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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 2.1906

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Siebentes Heft (Juli 1906)
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Rauch, Christian: [Rezension von: Rudolf Wustmann - Albrecht Dürer, 97. Bändchen von "Aus Natur und Geisteswelt, Sammlung wissenschaftlich-gemeinverständlicher Darstellungen"]
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Wendland, Hans: [Rezension von: Berthold Daun, Siemering. Künstlermonographien]
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https://doi.org/10.11588/diglit.50012#0134

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126

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

Juli-Heft.

Die sonderbar anstössige Stelle auf S. 17 in der
sonst guten Beschreibung des Männerbades. Glaubt
der Verfasser wirklich, dass sich Dürer auf solche
Weise für die in Wohlgemuts Werkstatt erlittene
Unbill rächen wollte? Dann erscheint mir der
Vergleich der Dürerschen Barben, mit denen einer
„sauber bereiteten Mahlzeit“ (S.51) „aus gebratenem
Huhn, frischem grünen Salat und gemischtem
Kompot“ auf einer sonderbaren Verwechslung der
beiden Bedeutungen des Wortes Geschmack zu
beruhen. In der Wertung der malerisch farbigen
Qualitäten (er vergleicht Dürers Barben mit Böck-
lins!) verfällt W. überhaupt in denselben Behler,
in den die Mehrzahl der Dürerbiographen, Thau-
sing an der Spitze, verfallen ist. Dürers Grösse
liegt in seiner „Griffelkunst“ (deren Wesen, Mittel,
Aufgaben, Klinger uns in „Malerei und Zeichnung“
klargemacht hat), nicht in seiner Malerei, wenn
anders diese die künstlerische Ueberwindung von
Problemen der Barbe und des Lichtes be-
deutet: Darin sind ihm vor allem Grünewald, dann
Altdorfer, ja sogar Baldung überlegen. — So
stimmt auch keineswegs, was der Verfasser auf
Seite 99 bei Gelegenheit der Besprechung von
Dürers vier Aposteln sagt: „Wie zufällig und
flach sehen sämtliche Gestalten des 15, und 16.
Jahrhunderts aus, rings um sie in dem Saale des
Münchener Pinakothek, in dem sie hängen!“
Grünewalds Bild der Unterredung der Heiligen
Mauritius und Erasmus steht an malerischen Qua-
litäten in seiner prachtvollen, auf Gold gestimmten
kräftigen Barbigkeit, die aber doch in harmonischen
Akkorden zusammengesehn und weich modelliert
ist, weit höher. Was Dürer uns ist, ist er durch
Apokalyse und Marienleben, durch den Bitter, die
Melancholie und Hieronymus im Gehaus, nicht
durch diese m. E. immer wieder überschätzten,
kalt gekläubelten Apostel, die, rein plastische
Leistungen, noch dazu nicht einmal vollständig
aus Eigenem geschaffen sind; zuviel von dem, wo-
durch sie wirken, ist auf Bellinis Acker ge-
wachsen. Christian Bauch
Berthold Daun, Siemering. Künstlermono-
graphien. Mit 110 Abbildungen und einem
Titelbilde. Bielefeld und Leipzig. Verlag
von Velhagen und Klasing. 1906. M. 4,—.
Dieses Buch ist nicht gut. Ich habe nach Vor-
zügen gesucht und habe sie nicht gefunden.
Ein solches Buch hätte man sehr verschieden
schreiben können, je nachdem die eine oder andere
in der Sache liegende Aufgabe den Autor reizte.
Man soll eine Künstlermonographie noch nicht
wertlos nennen, weil der Verfasser den Entwicklungs-
gang des Künstlers nicht beachtet hat, vielleicht

lag ihm nur an einer genauen Wertung seines
Werkes im Verhältnis zur ganzen Kunst der Zeit.
Aber auch darüber wird nichts Sachliches in dieser
Monographie gesagt.
So bliebe noch eine schriftstellerische Leistung.
Und da dieses Buch in einem nicht zu billigenden
Deutsch geschrieben ist, so kann auch hier sein
Vorzug nicht liegen.
Nun gibt es gleichgültige Bücher. Zu ihnen
gehört diese Schrift nicht. Sie muss, vom histo-
rischen, vom ästhetischen und vom schriftstelle-
rischen Standpunkte aus betrachtet, eine merk-
würdige Erscheinung genannt werden.
Bei einer Monographie über einen zeitgenössischen
Künstler kann man zwar eine Teilung der Aufgabe
in eine historische und ästhetische nicht im Ernste
vornehmen, weil eben die künstlerische Leistung
erst durch ihren künstlerischen Wert dem Histo-
riker zum Baktum wird, die Darstellung also
bei einem solchen noch nicht oder wenig behan-
delten historischen Thema durch die ästhetische
Einsicht ganz und gar bestimmt wird, doch war es
sicherlich die Hauptaufgabe, Siemerings Stellung
zur Kunst seiner Väter, zur Kunst seiner Zeit und
zu unserer Kunst zu bestimmen. Und auf diese
Brage gibt der Verfasser keine falsche Antwort,
sondern überhaupt keine ernst zu nehmende
Antwort.
Siemering wird also isoliert betrachtet. Dies
wäre — wie schon gesagt —• noch zu verstehen
gewesen, wenn der künstlerische Werdegang die
Darstellung bestimmt hätte. Aber auch über den
künstlerischen Werdegang hat der Verfasser ge-
schwiegen.
Ich betone es ausdrücklich, dass ich nicht ge-
sagt habe, die Antworten auf diese Brägen seien
verkehrte; denn dann wäre der ästhetische Stand-
punkt des Verfassers zu diskutieren, und das ist
ein undankbares Geschäft; nein, mich wundert nur,
dass der Verfasser an diesen Brägen ganz vorbei-
gehen und doch eine Monographie zustande bringen
konnte.
Es wird in diesem Buche eine Arbeit nach der
anderen beschrieben und gelobt. Dazwischen
stehen Klagen über verunglückte Konkurrenzen,
die andere gewannen und deren Werke nun zur
Strafe neben Siemerings Entwürfen abgebildet sind.
Wenn der Verfasser zu bestimmen gehabt hätte,
so stände für Schapers Goethe, für Begas,
Schiller und Kaiser Wilhelm und für vieles andere
ein Siemeringsches Werk an ihrer Stelle. Und
damit streifen wir die ästhetischen Urteile des
Verfassers.
Ich möchte meine ablehnende Haltung nicht
begründen, sondern nur zwei Urteile anführen.
 
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