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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 2.1906

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Zwölftes Heft (Dezember 1906)
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Strzygowski, Josef: [Rezension von: Josef Zemp, Das Kloster St. Johann zu Münster in Graubünden]
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https://doi.org/10.11588/diglit.50012#0229

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MONATSHEFTE
DER KUNSTWISSENSCHAFTLICHEN LITERATUR

unter Mitwirkung vieler Kunstgelehrten herausgegeben von
Dr. Ernst Jaffe und Dr. Curt Sachs.

Zwölftes Heft, q Dezember 1906.



Deutsche Kunst.
Josef Zemp, Das Kloster St. Johann zu
Münster in Graubünden. Unter Mitwirkung
von Robert Dürrer. Kunstdenkmäler der
Schweiz, Mitt, der Schweiz. Ges. f. Erhal-
tung hist. Kunstdenkmäler. N. F. V und VI.
40 S. Text in Fol. mit 33 Abbildungen. Dazu
Tafel XXVI-XXXV.
Unter diesem bescheidenen Titel verbirgt sich
die Entdeckung eines kostbaren karolingischen
Schatzes: man denke nur, Zemp weist uns in dem
abgelegenen, nahe der österreichischen Grenze ge-
legenen Nebentale der Etsch, durch das der Weg
von Norden zur Adda, an den Comersee und Mai-
land führt, ein ganzes Nest von Denkmälern aus
der Zeit um das J. 800 nach. Dazu kommt, dass
es sich nicht um Miniaturen oder Metallschmuck
handelt: dafür haben wir ja Belege aus dieser Zeit
genug. Z. füllt vielmehr- mit seiner Publikation
gerade eine der allerempfindlichsten Lücken: er-
findet uns im Anschluss an Münster eine ganze
Gruppe von Kirchen desselben Grundrisses zu-
sammen, weist hier im Norden Skulpturen aus
karolingischer Zeit nach und, das wichtigste, er
beschert uns einen ganzen Zyklus karolingischer
Wandgemälde. Was die Auffindung von S. Maria
antiqua für die römische Archäologie, das wird von
nun ab Münster für die nordische Kunstforschung
des frühen Mittelalters sein, ein Mahnruf, die Ueber-
zeugungen des Unterzeichneten vom orientalischen
Ursprünge der christlichen Kunst des Abendlandes
endlich einmal gründlich ernst zu nehmen und sich
nicht länger um diese neue Erkenntnis herum-
zudrücken. Vor allem freue ich mich, in Zemp eine
so entschiedene Stimme gegen die Entstellung des
Aachener Domes zu gewinnen. Dort wird jetzt
wieder lustig darauf los restauriert. Und auf welcher
Basis! Z. meint S. 31: „Man hüte sich sehr, nach
der „Rekonstruktion“, die Giemen auf Tafel I (seiner
romanischen Wandmalereien der Rheinlande) ver-
öffentlicht, sich eine Vorstellung über das karo-
lingische Werk (das Mosaik der Kuppel) zu bilden.
Die Stillosigkeit der Zeichnung erinnert an die

Zeiten eines Garrucci — und der rekonstruierende
Zeichner hat sich nicht einmal durchwegs an den
Linienzug der Originalfragmente gehalten.“ Statt
Geld für Orientreisen von Künstlern ohne modern-
wissenschaftliche Vorbildung und die „Restauration“
des ehrwürdigen Münsters nach den in Salonik
und Konstantinopel gesammelten Motiven heraus-
zuwerfen, mögen die hartköpfigen Aachener Herren,
was sie haben, an Prof. Zemp ausliefern, damit er
das karolingische Kloster in Graubünden erschöpfend
untersuchen kann. Denn was die vorliegende
Publikation bietet, das sind zunächst lediglich Dinge,
die ohne Ausgrabungen und ohne Abheben der
Tünche von den ganz mit Gemälden überdeckten
Wänden festzustellen waren. Wir stehen also erst
am Anfänge.
Ich gebe hier eine kurze Inhaltsangabe und
verweise für Einzelheiten auf meine eingehendere
Kritik im ersten Hefte der Byzantinischen Zeit-
schrift 190 7; man wird sich dort überzeugen können,
dass Zemps entwicklungsgeschichtliche Erkennt-
nisse noch weit mehr in mein Fahrwasser ein-
münden, als er selbst annahm. — In der Einführung
beschreibt Z. das an sich sehr bescheidene Kloster.
Dann führt Dürrer dessen Geschichte vor und zeigt,
dass Münster, das alte Monasterium Tuberis, vor
80& entstanden sein müsse. Z. selbst führt dann
wieder die Reste ornamentaler Skulpturen vor, die
mit den bekannten langobardischen in Italien über-
einstimmen, dazu aber Motive zeigen, die dort nicht
vorkommen. Im folgenden Abschnitte behandelt
Z. die karolingischen Bauten. Er zeigt uns die ein-
schiffige Kirche mit ihren drei hufeisenförmigen
Apsiden und dem Blendarkaden-Schmuck des
Aeusseren, geht dann auf die verwandten Bauten
in Disentis, Müstail, Wimmis u. s. f. über und be-
trachtet die eigenartige Fensterbildung neben der-
jenigen der Reichenau. Er hätte auch die Roccel-
letta di Squillace heranziehen können (vgl. Zeit-
schrift für Bauwesen LV ff.). Dann erst kommt die
Hauptsache, die Vorführung der karolingischen
Wandgemälde. Sie sind in vier Lichtdruck- und
zwei Farbentafeln abgebildet. Die Kirche ist seit
1499 gotisch eingewölbt. Darüber nun im Dunkel
 
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