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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 11 (1. Märzheft 1900)
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Avenarius, Ferdinand: Hoftheater und Staatstheater
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0419

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reme Geschäftsanstalt und nicht reine Repräsentationsanstalt. Es gleicht,
sieht man's genauer an, einer Mißgestalt beinahe zum Fürchten: vier
Äugen hat's, und mit je einem schielt es nach dem Hos, nach dem
Publitum, nach dem Geschäst und nach der Kunst, darüber aber schwebt
mottenumschmärmt eine Perrücke, groß wie eine Wolke, vor der sich
die Bögel sammeln.

Daß unsre Hoftheater Kunstanstalten werden, Anstalten allein
im Dienste der Kunst, ist nur möglich, wenn sie der allgemeinen Ent-
wicklung folgend sich allmählich umwandeln in Staatstheater. Unsre
Museen z. B. werden zumeist nicht schlecht, sie werden zum Teil ganz
mustergültig, sie werden ausnahmslos weit mehr im Sinne des geistigen
Znteresses verwaltet, dem sie gewidmet sind, als unsre Hostheater. Jhre
Bestimmung ist eindeutig. Jhre Leiter sind bis zu den schließlich Maß-
gebenden hinaus Sachverständige, die auch allein ihrer Sache zu
dienen haben. Jch wiederhole: unsre lächerliche Parallele mit Hoheits
Hosmuseum gibt das Verhältnis zwar stilisiert, aber ohne Verdrehung
wieder. „Vollkommen" werden natürlich auch Staatstheater nicht sein,
aber die Fehlerquellen, die auch sür sie noch blieben, sprudeln den Hof-
theatern ebenso reichlich, und eine Menge solcher Quellen, die diesen
sließen, versiegen mit der Loslösung vom Hofe sosort.

Wie könnte der Uebergang geschehn?

Eigentlich auf eine recht einsache Art. Jetzt bewilligen wir hohe
Zivillisten mit dem ausgesprochenen Zweck, den Fürsten jene monarchische
„Repräsentation" zu ermöglichen, die vor allen Dingen ein Hostheater
verlangt. Man brauchte die Zuschüsse sür Staatstheater nur von den
Zivillisten abzuziehen und sie den Bühnen geraden Wegs zuzusühren.
Jetzt macht man's noch, wie beim Nationaldenkmal Wilhelms des Ersten:
man stellt dem Fürsten die Summe frei zur Versügung, und wenn er sie nach
seiner Privatmeinung benutzt, so schilt man nachher, allerdings gedämpst.
Ersparte man unsern Zuschüssen den Umweg mit der Zivilliste über den
Hos, so hätte man statt der Hof- die Staatstheater, und könnte leicht
die weiteren Konsequenzen ziehen. Jmmerhin, es gehörle ein wenig Un-
abhängigkeitssinn dazu, in den Landtagen das durchzusetzen, denn vielleicht,
es würde „oben" übel vermerkt. Wir schätzen unsre Monarchen so tief
nicht ein, um so weniger, als sie sich ja aus eigene Kosten ein Hostheater
noch halten und nunmehr ganz einrichten könnten, wie's ihnen beliebt.
Sind wir aber wirklich so innig davon beseelt, daß wir nicht Staats-
bürger, sondern nur Unterthanen sind, so wird uns nichts übrig bleiben,
als neben den Hostheatern an Staatstheater zu denken. Das ginge dann
sreilich wohl nur in den größten und reichsten unsrer Bundesstaaten an.

Jeder neue Gedanke braucht Zeit, bis er sich durcharbeitet. Des-
halb haben wir's gar nicht nötig, uns mit Vorschlägen zur Aenderung
dieser Dinge zu beeilen — bis es an die Verwirklichung geht, läuft nicht
nur viel Wasser ins Meer, sondern es verdampft auch noch wieder daraus
und macht den Kreislauf noch dutzend Mal. Aber endlich muß man
doch öfsentlich davon sprechen, was bei all den Wehklagen über die Früchte
der Hoftheater allein an der Wurzel des Baumes bessern könnte. A.

I. Märzheft ^900
 
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