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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1899)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0033

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Mutter Kröger: Sooo — jetzt kann's losgehen. Herr Gotzler, wollen
Sie bitte neben meinem Mann Platz nehmen? Und Herr Wolf bitte hier bei
mirs Hermann setzt sich neben Herrn Goßler und Hans da ans Ende.
(Mutter Kröger füllt die Suppe auf; Anna reicht ihr die leeren Teller und
nimmt ihr die gefüllten ab. Egon beginnt sofort, sehr fchnell die Suppe zu

fchlürfen.)

Erich: -Ach gnädige Frau, ich habe noch eine Bitte — fall ich Jhnen
auch nicht lästig — ?

Mutter Kröger: Bitte bitte, Herr Goßler!

Erich (leidendt: Es riecht da oben in meinem Zimmer nach Kölnischem
Wasfer — das ist mir furchtbar (schnell) — verzeihen Siel — Jch — könnte
so nicht darin bleiben —

Mutter Kröger: Anna foll nachher gleich hinaufgehen und lüften —
Erich: Ach ja, das wäre fehr gütig von Jhnen, tausend Dank. Jch
werde dann selbft das Zimmer parfümieren —

Mutter Krög er: Schöön! Ganz wie Sie wollen, Herr Goßler. Machen
Sie fich's nur fo gemütlich wie möglich.

Erich (leis ironisch): Die „Gemütlichkeit" kommt bei mir weniger in

Frage.

Mutter Kröger (verblüfft): Nein? HabenSie'sdennlieberungemütlich?
Erich: Unter Umständen — allerdings.

Mutter Kröger: Was meinft du dazu, Hermann? Du hast es lieber
gemütlich, was?

Hermann: Ia — Muttchen — Wir modernen Menfchen betrachten die
„Gemütlichkeit" etwas argwöhnisch; fie wird so leicht fpjeßbürgerlich — ftickig
— muffig —

Mutter Kröger (nachdenklich): Ja — das mag ja wohl sein — (ver-
ändert): Aber nu woll'n wir die Suppe nicht kalt werden lasfen.

Vater Kröger (schnell): Ia! ja! Gesegnete Mahlzeit, meine Herrschasten.
Hermann, Hans, Mutter Kröger: Mahlzeitl
Egon (ift bereits mit feiner Suppe fertig und lehnt fich zurück).
Mutter Kröger: Sehn Sie, Herr Wolf? Sie find vernünftig gewesen!
Nehmen Sie noch'n bischen?

Egon: Oeh. (Gibt seinen Teller hin.)

(Kurze Pause, während welcher Vater Kröger für die Rechts-, Hermann
für die Linkssitzenden Rheinwein in die Gläser gießen.)

Hermann (während er eingießt): Was gibt's denn jetzt hier an Kunst,
die man einem anftändigen Menschen zeigen kann.

Vater Kröger (wichtig): Kunstl? — Jaaa?I Na laß 'mal fehn, also:
im Stadttheater geben fie heute, glaub' ich, „Wallenstein".

Erich (aufmerksam): „Wallenftein"??

Vater Kröger: Ja.

Erich: — Haben Sie gehört, Wolf?

Egon (kurzes, höhnisches Auflachen): Hi.

Erich: Ja, wie ift denn das — — Geh'n denn da auch Leute hin?
Vater Kröger: O gewiß.

Erich (sanft): Das verfteh' ich nicht. Kann man denn das noch fehen?
Vater Kröger: Ach ja, das können Sie noch oft sehen!

Erich: Danke, so mein' ich es nicht. Hält denn das noch 'n Mensch aus?
Vater Kröger: Na — es ist doch der „Wallenstein" von Schiller!

Gktoberheft ^699
 
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