im Staatsbauwesen sich bethätigen soll, ist eben dem Wesen des Schaffens
durchaus zuwider. Zudem oerhindern die, überdem wechselnden, Nor-
malien oon vornherein ein unbefangenes, individuelles Erfassen der Auf-
gaben. Daher bringt die Staatsbauverwaltung mit allem Aufwande
an Mühe nur die bekannten Werke zu Stande, korrekt, uneigen, kalt
lafsend bei allem was anzuerkennen ist, kurz: entbehrend gerade des
B e st e n.
Aus diesen Verhaltnissen erklärt sich auch, warum von den jungen
Architekten, die sich der Ausbildung für den Staatsdienst unterzogen
haben, viele der begabtesten fchließlich doch nicht in ihn eintreten, oder
nach einiger Ersahrung schleunigst wieder ausscheiden. Und es erklärt
sich, warum die Beamten frühzeitig, sonst gesund und wohlgenährt, in
künstlerifcher Hinsicht stumpf und gleichgiltig werden. Jn einem Alter,
wo andere auf der Höhe stehen, überlassen sie das künstlerische Schaffen
den Jüngeren, die sich „noch nicht die Hörner abgelaufen haben".
Jndessen: der innere Widerspruch, der in der bureaukratischen Ve-
handlung der Kunst liegt, würde sich doch nicht in so übeln Wirkungen
üußern, wenn unsere Kunst und unsere Zeit wie die früheren einheitlich
würen, wenn eine Richtung des Denkens und Empfindens Alle be-
herrschte. Aber da jetzt, nach einer Zwischenzeit der Ohnmacht, nichts
gegründet und alles im Flusse ist, so ist auch die Beeinträchtigung der
Persönlichkeit dabei ärger als früher. Sie ist jetzt mehr, als nur ein
gegen den Eigenwillen oder die Selbstgefälligkeit ausgeübter Zwang.
Freilich, das trifft nur für Charaktere, für Menschen von eigenem
Gehalte zu, denn die übrigen werden jederzeit geleitet und bestimmü
Sollte aber ein gesunder Staat als mächtiger Vertreter des allgemeinen
Wohls nicht gerade für Münner von Charakter und Eigenart Platz
haben? Jedenfalls waren es auf allen Gebieten sie, die vorwärts
brachten. Und es ist wahr, wir denken deshalb vor allem an sie und
wünschten ihnen die Möglichkeit, auch im staatlichen Bauwesen that-
kräftig mitzuwirken — zum Vorteile von uns allen.
Gleichwie auf anderen Gebieten der Kultur hatte auch auf dem
der Baukunst mit dem Ende des vorigen Jahrhunderts die Vergangen-
he:t ab- und ausgewirtschaftet, und die neue Zeit sah sich fast einem
Nichts gegenüber, aber nicht vor unbebautem fruchtbarem Acker, sondern
vor versandetem Feld.
So geschah es, daß in den ersten zwei Drckteln dieses Jahrhunderts
die neue Kunst Schinkels und seiner Schüler Stüler und Strack nicht
gleichgerichtetes Streben erweckten, sondern aus dem Verwaltungswege
nur öde Nachahmungen hervorriefen. Später dann konnte u. a. der
strebsame Endell, für seine Stellung als Oberbaudirektor viel zu selbst-
eifrig, in den wenigen Jahren seiner Amtsführung das preußische Gebiet
von der russischen bis zur französischen Grenze mit hunderten von Bau-
werken in seinem persönlichen Stile, einer angeblichen deutschen Renaissance,
bedecken. Alle Baubeamten, die es traf, mußten darin „schaffen". Oder
aber, sie bekamen die von einem Stabe junger Hilfsarbeiter gefertigte
Architektur geliefert aus dem Ministerium, das ihnen, in seinem Sinne
mit Recht, sast nichts zutraute und, wie es heißt, selbst die Profilscha-
blonen einfachster Bauten revidierte und feststellte. Mit Endell verschwand
auch sein Stil. War das nun „Kunst" gewesen? So auch nur ist es
Itunstwart
270 —
durchaus zuwider. Zudem oerhindern die, überdem wechselnden, Nor-
malien oon vornherein ein unbefangenes, individuelles Erfassen der Auf-
gaben. Daher bringt die Staatsbauverwaltung mit allem Aufwande
an Mühe nur die bekannten Werke zu Stande, korrekt, uneigen, kalt
lafsend bei allem was anzuerkennen ist, kurz: entbehrend gerade des
B e st e n.
