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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 2.1906

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Achtes/Neuntes Heft (August/September 1906)
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Schultze, Victor: [Rezension von: Josef Strzygowski, Die Miniaturen des serbischen Psalters der Kgl. Hof- und Staatsbibliothek in München]
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Popp, Hermann: [Rezension von: A. Schmarsow, Grundbegriffe der Kunstwissenschaft. Am Uebergang vom Altertum zum Mittelalter kritisch erörtert und in systematischem Zusammenhange dargestellt]
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https://doi.org/10.11588/diglit.50012#0162

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154

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur. Aug./Sept.-Heft.

ist. Das Wenige, mit dem sich ernsthaft rechnen
lässt, bleibt anch immer nur in grösserer oder ge-
ringerer Wahrscheinlichkeit. Es müsste aber ein
ganz anderes knnstgeschichtliches Beweismaterial
anfgeboten werden, um die allgemein geschicht-
lichen Schwierigkeiten, die auf diesem Wege liegen,
bei Seite zu schaffen. So verstehe ich nicht, warum
die aus dem Romane Barlaam und Joasaph ge-
flossene Szene für Syrien beweisen soll, da jener
Roman ein internationales Volksbuch war. Die
Apokryphenfrage ferner muss ganz ausscheiden.
Ob endlich die aus dem serbischen Psalter ge-
wonnene Vermutung eines syrischen Ursprungs des
Akathistos Hymnos Gläubige findet? Strzygowski
hat auch hier wieder seine einzigartige Detail-
kenntnis und seine glänzende Kombinationsgabe
bewährt, aber überzeugt hat er mich trotzdem
diesmal nicht. Ich sehe keinen Grund, den Psalter
aus der byzantinischen Gruppe auszuscheiden, um
so weniger, weil verarbeitete syrische Elemente
damit nicht ausgeschlossen werden. Als Ort der
Entstehung ist Strzygowski geneigt, das serbische
Kloster Chilandar auf dem Athos anzunehmen
„wegen der national - serbischen Züge, die in
einzelnen Bildern hervortreten“. Dort möge ein
syrischer Kodex in der vorliegenden Weise ver-
arbeitet sein. Ja, er glaubt, bestimmte Beziehungen
zu der Fürstenfamilie der Nemanjas feststellen
zu können. Wie man sich zu den Ergebnissen
Strzygowskis stellen mag, dankbar müssen wir ihm
sein für diese vortreffliche Ausgabe eines jedenfalls
wertvollen Werkes und für die anregenden Per-
spektiven, die er auch hier eröffnet.
Victor Schultze
o.
Aesthetik.
A. Schmarsow, Grundbegriffe der Kunst-
wissenschaft. Am Uebergang vom Altertum
zum Mittelalter kritisch erörtert und in
systematischem Zusammenhänge dar-
gestellt. Leipzig und Berlin, B. G. Teubner.
1905. IX, 350 SS. Mk. 10,-.
In der Abhängigkeit der Grundbegriffe der
Kunstwissenschaft von den jeweils herrschenden
Vorstellungen über Wesen und Natur der Kunst
und des künstlerischen Wirkens liegt der Grund
ihrer Schwankungen. Aus der Verschiebung dieser
Vorstellungen ergeben sich die Missverständnisse
und Widersprüche innerhalb der Kunstwissenschaft
und diese wiederum machen, sobald sie sich nicht
mehr mit den allgemeinen Vorstellungen vom Wesen
der Kunst decken, eine Revision jener Grundbegriffe
zur Notwendigkeit. Sie fordern jedoch gleichzeitig

auch eine Berichtigung der dialektischen Ausdrucks-
mittel, der gemeinsamen Terminologie, welche nur
zu oft das Zusammenarbeiten und die Verständi-
gung, selbst auf ein und demselben Gebiete ver-
hindert. Um sich hiervon zu überzeugen, braucht
man nur in neuzeitlichen kunstwissenschaftlichen
Werken zu vergleichen, in welcher Vieldeutigkeit
z. B. der Begriff „malerisch“ in Anwendung ge-
langt. Von welch verhängnisvoller Wirkung der
Mangel einer einheitlichen Terminologie in der
Kunstwissenschaft werden kann, das illustriert am
nachhaltigsten das von Schmarsow angeführte
Beispiel, nach welchem die durchaus missver-
standene Auffassung des in Sempers Definition
vom Kunstwerk gebrauchten Wortes „mechanisch“
zu jener Theorie führte, der zufolge das Kunstwerk
nichts anders sein soll, als „ein mechanisches Pro-
dukt aus Gebrauchszweck, Rohstoff und Technik“.
Diese Ueberlegungen haben Schmarsow veran-
lasst, eine Revision und Richtigstellung der gemein-
samen Terminologie und der Grundbegriffe der
Kunstwissenschaft vorzunehmen und somit das
unzureichende Rüstzeug der Archäologie und der
neueren Kunsthistorie zu ergänzen, deren Gegen-
sätze sich am schärfsten in der Epoche des Ueber-
gangs vom Altertum zum Mittelalter aussprechen.
Die Epoche der spätantiken und frühchristlichen
Kunst ist es denn auch, auf welche Schmarsow
seine Darlegungen beschränkt. Mag auch die Wahl
eines solch bedingten Schauplatzes für die Klar-
legung prinzipieller Dinge und für allgemeine theo-
retische Zwecke Anlass zu Bedenken geben hin-
sichtlich der Vollständigkeit und erschöpfenden
Behandlung der aus verschiedenen Gebieten stam-
menden Grundanschauungen, so ist andererseits
nicht zu verkennen, dass solcher Verzicht auf Voll-
ständigkeit der Erscheinungen und der begrifflich
denkbaren Möglichkeiten, gegenüber den dadurch
gesicherten Vorzügen gar nicht in Frage kommt.
Diese Vorzüge, nämlich die konkrete Bestimmtheit
und der durch die nämliche Zeit bedingte, gleich-
artige Charakter der Beispiele, sowie die scheinbare
Gegensätzlichkeit finden sich eben in seltenem
Maasse in der Uebergangszeit vom Altertum zum
Mittelalter.
Schmarsow versucht nun an dieser Zeit die
Grundbegriffe der Kunstwissenschaft zu bewähren
und nimmt bei deren kritischer Erörterung seinen
Ausgangspunkt von Alois Riegls grossangelegtem,
der Behandlung bedeutender prinzipieller Fragen
gewidmetem Werke über die „spätrömische Kunst-
industrie“. Dadurch wird sein eigenes Werk in
der Hauptsache zur Kritik der von Riegl nieder-
gelegten Anschauungen und Prinzipien. Diese
sucht er nun, immer im Hinblick darauf, dass es
 
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