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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

DOI Heft:
Heft 9 (1. Februarheft 1900)
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Avenarius, Ferdinand: Zehn Gebote zur Wohnungseinrichtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0354

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aber wunderbar: unsre „Magern" wollen aussehn, ats hätten auch sie
dieses kunstgewerbliche Fett, das so oft mit seinen Ueberflüssigkeiten den
Muskel- und Knochenbau, die eigentliche Form versteckt. Und sollte
nicht schon der Stolz das Aesfen verhieten? Eine Kammerherrn-Uniform
ist an und für sich nichts Schönes, wer sie aber mit wenigem Gelde
nachahmt, der macht eine Dienerlivrse mit unechtem Golde daraus,
während er doch seinen Bürgerrock aufrechten Ganges tragen könnte.

Viertens: Vermeide alle Jmitationen!

Vermeide sie, weil du sie verachten mußt, denn sie lügen. Sie
sagen z. B.: „Das ist Eichenholz", und es ist doch eichenholzartig bemalte
Kiefer. Nämlich, fo lange du ihnen glaubft. Aber du glaubft ihnen
nicht lange. Und fobald du die Nachmacherei durchschaust, ja, was
findest du dann noch „fchön" daran? Kiefer, die sich mit ihrer kraft-
vollen feurigen Aderung als Kieser gibt, ist ungleich schöner als eichen-
holzartig bemalte. Kieser und Eiche — ein Jedes ist fchön in feiner
Art. Gegen eine fchöne Beizung oder Politur, welche die Aderung
vielleicht gerade zur Geltung bringt, ist natürlich auch nichts einzu-
wenden und sehr oft auch nichts gegen eine schlichte Bemalung mit
Decksarben, wenn sie nur nichts „imitiert". Jedes Material und
jegliche Technik kann Schönes geben, ein Jedes in seiner Art, aber
niemals, wenn sie dem Auge was vorslunkern will. Hüte dich des-
halb auch vor Attrapen und kunstgewerblichen Witzen, selbst wenn es
leidlich gute Witze find. Stücke im Hause find Hausgenossen, und Haus-
genoffen, die immer denselben Witz machen, langweilen bald.

Fünftens: Gib deiner Wohnung Leben!

Wie kommt das zu stande? Vor allem dadurch, daß jedes Ding
durch seine Erscheinung dem Auge sagt, was es soll. Der Stuhl soll
schon durch seine Form einladen: „Setze dich"; der Schrank: „Gib mir
dein Gut, ich berg es fest"; überhaupt ein jedes Gerät: „Benütze mich,
ich bediene dich gut". Nicht etwa daraufgeschrieben soll dergleichen
sein, wie es wohl auch geschieht, — das wäre wie ein Spruchband im
Munde einer gemalten Gestalt: fie wird nicht beredter dadurch, fondern
starr. Aber die Form selber soll es fagen, ebenso, wie die Form selber
dem Material entsprechen soll, damit sich z. B. nicht ein geflochtenes
Körbchen aus Porzellan ergebe, oder ein Armband in Form eines Leder-
riemens aus Gold.

Sechstens: Du sollst nicht pimpeln!

„Pimpeln", was heißt das? „Porzellanblümchen formen, ist eine
pimpelige Arbeit", fagt z. B, der Sachfe, deffen Sprachfchatz diefes schöne
Wort entstammt? Auf die Wohnung angewandt fagt das Gebot: Ver-
meide das Kleinliche. Vermeide es am einzelnen Stück; laß die über-
flüssigen Zierätchen und Ornamentchen weg, die nach Meinung harm-
lofer Gemüter „Eleganz" geben sollen. Vermeide das auch in der Wohnung
als einem Ganzen: thue nicht mehr hinein, als nötig ist. Wenige, noch
so schlichte, aber sorgfältig gewählte Stücke machen die Wohnung vor-

* Jn diesem Sinne hört' ich das Wort noch eben in der Meißner
Porzellanmanufaktur. Bekannter ist der Gebrauch im Sinne von kränkeln,
zärtlich thun, „ningern". Jn beiden Verwendungen steckt das „Bimmeln",
worauf das Wort zurückgeht, das „Klingeln mit kleinen Schellen".

Ruustwari

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