Mit Alfred Rethels „Tod als Freund" unterbreiten wir den Lesern
ein Kunstwerk, das, wenn es nach Recht und Würdigkeit ginge, lange, lange
schon in jedem deutschen Hause weilen müßte.
Es lenzet draußen; die warme Luft spült durch das Turmgemach, und
das Vögelchen singt von der Herrlichkeit, da ist der mühselige Alte dort müde
geworden. Er hat die Hände zum Beten gefaltet, aber die Glocken zur Vesper
läuten, das konnten sie nicht mehr. Sie brauchten's auch nicht. Ein fremder
Pilger stieg langsam den alten Turm herauf, der legte still seine Palmen ab,
und nun erhallt feierlich und groß von seiner Hand das Abendgeläut der
Gottesruhe.
Ja, wir haben in der
ganzen deutschen Kunst keine Dar-
stellung des Todes, die so er-
greifend einfach-klar das Frie'-
denbringende des letzten
Besuchers auf Erden schilderte.
Jch weiß einen Mann, der um
sein Liebstes, der um sein Alles
bangte in langen surchtbaren
Monaten. Arbeiten mußte er
dennoch, schaffen und vorwürts-
drängen. Wenn ihm Sorge und
Schmerz alle Gedanken zerriß,
dann trat er vor dieses Bild.
Und er hörte das heilige Läuten
daraus und schritt gesammelt
zurück an seinen Tisch.
Leser, die sich noch eine be-
sondere erlesene Kunstsreude ver-
schassen wollen, und eine Uebung
im Betrachten, wie sie sich selten
darbietet, bitte ich, recht in Muße
das sertige Bild mit dem Ent-
wurfe Rethels zu vergleichen,
den wir ebenfalls in einer Ver-
vielfältigung beilegen. Ganz sel-
ten nur kann man das stille
Schassen einer wirklichen Künstler-
Phantasie so aus der Nähe
belauschen wie hier, und das, obgleich wir von dem Wege vom ersten
innerlichen Ausleuchten eines „Gesichts" bis zum draußen fertig hingestellten
Bilde hier doch nur zwei Stellen sehen. Oft ist ja bekanntlich der Ent-
wurf in mancher Beziehung gelungener, als das Werk, auch und gerade bei
Rethel selbst. Aber der „Tod als Freund" hat sich ihm aus einer anfangs mehr
begrifssmäßigen Jdee erst während immer neuer Versenkung darein zu dieser
Vollkommenheit gestaltet. Man beachte nun, was von Entwurf zu Werk ver-
schwindet und was hinzukommt. Es verschwinden die Glockengewichte; sie
sagen nichts Neues, sie wiederholen nur. Es verschwindet der Thürladen; er
mag draußen sein, er besagt nichts. Es verschwindet die schöne Form von
Krug und Becher; Rethel wird sich bewußt, daß sie den Ernst der Stimmung
2. Februarheft ;Zoo
ein Kunstwerk, das, wenn es nach Recht und Würdigkeit ginge, lange, lange
schon in jedem deutschen Hause weilen müßte.
Es lenzet draußen; die warme Luft spült durch das Turmgemach, und
das Vögelchen singt von der Herrlichkeit, da ist der mühselige Alte dort müde
geworden. Er hat die Hände zum Beten gefaltet, aber die Glocken zur Vesper
läuten, das konnten sie nicht mehr. Sie brauchten's auch nicht. Ein fremder
Pilger stieg langsam den alten Turm herauf, der legte still seine Palmen ab,
und nun erhallt feierlich und groß von seiner Hand das Abendgeläut der
Gottesruhe.
Ja, wir haben in der
ganzen deutschen Kunst keine Dar-
stellung des Todes, die so er-
greifend einfach-klar das Frie'-
denbringende des letzten
Besuchers auf Erden schilderte.
Jch weiß einen Mann, der um
sein Liebstes, der um sein Alles
bangte in langen surchtbaren
Monaten. Arbeiten mußte er
dennoch, schaffen und vorwürts-
drängen. Wenn ihm Sorge und
Schmerz alle Gedanken zerriß,
dann trat er vor dieses Bild.
Und er hörte das heilige Läuten
daraus und schritt gesammelt
zurück an seinen Tisch.
Leser, die sich noch eine be-
sondere erlesene Kunstsreude ver-
schassen wollen, und eine Uebung
im Betrachten, wie sie sich selten
darbietet, bitte ich, recht in Muße
das sertige Bild mit dem Ent-
wurfe Rethels zu vergleichen,
den wir ebenfalls in einer Ver-
vielfältigung beilegen. Ganz sel-
ten nur kann man das stille
Schassen einer wirklichen Künstler-
Phantasie so aus der Nähe
belauschen wie hier, und das, obgleich wir von dem Wege vom ersten
innerlichen Ausleuchten eines „Gesichts" bis zum draußen fertig hingestellten
Bilde hier doch nur zwei Stellen sehen. Oft ist ja bekanntlich der Ent-
wurf in mancher Beziehung gelungener, als das Werk, auch und gerade bei
Rethel selbst. Aber der „Tod als Freund" hat sich ihm aus einer anfangs mehr
begrifssmäßigen Jdee erst während immer neuer Versenkung darein zu dieser
Vollkommenheit gestaltet. Man beachte nun, was von Entwurf zu Werk ver-
schwindet und was hinzukommt. Es verschwinden die Glockengewichte; sie
sagen nichts Neues, sie wiederholen nur. Es verschwindet der Thürladen; er
mag draußen sein, er besagt nichts. Es verschwindet die schöne Form von
Krug und Becher; Rethel wird sich bewußt, daß sie den Ernst der Stimmung
2. Februarheft ;Zoo