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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

DOI Heft:
Heft 4 (2. Novemberheft 1899)
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Avenarius, Ferdinand: Unser Weihnachtskatalog, [2]: Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0150

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Llteraturgeschichte. Denn bei uns ist die Literaturgeschichte ja fast immer
weder Fisch noch Fleisch, das heißt, weder Geschichte noch Aesthetik, ist sie in
der Hauptsache nur „Raisonnement". Wir können Leben und Wesen, auch das
Jntimere über das Schaffen der meisten bedeutenden deutschen Dichter nun all-
mählich auch aus erster Hand kennen lernen. Da haben wir bei Lessing die
Briefe an seinen Vater und seine Geschwister, dann die an Eva König, bei
Goethe das allerwichtigste deutsche literaturgeschichtliche Werk, das es über-
haupt gibt, nämlich „Aus meinem Leben", dazu die zahllosen Briefe und Ge-
spräche, vor allem den treuen Eckermann, bei Schiller den Briefwechsel mit
Körner, mit Goethe, mit Frau Lotte, mit Humboldt — Leser, was willst du
mehr? Jn Grillparzers Werken findet sich auch ein gut Teil Biographisches-
Hebbels Tagebücher und das Bruchstück seines Jugendidylls sind von erster
Güte. .Zum Teil Köstliches haben auch viel geringere Geister geleistet: Jung-
Stilling mit seinem „Leben", Seume mit seinem Fragment, Arndt mit
Erinnerungen, Jmmermann mit Memorabilien. Da ist dann ferner das
freilich keinem Dichter entstammende, aber meifterhafte Buch „Jugenderinne-
rungen eines alten Mannes" von W. von Kügelgen. Unsere neueren Dichter
haben sich endlich redliche Mühe gegeben, den alten Vorwurf gegen uns Deutsche,
daß wir keine Memoiren hätten, zu widerlegen; es schrieben: Holtei, Hoffmann
v. F., Freytag, Laube, Schack, Dingelstedt, Gottschall, Riehl, Schücking, Hack-
länder, Putlitz, Roquette, Bodenstedt, Grosse, Rodenberg, Spielhagen, Rosegger
Zld. Pichler, Ebers, Dahn u. a. m. — lies alle diese Selbstbiographien, Deutscher
dann darfst du dir das Studium der Literaturgeschichten erlassen!

Aber die trefflichen literaturgeschichtlichen Biographien „anderer über
andere", die wir außerdem besitzen, die dürfen darum nicht ungelesen bleiben.
Da haben wir aus alter Zeit den H utten von David Friedrich Strauß und den
als den besten anerkannten Luther von Köstlin. Zwar kommt bei Luther
auch Freytags aus den „Bildern" losgelöste Darstellung in Betracht. Sehr
lobenswert sind Danzels Werke „Gottsched und seine Zeit" und „Lessing"
(vollendet von Guhrauer). An Lessing haben sich dann auch Adolf Stahr und
zuletzt Erich Schmidt versucht — Schmidt hat damit sein bestes Werk geliefert.
Ueber Klopstock hat zuletzt Franz Muncker geschrieben, die Musterbiographie
Herders hat Rudolf Haym geliefert. Für den Göttinger Hainbund muß
man schon auf Robert Prutz zurückgreifen, Claudius und Voß hat aber
W. Herbft vortrefflich behandelt, S chubart wieder D. F. Strauß. Ueber Lenz
und Klinger gibt es ein Buch von Erich Schmidt. Die klasfische Goethe-
biographie fehlt bekanntlich noch; fehr lesenswert find immerhin Hermann
Grimms Vorlesungen und Bielschowskys noch unvollendetes Werk, dann Heine-
mann, weniger der zu „geistreiche" R. M. Meyer, von kleineren Sachen Sterns
(„Neuer Plutarch") und M. Bernays kurze Biographien und I. R. Haarhaus'
Reclam-Büchlein. Hehns „Goethe" darf selbftverftändlich nicht vergessen wer-
den. Lewes' Goethe gilt jetzt für veraltet wie auch Palleskes sür die Jugend
immer noch zu empsehlender Schiller. Dafür verspricht R. Weltrichs
großangelegte Schiller-Biographie Ersatz zu werden, aber sie ist noch lange
nicht fertig, und so muß man einftweilen zu Otto Brahm greifen. Unsere
Jean Paul-Autorität ist Paul Nerrlich. Das beste Werk über Kleist ist
bei weitem die Biographie Adolf Wilbrandts, dann folgt Brahm, der natür-
lich „auf der Höhe der Wissenschaft" fteht. Für Grillparzer wäre die Ein-
leitung seiner Werke von A. Sauer zu nennen. In bezug auf Heine habe ich noch
immer zu dem alten Strodtmann das meiste Vertrauen, aber man muß wieder
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