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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 8 (2. Januarheft 1900)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0337

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rvegtüuschen, ganz abgesehen von der
doch etwas allzu vormärzlichen musi-
kalischenAusdrucksrveise.NeueKammer-
musikwerke lernte man serner kennen
von dem gleichfalls einheimischen
Eduard Lerch und dem Ungarn
Ferdinand Moor, beides ohne
Zweifel tüchtige Musiker, beide, wie es
die Kamrnerrnusik gewöhnlich (warum
übrigens?) mit srch bringt, eher reak-
tionär als fortschrittlich gesinnt, beide
aber auch entschiedene Talente. Ein
Quartett von
Borodin
(Nr.i,^.-äur, an-
geregt durch ein
Thema von
Beethoven) hat
mich sehr wenig
entzückt, wo-
gegen die No-
veletten sür
Streichguartett
von Glazou-
nofs, wenn
auch teilweise
die Grenze der
besseren Salon-
musik streisend,
wirklich zu inter-
essieren ver-
mochten. —

Das Hof-
theater glaubte
die Thaten der
Wintersaison
nicht besser ein-
leiten zu können,
als durch eine
Neu-Einstudierung von Aubers „Fra
Diavolo". Was davon zu halten sei, hat
schon Richard Wagner gelegentlich ein-
mal gesagt. Daß seine Worte, vor einem
halben Jahrhundert bereits geschrieben,
noch heute zutressen, ist das Merkwür-
dige dabei. Man kann sie im Buche
der Gesammelten Schriften und Dich-
tungen S. 239 der 2. Auflage nachlesen.

Es folgte als erste Novität die drei-
aktige Oper „Horand und Hilde" von

Viktor Gluth, Professor an der kgl.
Musikschule und früherem Dirigenten
des Oratorien-Vereins. Das Libretto
ist vom Komponisten selbst nach einer
Dichtung Baumbachs bearbeitet. Das
Werk errang einen jener lokalen Er-
folge, die gewöhnlich nur den Ver-
fasser selbst zu täuschen vermögen.
Sein künstlerischer Wert ist gleich Null.

Einer Aufführung der Daudet-
Bizetschen „Opera, pLiäe^ „lO^rle-
durch eine sranzösische Gescll-
schaft durfte man
in Anbetracht
des erneuten
Jnteresses, das
man dem Melo-
dram in jüngster
Zeit entgegen-
bringhmitSpan-
nung entgegen-
sehen. Es ist ein
Glück für die
Verfechter dieser
Gattung, daß
das Daudet-
Vizetsche Werk
für die prinzi-
pielle Frage
kaum beweisend
ist. Denn es
wirkte gar nicht.
Aber daran ist,
glaube,
mehr der Um-
stand schuld, daß
es ein schlech-
tes, als daß es
überhaupt ein
Melodram ist- Die Daudetsche Dich-
tung ist von einer sentimentalenAlbern-
heit, wie man sie selbst in unseren
schlechtesten Volksstücken nur sehr selten
findet, und die zum Teil ja musikalisch
sehr reizvolle Musik Bizets macht in
ihrer bekannten Bearbeitung als Or-
chester-Suite imKonzertsaal entschieden
mehr Wirkung als im Theater.

Rudolf Louis.

325

2. ^anuarheft 1900
 
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