Aus diesen Verhaltnissen erklärt sich auch, warum von den jungen
Architekten, die sich der Ausbildung für den Staatsdienst unterzogen
haben, viele der begabtesten fchließlich doch nicht in ihn eintreten, oder
nach einiger Ersahrung schleunigst wieder ausscheiden. Und es erklärt
sich, warum die Beamten frühzeitig, sonst gesund und wohlgenährt, in
künstlerifcher Hinsicht stumpf und gleichgiltig werden. Jn einem Alter,
wo andere auf der Höhe stehen, überlassen sie das künstlerische Schaffen
den Jüngeren, die sich „noch nicht die Hörner abgelaufen haben".
Jndessen: der innere Widerspruch, der in der bureaukratischen Ve-
handlung der Kunst liegt, würde sich doch nicht in so übeln Wirkungen
üußern, wenn unsere Kunst und unsere Zeit wie die früheren einheitlich
würen, wenn eine Richtung des Denkens und Empfindens Alle be-
herrschte. Aber da jetzt, nach einer Zwischenzeit der Ohnmacht, nichts
gegründet und alles im Flusse ist, so ist auch die Beeinträchtigung der
Persönlichkeit dabei ärger als früher. Sie ist jetzt mehr, als nur ein
gegen den Eigenwillen oder die Selbstgefälligkeit ausgeübter Zwang.
Freilich, das trifft nur für Charaktere, für Menschen von eigenem
Gehalte zu, denn die übrigen werden jederzeit geleitet und bestimmü
Sollte aber ein gesunder Staat als mächtiger Vertreter des allgemeinen
Wohls nicht gerade für Münner von Charakter und Eigenart Platz
haben? Jedenfalls waren es auf allen Gebieten sie, die vorwärts
brachten. Und es ist wahr, wir denken deshalb vor allem an sie und
wünschten ihnen die Möglichkeit, auch im staatlichen Bauwesen that-
kräftig mitzuwirken — zum Vorteile von uns allen.
Gleichwie auf anderen Gebieten der Kultur hatte auch auf dem
der Baukunst mit dem Ende des vorigen Jahrhunderts die Vergangen-
he:t ab- und ausgewirtschaftet, und die neue Zeit sah sich fast einem
Nichts gegenüber, aber nicht vor unbebautem fruchtbarem Acker, sondern
vor versandetem Feld.
So geschah es, daß in den ersten zwei Drckteln dieses Jahrhunderts
die neue Kunst Schinkels und seiner Schüler Stüler und Strack nicht
gleichgerichtetes Streben erweckten, sondern aus dem Verwaltungswege
nur öde Nachahmungen hervorriefen. Später dann konnte u. a. der
strebsame Endell, für seine Stellung als Oberbaudirektor viel zu selbst-
eifrig, in den wenigen Jahren seiner Amtsführung das preußische Gebiet
von der russischen bis zur französischen Grenze mit hunderten von Bau-
werken in seinem persönlichen Stile, einer angeblichen deutschen Renaissance,
bedecken. Alle Baubeamten, die es traf, mußten darin „schaffen". Oder
aber, sie bekamen die von einem Stabe junger Hilfsarbeiter gefertigte
Architektur geliefert aus dem Ministerium, das ihnen, in seinem Sinne
mit Recht, sast nichts zutraute und, wie es heißt, selbst die Profilscha-
blonen einfachster Bauten revidierte und feststellte. Mit Endell verschwand
auch sein Stil. War das nun „Kunst" gewesen? So auch nur ist es
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