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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 2.1906

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Zehntes Heft (Oktober 1906)
DOI article:
Singer, Hans Wolfgang: [Rezension von: Samuel Isham, The History of American Painting]
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Michel, Hermann: [Rezension von: Jakob Caro, Vorträge und Essays]
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https://doi.org/10.11588/diglit.50012#0194

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186

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

Oktober-Heft.

die Würde, die ihm seine eigene Arbeit verleihen
sollte, gewonnen, Die Maler, die jetzt entstanden,
versorgten nicht etwa den Bedarf, den eine vor-
nehme Welt stellte. Diese gab es nicht. Die
meisten der jetzt auftretenden Maler waren ur-
sprünglich Wagenlackierer, Anstreicher, Schilder-
maler gewesen und hatten sich ganz allmählich zu-
nächst zu dem herausgearbeitet, was auch der Mann
aus dem Volke braucht, zu dem Bildnismaler nämlich;
sie wandten sich darauf nur mit grosser Zurück-
haltung auch den anderen Gebieten der Kunst zu.
Diese Künstler blieben national: besuchten sie auch
Europa, so verweilten sie doch nur verhältnis-
mässig kurze Zeit dort und brachten eher Aeusser-
lichkeiten als etwas anderes von dort zurück, so
z. B. den Wunsch, Künstlergenossenschaften und
Akademien zu gründen. Eine ruhige Entwicklung
stand bevor, aber sie wurde jäh unterbrochen durch
den langen Bürgerkrieg, sodass man eigentlich
sagen müsste, die Kunst wäre national geblieben.
Dass der Bürgerkrieg auf die ganze Dauer seines
Bestehens die Kunstübung lahmlegte, war eigent-
lich das kleinere Uebel, was ei' mit sich brachte.
Wie bei uns 1870—71, so verursachte die grosse
Umwälzung dort ein jähes Emporschnellen des
Volkswohlstandes. Auf einmal war, wie ein Pilz
aus der Erde geschossen, ein äusserst kaufkräftiges
Publikum da, dessen Ansprüchen der Entwicklungs-
stand der heimischen Malerei nicht nur überhaupt
nicht gewachsen war, das überdies vermöge seiner
Geldmacht die europäische Kunst vollauf kannte.
Natürlich deckte es seinen Luxusbedarf in Europa
und es blieb den Trägern der heimischen Kunst
nichts anderes übrig, als selbst nach Europa zu
wandern, um so schnell als möglich dasjenige zu
erlernen, was der kaufende Amerikaner dort suchte.
So kam es, dass die Geschichte der „amerikanischen
Kunst ihr düsseldorfer Kapitel, ihr münchener, ihr
holländisches Kapitel, vor allem ihr pariser und
zuletzt auch ihr londoner Kapitel erhielt. Da aber
ein jeder, dem es gelang, sich in diesen Zentren
einen Ruf zu gründen, der den amerikanischen
Käufer anzog, sich dort bald recht heimisch fühlte,
so blieb er natürlich auch dort. Allein schon die
Eitelkeit der Käufer verleitete ihn dazu, denn auch
in Amerika wie anderswo erachtete man das aus
der Ferne geholte für schätzenswerter’ als das,
was man nahebei haben konnte, und ein Maler,
der zurück nach Amerika gegangen wäre, hätte
nur an Ansehen einbüssen können. Mit einer
nationalen Kunst also wurde es wieder nichts.
Heute erst fangen endlich die Anzeigen einer
solchen an, dank des Umstandes, dass in dem Laufe
des letzten Jahrzehnts dort, wie überall, das National-
gefühl sich bis ins Krankhafte gesteigert hat. Im

20. Jahrhundert hat der wundervolle Satz auf-
wärtsstrebender Zeiten und Völker: „Der Prophet
gilt nichts im eigenen Vaterlande“ mit seinem be-
deutsamen Grundgedanken seine Kraft verloren.
Den Blick nach einem hohen und daher auch räum-
lich entfernt hegend geträumten Ziel hat die selbst-
gefällige, denkschwache Eigenliebe verdrängt.
Isham geht natürlich auf alle die amerika-
nischen Malerkolonien in den europäischen Kunst-
städten ein und behandelt die Abbey, Duveneck,
Sargent, Harrison, Whistler ausführlich. Wenn
diese Teile seiner Arbeit auch nicht tiefgehender
und wesentlich besser als die vorhergehenden sind,
so sind sie doch um vieles lesbarer und an und
für sich schon interessant, weil er eben von wirk-
lichen Zeitgenossen handelt, weil er also viel Material
leicht zusammenbringen konnte. Merkwürdiger-
weise scheint er aber gerade den wirklich heimischen
Künstlern nicht genügend scharf nachgegangen
zu sein. Sonst hätte er doch Farney behandeln
müssen, der wenigstens den ehrlichen Versuch ge-
macht hat, in seinem Stoffkreis eine nationale
Note — nicht ohne Geschick — anzuschlagen.
Wie er, fehlt auch Elisabeth Nourse im Register.
Alles in allem also ein Buch, für das wir
dankbar sein müssen, weil es uns ja viel des Tat-
sächlichen bietet, aber lange keine einwandfreie,
geschweige denn annähernd abschliessende Be-
handlung des schwierigen Themas, das in stolzer
Fassung auf seinem Titelblatt prangt.
Hans W. Singer

Allgemeines.
Jakob Caro: Vorträge und Essays. Gotha
1906, F. A. Perthes. V, 202 S. 8". Preis 3 Mk.
Zwei von diesen aus dem Nachlass des Bres-
lauer Historikers Jakob Caro pietätvoll dar gebrachten
Vorträgen und Aufsätzen („Die bildende Kunst
und der Staat“, „Altnürnberg“) werden den Kunst-
historiker rein fachmässig interessieren, aber auch
die übrigen dürften ihn fesseln, sei es durch die
bunte Fülle ihres Inhalts, sei es durch den schim-
mernden Glanz ihrer Form. Denn Caro war nicht
nur ein ungewöhnlich vielseitiger und wissens-
reicher Gelehrter, sondern auch ein feinsinniger,
aesthetisch empfindender Schriftsteller, der alles,
was er schrieb, in ein geschmackvolles Gewand zu
kleiden liebte.
„Die bildende Kunst und der Staat“ — wie
nahe liegt dieses Thema, und doch, wie lange
hat er auf einen Bearbeiter warten müssen!
Lorenz von Stein ist nach Caro der erste
 
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