Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben (13,1.1899-1900)

Darstellungen und Bildnisse — Naturgegenstände — klassische Werke alter und
neuer Meister. Er hat schon jetzt eine ansehnliche Liste, z. B. H8 kleinere Por-
träts, die den Schulen und den Vereinsmitgliedern für 75—;25 Pfennige ge-
liefert werden; neun grotze Porträts, gleichfalls in Autotypie kosten je M. Z.50.
Fremde zahlen erhöhte Preise. Unter den Nachbildungen klasfischer Gemälde
finden wir folche von Raffael, del Sarto, Hans Memling, Bellini, Catena,
Luini, Millais, Conftable, Ward und Moore. Die Vorzugspreise dieser Auto-
typien und Autogravüren sind gewöhnlich M. 7 oder M. 8, während Fremde
M. ;2 zahlen. Der Verein fetzt jährlich zwifchen drei- und viertausend Bilder
ab; ;898 waren es 3756. Am beften gehen die vom Verein felbst heraus-
gegebenen Blumenbilder, dann folgen Tierbilder und dekorative Friefe; Millets
Angelus fand 39 Abnehmer im vorigen Jahre, Walter Cranes Bilder zu
Grimms Märchen 35, Hans Holbeins Erasmus 2-^. Eine Anzahl ganz armer
Schulen wird jedes Jahr mit Bildern beschenkt, auch werden kleinere Samm-
lungen in Schulen und an anderen Stellen ohne Eintrittsgeld ausgeftellt. Das
Budget des Vereins ist übrigens nur 2-4 000 M., die Mitglieder zahlen ;o M.,
50 oder 2; M. Jahresbeitrag und erhalten je nachdem 2 oder 3 Bilder als
Prämie."

Wie gesagt, es ist dringlich zu wünschen, datz ein ähnlicher Verein auch
bei uns ins Leben trete. Er würde fegensreich für die Kunftkultur unseres
Volkes wirken. Erfreulicherweise haben ja auch deutsche Verleger fich diefer
Sache bereits angenommen. Jn diesem Jahre ist das E. A. Seemannsche
Verlagswerk „Seemanns Wandbilder" fertig geworden, welches „hundert
Meifterwerke der bildenden Kunst" umfatzt. Diese Bilder, die ja erfreu-
licher Weise an manchen höheren Schulen schon angeschafft worden find,
haben das für Fernwirkung wohl genügende Format von 60 : 78 cm. Das
ganze Werk kostet ;50 M., also jedes Blatt nur ; M. 50 Pf., im Einzelverkauf
aber z M.; ein folider Wechselrahmen dazu 7 M- 50 Pf. Architektur, Malerei
und Plaftik find dabei gleichmätzig vertreten. Für die Zukunft ist aber die
Bitte am Platz, die d e u t f ch e n Meifterwerke mehr zu berücksichtigen, als
bisher, denn fie brauchen wir vor allem.

Was nun üie Wirkung diefer Bilder in der Schule angeht, fo ift zunächft
fchon die Bekanntschaft mit den Meifterwerken aller Zeiten von hohem Werte.
Wie der Schüler mit Äschylus, Sophokles, Tacitus, Goethe, Schiller, Lefsing usw.
bekannt gemacht wird, hat er auch das Recht, die Meistecwerke der Praxiteles,
Dürer, Holbein, Adolph Menzel usw. kennen zu lernen und dadurch feinen
Kunftfinn auszubilden. Auf dem Gymnasiallehrertage zu Dresden hat fich die
Versammlung für befonderen kunstgeschichtlichen Unterricht im Gymnasium
ausgesprochen. Davon ganz abgefehen, bietet der deutsche, der gefchichtliche,
erdkundliche und kirchengeschichtliche Unterricht Gelegenheiten, die Bilder zu ver-
werten, und gewitz wird mancher kunstfreundliche Lehrer auch fonft einmal ein
paar freie Minuten zur Besprechung eines der aushangenden Bilder benutzen.
Recht gut wissen wir, datz das Kunftempfinden vor allem durch Betrachtung
und Beobachtung der Natu r geweckt und gefördert wird, indes man foll keinen
Weg verfchmähen, der irgendwie zur Erreichung des Zieles zu führen vermag,
Der Schüler, der in der Schule daran gewöhnt ist, Kunst um fich zu fehen,
wird auch mit der Zeit das Bedürfnis empfinden, daheim von Kunft umgeben
zu fein, und die Meifterwerke der Kunst, die er zu fehen bekommt, werden ihm
den Geschmack an dem Banalen, Hohlen und Süßlichen, das sich in Familien-
blättern usw. breit macht, zum Wohle unseres Volkes und Staates verleiden.

Ruustwarr