gesunden
Menschenverstand, daß er festzustellen vermag, ob
dieses Fach fruchtbringend für die gesamte Schule
wirkt oder nicht.
Es muß einmal offen ausgesprochen werden. Viele
„Errungenschaften" der neuen Zeit (unser Vorstand ist
unschuldig daran, ihm fehlte im Kampf dagegen die
Gefolgschaft) bedeuten Rückschritt und Hemmungen.
Hemmungen in bezug auf die Arbeitsfreude, Hem-
mungen im kollegialen Verbandsleben, Hemmungen
in bezug auf persönliche Überzeugung.
Laßt das Trennende und laßt uns eine „bürgerliche
Einheitsfront" bilden, ob Naturfreund, ob gestaltend,
ob darstellend usw., ob alte, ob neue Kunst. Jeder
nach seiner persönlichen Einstellung, um den Funken
im Innern bewahren und fruchtbringend übertragen
zu können. Einseitigkeit tötet, Persönlichkeiten schaf-
fen Positives.
Was schadet's, wenn sich dann auch Gesinnungs-
genossen noch zu Arbeitsgemeinschaften zusammen-
schließen, nicht um die andern Gruppen der „Ein-
heitsfront" zu bekämpfen, sondern trotzdem sich ge-
genseitig verstehend.
Es wäre schön, wenn eine nahe Zukunft diese Ver-
ständigung uns bescherte. Noch ein Wort über unsre
Aufgaben in der Kunstbetrachtung. Da auch dieses
Fach uns zugewiesen ist, übernehmen wir damit eine
riesige Verantwortung gegen die Kunst und gegen
die Jugend. Wir dürfen nicht zu Schleppenträgern

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