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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,1.1899-1900

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Heft 12 (2. Märzheft 1900)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7959#0489

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Musik.

* HugoWolf imKonzertsaal.

Wissen Sie, datz es in Berlin
einen Hugo Wolf-Verein gibt? Seit
vier Jahren? Er ist mehrfach an die
Oeffentlichkeit getreten mit Konzerten
in der Singakademie, aber seine Haupt-
thätigkeit liegt in den kleinen Konzert-
abenden, deren er jeden Winter etwa
fünf für feine Mitglieder und Gäfte
veranftaltet. Es wäre zu wünschen,
datz folche Bestrebungen allgemeiner
unterstützt würden und an mehr Orten
zu Tage kämen, als es bisher leider
der Fall ist. Unter-
nehmungen, die der
Musik, nicht den
Musikern dienen
wollen. Unser ge-
samtes öffentliches
Musikwesen, und
nicht nur unseres,
sondern das ganz
Europas und Ame-
rikas, trägt den Cha-
rakter eines großen
geschäftlich organi-
sierten Sports;
die Konzertsäle sind
wieEinriesigesauto-
matisches Musik-
warenhaus, dessen
Schaufenster die
Novizenkonzerte der grotzen Städte,
vornehmlich Berlins, bilden. Das
Jnteresse des Publikums und der
Kritik geht in erster Linie auf die aus-
übenden Künstler, nicht auf die Kunst;
was Wunder, datz die Künstler wieder-
um geneigt sind, bei der Auswahl
ihrer Programme nicht ausschlietzlich
nach künstlerischen Grundsätzen vor-
zugehen. Die Zusammenstellung der
Programme ist einer der bedenklichsten
Punkte in unserm Konzertwesen- —
(Göhler sprach ja in den letzten
Hesten des Kunstwarts im einzelnen
davon.) Nicht daß zu wenig Gutes ge-
boten würde; aber die Anordnung

pflegt ohne Stilgefühl vorgenommen
zu werden, besonders an Liederabenden
sowie in solchen Konzerten, in denen
verschiedene Künstler sich mit ihren
Vorträgen ablösen. Da heitzt es nur,
recht viel Abwechslung ins Programm
bringen. Die ganze internationale
Musikgeschichte von den Altitalienern
bis zum letzten im Saale anwesenden
komponierenden Kritiker wird an
einem Abende athletisch durchhüpft.
Das Publikum soll ja jedesmal ge-
wonnen werden für den vortragenden
Künstler, der durchweg den Meisten
ein Fremder ist; also produziert er
sich in allen Gang-
arten, um eineAugen-
blicksbegeisterung
anzufeuern.Aufdiese
Weise wird das
Publikum immer
sensationssüchtiger
gemacht, — und sür
das Lebendigwerden
eines tieferen Werkes
schwindet die Atmo-
sphäre. Das sehlt
ja überhaupt unsern
meisten öffentlichen
Konzerten: Atmo-
sphäre. Es gibtAus-
nahmen,schöne Aus-
nahmen; die idealste
zeigen die Quartett-
abende Joachims. Das sind, ja wie soll
ich sagen, Familienfeste. Das Publikum
kennt sich, seitJahrzehnten; nicht persön-
lich, aber man siehtkeine störend fremden
Gesichter; man ist „unter sich". Man
fragt nicht, wie wohl der heutige Abend
gelingen werde; man kennt ja das
Quartett so genau, man kennt die
Werke, die vorgetragen werden sollen,
und sobald man nur die Jnstrumente
stimmen hört, ist der ganze Saal in
der rechten reinen Aufnahmestimmung
sür die Offenbarungen der Kunst.

Und nun Wolf! Seine Schöpfungen
sind ebenso intim wie die Quartette
eines Beethoven oder Brahms. Jhre
2. Märzhest ;yoo
 
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