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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

DOI Heft:
Heft 6 (2. Dezemberheft 1899)
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Sommer, Hans: Von der "Internationalen Musik-Gesellschaft"
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0241

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lich beachtet und gefördert. Wenn heute Bayreuth groß und gesichert dasteht,
so hat die begeisterte Teilnahme des Auslandes, vor allem aber der hohe
Kunstsinn und die unbeugsame Willenskraft der Witwe des Meisters den
größten Teil daran.

Das Beste, was all diese gottbegnadeten Meister geschaffen, hat sonach
ihnen selbst nur ausnahmsweise Ruhm oder spärlichen Gewinn eingetragen;
erst später haben unsere Geschäftsleute Lie am Wege liegenden Schätze aus-
gemünzt. Unsere Gebildeten aber hatten wührenddem überschwängliche Huldi-
gungen und klingenden Lohn nur für solche zur Hand, die vom Tagesgeschmack
aus den Schild erhoben worden waren.

Aus jenen knappen Daten mögen nun die Herren Vreitkopf L Härtel
ersehen, wie sich bisher die deutsche Mitwelt stets zu denen verhalten, die ihr
der gütige Himmel als geistige Führer bescheert hat. Hans Sachsens mildes
Wort „Das waren hochbedürft'ge Meister, von Lebensmüh' bedrängte Geister"
bleibt weit hinter der nackten, traurigen Wirklichkeit zurück. Nicht von einem
idealen Zustande, nur von unablässigem, verzweiflungsvollem Ringen in Not
und Entbehrung berichtet die Geschichte unserer Meister. Jn dem Kampfe für
seine Jdeale ist allerdings bisher der Genius immer der Sieger geblieben;
doch erst, nachdem er selbst, ein echt tragischer Held, den Sieg mit seinem
Leben bezahlt, ist der Sieg osfenbar, ist die Welt für die Jdeale empfänglich
geworden.

Jst aber bisher allgemeine Anerkennung keinem unserer Größten zu Leb-
zeiten beschieden gewesen, wie sollten dann wir Nachgeborenen schon jetzt dazu
gelangen können? Darauf haben wir gar keinen Anspruch! Ein Naturgesetz
schlägt nicht plötzlich in sein Gegenteil um. Daß wir es in der Anerkennung
noch nicht weiter haben bringen können, beklagen wir selbst gewiß am meisten;
da es aber immer so war, die verblendeten Zeitgenossen niemals das Musik-
Schaffen zu würdigen wußten, so gilt — bis auf sicheren Nachweis des Gegen-
reils — die Vermutung, daß es sich auch chiesmal wieder so verhalt. Ohne
ausreichende Begründung aber alsbald unsere Unfähigkeit und den Niedergang
der Tonkunst dekretieren, heißt die Gesetzmäßigkeit der bisherigen Entwicklung
durchaus verkennen. Ein weniger befangener Richter hätte eher ein bescheidenes
non llguet, daneben auch wohl — ganz in unserem Sinne — den Wunsch aus-
gesprochen, daß wir bereits seit einigen Dezennien im Grabe lägen, wonach
dann auch unsere Gebildeten noch viel gebildeter über uns würden reden und
verhandeln können.

Wir leben aber noch. Allerorten sieht man Kräfte kühn sich regen, die,
dem Modischen abgewandt, ihre eigenen Wege versolgen. Vielleicht wäre es
da doch wohl geziemender und ersprießlicher, diesen Kräften die Bahn frei zu
machen, als ihnen, jetzt schon, die Lebensfähigkeit insgesamt abzusprechen und
ihre Bevormundung in die Wege zu leiten, die zum „Schaffen von Thaten",
also, wie es scheint, zur Genie-Züchtung „durch Wort und Schrift" in Orts-
gruppen und Sektionen führen sollen. Ob's in Glogau gelingt? in Etschmiadzin?
oder einer andern Ortsgruppe? Gleichviel! Wenn nur im Homunculus das
vermißte Genie auftaucht, so wollen auch wir das Wunder loben.

Doch ernsthaft (und srei nach Lichtenberg) gesprochen: Wenn ein neues
Kunstwerk mit einem Kopfe zusammenstößt, und es gibt einen hohlen Klang —
muß denn immer wieder dem Kunstwerke die Schuld daran zugeschoben werden,
wie oft auch schon nachträglich, aller ansänglichen Mißachtung zum Trotz, solche
Kunstwerke sich als echt und gesund bewährt haben?

2. Dezemberhest ;8<)9

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