Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

DOI Heft:
Heft 3 (1. Novemberheft 1899)
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0130

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
emfach nach der Anciennetät
verteilt rverden. Wer eine Anzahl
von Jahren hindurch alljährlich seine
Ware beiMoabit auf denMarkt gebracht
hat, der erhält zunächft die kleine und
fchließlich auch einmal die große gol-
dene Medaille, er hat sie „ersessen".
Oder geht's militärisch, wie bei den
Orden, von denen man erst die dritte
Klasse haben muß, ehe man die zweite
bekommt? Jst, wer eineLeistung ersten
Ranges bringt, nicht auch der höchsten
Auszeichnung wert, gleichgiltig wie
alt er ist? Aber freilich die Entschei-
dung darüber, was eine Leistung ersten
Ranges ist, die bildet den springenden
Punkt in der Frage. Es hat in Berlin
untermittelmäßige Ausstellungen ge-
geben, die auch nicht ein wirklich be-
deutendes Werk aufwiesen, und doch
erfuhr man mit Stauuen, daß so und
so viel große Medaillen zuerkannt
worden waren. Unseres Wissens kam
es noch niemals vor, daß die Preis-
richter gesagt hätten: in diesem Jahre
ist kein Werk von solcher Bedeutung
da, daß es die große goldene Medaille
verdiente. Die Medaillen sind von der
Regierung gestiftet, also muß man sie
weitergeben, und so gibt man sie denen,
die „dran" sind. Jn Dresden hat man
den Grundsatz der Rangabstufung nicht;
wer nach Ansicht der Preisrichter ein
Werk ersten Ranges geschasfen hat, der
erhält auch die große Goldne. Aber
ach, sieht man die diesjährige Ltste
der Dresdner Bcgnadeten dort, so
wird man ebensowenig zufrieden fein
können, wie in Berlin. Da ift z. B.
das erste Oelgemülde eines jungen
Künstlers mit der großen goldenen
Medaille ausgezeichnet, das technisch
— bis auf einen verzeichneten Finger —
meisterhaft gemacht ist, geistig aber

noch gar nichts bietet. Mustert man
die sonstigen Werke dieses Künstlers,
seine Zeichnungen und Radierungen, so
wird man sast von jedem sagen:
Technik ausgezeichnet, aber keinerlei
künstlerische Persönlichkeit, eine An-
leihe bald hier-, bald dorther, so-
fern sie nicht schlechtweg vom Modell
gekommen ist. Das besagt gar nicht,
daß das Geistige dauernd ausbleiben
sollte, wir persönlich erwarten viel-
mehr von diesem jungen Künstler für
die Zukunst viel. Aber heute steht's
doch mal so, und prämiiert worden ist
er als Nummereinsmann jetzt schon.
Gut. Aber daß die Beherrschung der
Technik allein als so hoch zu preisen-
des Berdienst erklärt wird, das be-
weist unseres Erachtens entweder
eine außerordentliche Bescheidenheit in
den Ansprüchen der HerrenPreisrichter
oder eine wirklich beinahe banausen-
hasteBetrachtungsweise aus derFrosch-
perspektive vder einen Kuhhandel, bei
dem mancher manchmal gegen seine
Ueberzeugung für U gestimmt hat, da-
mit der andere gegen seine Ueber-
zeugung für ^ stimme. Gibt man
die Medaillen aus den Kunstausstel-
lungenfürlediglichtechnischeVerdienste,
so drückt man sie auf den Wert von
Schulprämien herab.

Also: was soll man thun? Das
was die Sezessionisten gethan h ab en:
aufdiesenganzenim Grunde lächerlichen
Kram verzichten. Künstler brauchen
keine Medaillonklischees für ihre Brief-
köpfe, wie Fabrikanten, die unter
noch uneingeweihten Käufern Geschäfte
suchen. Noch brauchen sie Ehrenzeichen
sür langjähriges, treues Ausstellen.
Noch Belobigungen dafür, daß sie brav
was gelernt haben. Weg mit den
Medaillen!

Uunstwart
 
Annotationen