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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 2.1906

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Zweites Heft (Februar 1906)
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Haupt, Albrecht: [Rezension von: Theobald Hofmann, Bauten des Herzog Federigo di Montefeltro als Erstwerke der Hochrenaissance]
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https://doi.org/10.11588/diglit.50012#0037

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Februar-Heft. Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

Schülern erscheinen mag. Gewiss — er war Weg-
weiser, ja Pfadfinder. Aber dies in seinen vor-
geschrittenen Werken überall ohne jene mächtig
vorbrechende Impulsivität, viel mehl’ mit einer un-
verkennbaren kühlen Berechnung, ja Aengstliclikeit,
die allen seinen römischen Werken etwas Aelt-
liches, wie gesagt, Lehrhaftes gibt.
G anz anders bei Peruzzi und Raffael, aber auch,
wie uns hier Hofmann klar belehrt, schon bei
Luciano da Laurana. Und da uns hier über-
zeugend klar dargetan wird, dass jene vollblütige
Breite und Grösse, jene sich selbst vornehm zu-
rückhaltende und doch mächtige rhythmische
Bewegung in der Ruhe, jenes wundervolle Ab-
wägen der Flächen und Nebeneinanderstellen vor-
sichtigst abgestimmter ausdrucksvollster Grössen
zuerst nicht nur, sondern auch sofort in völligst
klarer Ausprägung und Vollkommenheit sich im
urbinatischen Palasthofe findet, so müssen wir uns
wohl dahin belehren lassen, in Luciano, Raffael
und Peruzzi eine in sich völlig geschlossene Drei-
heit gleichstrebender Architekten zu sehen, die
keinen Vorläufer, einige bescheidene Mitgänger
und — leider — keinen Nachfolger fanden, in der
sich gleichwohl unser höchster Begriff von der
eigentlichen formalen Höhe der italienischen
Renaissancearchitektur greifbar verdichtet. Ich
sage -- formale Höhe; ich spreche vom Gewand,
vom Formentum. Nicht vom Gedanken. Der
bricht sich Bahn — in welchem Gewände es auch
sei. Und da bleibt die Peterskuppel unzweifelhaft
das eigentliche Gedankenziel der italienischen —
vielleicht der Renaissance überhaupt.
Aber nun unser Buch: Eine gründliche Reise
durch die urbinatischen Renaissance-Bauwerke seit
Federigo di Montefeltro bis zu ihren spätesten
Nachzüglern, durch alle Ecken des nicht unbe-
trächtlichen Herzogtums. Ausgehend von dem
Hauptwerke im Zentrum jener g-anzen Gruppe,
dem Herzogspalaste in Urbino. Das Vorzügliche
und Eigenartige ist an dem atlasartigen Werke,
dass wir alle diese Winkel und Ecken vom Mittel-
punkt aus im Bilde mit durchstreifen und durch-
suchen. Es ist eine Entdeckungsfahrt, bei der uns
der Autor nur die Anhaltspunkte und Dokumente
gibt und uns selber sehen, urteilen und schliessen
lässt. Eine neuartige, aber glänzende und heute
berechtigte Methode. Alles Material hat der Ver-
fasser uns zusammengebracht, in jede dunkle Ecke
hineingeleuchtet, uns jedes Bruchstück zusammen-
getragen und herbeigeschleppt, — und fragt am
Ende ruhig, ob dem nicht so sei, wie er die Sache
anschaue.
Insofern wirklich etwas Neues: der Autor
setzt uns durch ein in authentischster Form zu-

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sammengetragenes riesiges Material in den Stand
nicht nur selber zu sehen, sondern, etwa nachdem
man die ersten paar einleitenden richtunggebenden
Gedanken in sich aufgenommen hat, sich selber
aus dem beinah ungeheuren Material ein Schluss-
bild zu machen und dies dann am Ende mit dem
zuerst nicht ebenso leicht zu geniessenden Text des
Verfassers zu vergleichen und in Einklang zu
bringen. —
Diese Art lasse ich mir wohl gefallen: wenig
Schriftgelehrsamkeit; das ganze Material zu eigner
Beurteilung und Durcharbeitung ohne jede Lücke
dargeboten; und das, was der Verfasser hervor-
heben und als Ergebnis dieses Studiums gesichert
sehen möchte, in bescheidenster Weise nebenbei
vorgetragen.
In nicht unerfreulichem Gegensatz gegen jenes
Schriftgelehrtentum, das uns mit unendlichen Wort-
fluten und einigen Belegen erfreut, um zu irgend
einer Folgerung zu nötigen. Hier sind die Belege
vollzählig und möglichst im Original, d. h Licht-
bild gegeben; hie und da unterbrochen von höchst
geistvollen und frischen Skizzen des Verfassers, die
an der richtigen Stelle eintreten, da, wo durch
Auffassung am Gegenstände nichts zu fälschen
ist. —
Ich gehe auf den eigentlichen Gegenstand und
die Einzelheiten deshalb nicht weiter ein, weil die
ausserordentliche Bedeutung des urbinatischen
Palastes ja von lange her anerkannt ist. Seine
Beziehung zu Raffael und Peruzzi wird jedem
rasch einleuchten. Aber sonst ist auf das Buch
selber zu verweisen, welches, wie gesagt, uns den
Genuss einer raschen, höchst interessanten Infor-
mormationsreise durch die Renaissance-Bauwerke
im Urbinatischen reizvoll gewährt. —
Nur eines will ich noch beiläufig erwähnen: die
geschickte und anziehende Feststellung der Rolle,
die Francesco di Giorgio in Urbino als Nachfolger
des Luciano gespielt hat, und die sehr angenehme
Möglichkeit, die uns hier gegeben wird, seine etwas
schwächlicheren Werke, die offenbar von der „Früh-
renaissance“ sich nicht recht losmachen können,
da doch sein grosser und machtvoller Vorgänger
sie scheinbar vollständig überwunden hatte, von
denen dieses ganz Grossen zu unterscheiden.
Vor allem ist da von erfreulichem Interesse
der Vergleich zwischen den ja bekanntlich beinahe
identischen Palasthöfen von Urbino und Gubbio.
Die bisherigen wohl mehr kunsthistorisch ge-
bildeten Beurteiler dieser Architekturen haben ohne
weiteres aus der ausserordentlichen Verwandtschaft
der beiden Anlagen nicht ohne scheinbare Be-
rechtigung herausgelesen, dass sie das Werk eines
Meisters, des Luciano da Laurana sein müssten.
 
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