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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 2.1906

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Zweites Heft (Februar 1906)
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Haupt, Albrecht: [Rezension von: Theobald Hofmann, Bauten des Herzog Federigo di Montefeltro als Erstwerke der Hochrenaissance]
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Gronau, Georg: [Rezension von: Klassiker der Kunst in Gesamt-Ausgaben, Band III: Tizian]
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https://doi.org/10.11588/diglit.50012#0038

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30

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

Februar-Heft.

Jedenfalls kaum mit Recht. Der Hof zu Urbino
ist der ältere, unverkennbar auch der grossartigere
und formal reifere. Ein Unikum in seiner Zeit. Die
breite Fläche des kaum vortretenden Palastes, die
vornehme Ruhe der fast über-einfachen Fenster-
architektur dazwischen, der massige Ernst der
glatten, weich-breiten Komposita-Säulen der Halle
darunter sind in ihrer vollendeten Grösse ein
Fertiges, ein „Ding an sich“ in der Architektur,
offenbar hervorgewachsen in einem Gusse, in einem
Geist und Wollen. -
Und nun kommt ein neuer Palast wenige
Jahre später, der sich in seinen Hauptteilen als die
Nachahmung jenes älteren erweist, aber überall
schwächlicher, zierlicher und geistig eher der dort
eben erst überwundenen Art zugehörig, die Wand-
Pilaster im Kapitell ängstlicher, die einfache
Fensterarchitektur dafür mit Pilastern bereichert,
doch ohne dabei ebenso kraftvoll zu wirken, die
untere Säulenhalle weit weniger markig, — zum
Letzten die etwas verzwickte Eckpfeiler-Lösung
völlig getreu kopiert. Da ist der Schluss wohl
gerechtfertigt: eine befohlene und gewollte Nach-
ahmung und einige geglaubte Verfeinerungen, d. h.
Abschwächungen eines in sich abgeschlossenen
Original-Werkes, aber kein solches! Also auch
keinesfalls das Werk des ersten Alt-Meisters, der
das zweite gewiss in gleichem Sinne als ein Neues
aus dem ersten, nicht weniger bedeutend, ent-
wickelt oder eine fernere neue künstlerische Idee
verdichtet haben würde. Aber wie könnte er sich
selber ins Schwächlichere, Aeltere und Befangenere
zurückverbessert haben. —
Dies nebenbei zur Charakterisierung des
Hofmannschen Werkes und seiner Beweisführung.
Denn auch hier führt er sie mehr mit Bildern,
als mit Worten; gibt eben nur das Notwendige zu
eigenem Urteil.
Abei' so sei mir nochmals gestattet, darauf hin-
zu weisen , wie gebieterisch der heutige Stand
unseres kunstgeschichtlichen Wissens es erfordert,
endlich mit der schematischen Schachtel-Einteilung
unserer Kunstgeschichte aufzuräumen; endlich die
nur zu elementaren Schulz wecken errichteten
Scheidewände einzureissen, die die künstlich kon-
struierten „Stile“ von einander trennen. Wer uns
einst selbst von den lastend gewordenen Begriffen
„Gotik“, „Renaissance“ u. s. w. befreit, wer uns
klar macht, dass’Kunst nur die Blüte einer Zeit,
eines Volksstammes und seiner Entwickelungsphasen
ist, wer jene Schulbegriffe endlich tötet, der wird
unser Befreier auf diesem Gebiete sein.
Und Hofmanns Buch mit seiner Beweisführung
für die falsche Grenzbestimmung der seitherigen
„Hochrenaissance“ beweist uns mehr: vor allem,

dass es keine wirkliche geoffenbarte „Hoch-
renaissance“ gibt, sondern dass die Werke der
Kunst erwachsen wie die Blumen auf dem Felde
und im Garten der Menschheit, und nur in ähn-
lichem Sinne verstanden und genossen werden
dürfen. Aber es wird eine grosse Tat sein, wenn
man diesen Blumengarten endlich von der seit-
herigen Botanik befreit.
Albrecht Haupt
Klassiker der Kunst in Gesamt-Ausgaben.
Bd. III. Tizian. Mit einer Einleitung von
Oskar Fische!. 2. Auflage. Stuttgart und
Leipzig. Deutsche Verl.-Anst., 1906. M. 6, —.
Mit aufrichtiger Freude darf man es begrüssen,
dass von den Publikationen der „Klassiker der
Kunst“ in kürzester Zeit Neuauflagen haben ver-
anstaltet werden können. „Tizian“ erschien vor
erst zwei Jahren zum erstenmal; eben jetzt wird
die zweite Auflage vorgelegt; das ist der beste
Beweis, wie sehr die Verlags-Anstalt mit dieser
Art von Publikationen das Rechte getroffen hat.
Die Zahl der Abbildungen ist um die statt-
liche Zahl von dreissig vermehrt worden. Einen
Teil derselben bilden sehr dankenswerte Detail-
Aufnahmen besonders berühmter Gemälde. Dann
sind einige seltene Stücke, die in der früheren
Ausgabe fehlten, dazu gekommen: so die heilige
Familie in Bridgewater House, die vielleicht unter
allen Schöpfungen Tizians den Einfluss Palmas am
stärksten zeigt, die männlichen Bildnisse in Hamp-
toncourt in Trient und beim Grafen von Huescar
in Madrid (alba), bei Mr. Wernher in London und
beim Minister von Dirksen in Berlin, endlich —
sehr dankenswert — das nie reproduzierte Bild in
Pieve di Cadore, aus der Spätzeit des Meisters und
wohl nur unter seiner Aufsicht gemalt.
Ausserdem sind mehrere Zeichnungen und
Holzschnitte dazu gekommen; nicht wenige Re-
produktionen sind wesentlich grösser und besser,
als in der ersten Auflage.
Die inhaltreiche und geschmackvolle Einleitung
von Oskar Fischei ist unverändert geblieben, da-
gegen sind die Erläuterungen zum Teil umge-
arbeitet und durch zahlreiche, wesentlich kritische
Noten bereichert. Und auch in der Anordnung
des Materials wird man gern eine durchgängige
Verbesserung beobachten. Manches ist aus der
Gruppe der Originale richtig in die zweite Abtei-
lung der Werkstattbilder verwiesen worden, wo es
hingehört. Die chronologische Gruppierung ist
jetzt gewiss viel richtiger, als sie es zuvor war.
Für eine Neu-Auflage, die hoffentlich wiederum
nach zwei Jahren nötig sein wird, möchte ich Vor-
schlägen, die sog. Caterina Cornaro der a Uffizien
 
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