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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 6 (2. Dezemberheft 1899)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0254

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„O jal! Un was noch?"

„Und ein grotzes Bauerngut mit lebendigen Pferden und Kühen und
Schweinen und Ferkeln — aber richtige Ferkel, mein' ich, nicht solche, wie
Jhr seid!"

„Nein! Un was denn noch?"

„Ja — wenn du mir dann noch einen Original-Böcklin schenken willst —"

„Was?"

„Na, laß nur, dazu reichts doch nicht."

Dem Jungen brennt so ein Haupt- und Herzenswunsch auf der Seele,
das sieht man. Jn seinen Augen glüht ein traumfernes Entzücken.

„Was möchtest du denn haben?"

„Vater — sag' erst mal, ob das Buch von Robinson teuer ist."

„Furchtbar teuer."

Sein Kopf sinkt auf die Brust.

„Aber, es geht vielleicht — mal sehen."

Da entbrennen seine Augen.

„Vater — ich will auch gar nichts anderes haben, wenn ich nur das
Buch von Robinson kriege!"

Solch ein Verlangen stillen: das nenn' ich eine WeihnachtsfreudeI"

Es ist merkwürdig, daß sie die finanzielle Seite der Frage erwägen,
obgleich sie doch an den Knecht Nuprecht glauben. Aber man betet ja auch
vertrauensvoll zum heiligen Florian und versichert sich dann gegen Feuer-
schaden.

Und merkwürdig ist es auch, daß sie sich gar nichts „Praktisches" und
„Nützliches" wünschen, wie wollene Unterjacken und dergleichen. Mein Nach-
bar, ein gewisser Herr Schrafselhuber, har einen Jungen von acht und einen von
sechs Jahren. „Jch schenke meinen Jungen grundsätzlich nur nützliche Sachen zu
Weihnachten", sagte er zu mir, „wie Stiefel, Strümpfe, Mützen, Schulränzel
und dersteichen. All der andere Tand und Spielkram verleitet sie nur zu Thor-
heit, Faulheit und Unaufmerksamkeit und bringt sie dahin, den Wert des Geldes
gering zu achten. Die Großmutter schenkt ihnen ein Stück Spielzeug, und das
genügt. Jn ein paar Tagen ist es doch wieder kaput."

„Herr Schraffelhuber", sagte ich darauf, „Herr Schraffelhuber, wissen
Sie, was ich Jhnen gönne, Herr Schraffelhuber? Jch gönne Jhnen, wenn
Sie mal in den tzimmel kommen, daß der Herrgott Jhnen einen großen und
dauerhaften Negenschirm schenkt und sagt: »Hier, mein lieber Schraffelhuber,
hast du einen gioßen und dauerhaften Regenschirm als Krone des Lebens.
Dein Platz ist nümlich draußen in nwiner dickslen Regenwolke. Da wirst du
diesen praktischen, nützlichen und zweckmäßigen Regenschirm zu schätzen wissen.
Jch wünsch' dir eine nutzbringende ewige Seligleit, mein lieber Schraffelhuber I«
— Das, Herr Schrasselhuber" ssagte ichl), „das gönne ich Jhnen."

Seitdem haßt er mich; aber wenn solche Leute mich hassen, das wärmt
mich so recht innerlich, als wär's der herrlichste Weihnachtspunsch.

An solchen Festen soll ja der Beschenkte kosten „von dem goldnen Ueber-
sluß ver Welt", und man soll ihm spenden, was ihm unter gewöhnlichen Um-
ständen nicht erreichbar wäre!" Wenn der arme Teusel barfuß läuft, so schenkt
ihm Stiefel und Strümpfe; wenn er aber des Leibes Notdurft hat, so schenkt
ihm eine Trüffelwurst oder Henry Clays oder eine Radieruug von Klinger oder
-- warum nicht, wenn er sichs wünscht? — eine kleine Drehorgel, gerade weil
es Verschwendung ist, weil es Luxus ist, weil es ein Spiel istl Ach mein
Kunstwart
 
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