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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 2.1906

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Fünftes Heft (Mai 1906)
DOI Artikel:
Sachs, Curt: [Rezension von: Arthur Weese, Renaissance-Probleme]
DOI Artikel:
Schubring, Paul: [Rezension von: Willy Pastor, Donatello (Aus: Die Kunst, herausgegeben von R. Muther)]
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https://doi.org/10.11588/diglit.50012#0096

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88

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

Mai-Heft.

ehe costoro havea facto una mostra de una
figura a olio in muro ehe era una bella cossa, de
sorta ehe persona alcuna non guarderia piü le
camere ehe ha facto Raphaello; ehe questa salla
stupefaria ogni cossa, et ehe non sarä la piü bella
opera facta da li antichi in qua de pictura“.*)
Die Beispiele liessen sich häufen. Und was die
Atelierträume anlangt, so genügt ein Hinweis auf
das Julius-Grabmal, um zu zeigen, dass der
Idealismus selbst der Grössten an dem „harten
Muss finanzieller Rücksicht" brach.
Wenn nun Weese den Entwicklungsgang der
quattrocentistischen Kunst zeichnet, so glaube ich,
dass er den Gegensatz zwischen Naturalismus und
Idealismus, zwischen Donatello und Masaccio, viel
zu schroff hinstellt. Ich meine, dass wir heute
gerade in der Kenntnis der italienischen Früh-
renaissance weit genug sind, um einer solchen
misslichen Etikettierung entraten zu können, die
doch immer nur ein erstes Hilfsmittel zur Klärung
sein darf. In der Tat scheint mir der Unterschied
zwischen beiden Schulen kein so tiefgreifender zu
sein, und die „Stilisten" haben von Anfang an
nicht jede Konkurrenz mit der Wirklichkeit ver-
mieden, sondern sich im Gegenteil genau wie die
„Naturalisten“ mit den ernstesten Naturstudien
befasst und zwar alle, die überhaupt in Betracht
kommen, was ja Weese auch garnicht verkennt,
indem er die vielen „Vermittelungsversuche“ er-
wähnt. Und so bin ich nicht der Meinung, dass
Lionardo als Doppelnatur, als Künstler und Ge-
lehrter, „das Kind einer neuen Zeit" ist. Er ist
eben nur ungleich bedeutender als Paolo Uccello,
und schliesslich hat die „neue Zeit“ eben auch
nicht seinesgleichen hervorgebracht. Vor allem
aber, Weese gibt ja selbst zu, dass Lionardo auch
nicht die Lösung des Problems gefunden hat, dass auch
beiihm der alte Dualismus offen bleibt. Aber wie nun
Weese die Frage erörtert: „Warum hat Lionardo,
an geistiger Potenz der wirkliche Uebermensch der
Renaissance, die problematischen Symptome einer
Halbnatur?“ ist eine der wundervollsten Stellen
in der gesamten neueren Kunstliteratur überhaupt.
Der schliessliche Gewinn des Ringens Lionardos
ist, wenn ich Weese recht verstehe, die kongeniale
Stellung des Menschen der Natur gegenüber. Nach
der Naturbewunderung die Naturbeherrschung: Stil.
Doch jetzt, bei der Hochrenaissance angelangt,
wird Weese wiederum sehr einseitig und schroff.
Wieso z. B. ist „der erzählerische Ton, dekorative
Neigung, Vorliebe für das Genre, heitere Sorg-
losigkeit der Stimmung“ speziell quattrocentistisch ?
*) Les Correspondants de Michel-Ange I, ed.
Milanesi, Paris 1890, p. 6 f.

Wie würde dann Weese wohl die vatikanischen
Loggien und die Farnesina charakterisieren, und
wie könnte er sich den bedeutenden Einfluss der
eben entdeckten pompejanischen Grottesken auf
das Cinquecento erklären? Noch einmal: es ist
heute nicht mehr nötig, den Gegensatz zwischen
beiden Jahrhunderten zu betonen und zu ver-
schärfen. Das ist seit 50 Jahren oft geschehen;
die Forschung ist heute reif genug, um die saubere
Einschachtelung entbehren zu können. Aber der
Einzelerscheinung wird Weese vollauf gerecht.
Seine Ausführungen über das Drama Michelangelo
sind prächtig. Die Tragik liegt darin, dass „für
ungeheure Pläne auch ungeheure Kräfte zur Ver-
fügung standen“ und dass der „Zufall“ die Er-
füllung verhindert hat. Sollte man nicht danach
doch etwas vorsichtiger über den „ungeheueren
Willen“ der Renaissance denken? Ich möchte
glauben, dass nicht Projekte die Grösse einer Zeit
ausmachen, sondern die allen beteiligten Faktoren
innewohnende Kraft, sie zur V ollen düng zu bringen.
Ob nicht doch ein gut Teil „Träumerei“ auch in
jener Zeit vorliegt?
Jeder Satz Weeses rollt Probleme auf, jeder
Satz widerspricht mindestens einem andern, und
doch — ein selten feines Buch.
Curt Sachs
Willy Pastor, Donatello. (Aus: Die Kunst,
herausgegeben von R. Muther.) Berlin,
Bard, Marquardt. Ohne Jahr. 100 Seiten.
1 Heliogravüre, 14 Vollbilder in Ton-
ätzung. Mk. 1,25.
Diese Schrift ist ein unveränderter Wieder-
ab druck der 1892 bei Trenckmann in Giessen er-
schienenen „evolutionistischen Untersuchung auf
kunsthistorischem Gebiet“ des Verfassers, ohne dass
dies mit einem Wort zugestanden wurde. Vielmehr
versucht der von der Verlagsbuchhandlung (!) be-
arbeitete bibliographische Anhang diesen Ana-
chronismus zu verschleiern. Der Verlag hat damit
seinem Autor einen schlechten Dienst erwiesen.
Denn diese Literaturliste stellt ganz sauber alle
die Bücher zusammen, die der Verfasser nicht
benutzt hat, weil er dieses Büchlein schon vor
14 Jahren geschrieben hat.
Damals war die Untersuchung nicht wertlos,
trotz ihrer absprech en den Werturteile über Donatello.
Dass derVerlag diesen heimlichenWieder ab druck
besorgt hat, ist schwer zu verstehen. Denn auch
dem Unbefangensten muss bekannt sein, dass in
den letzten 14 Jahren gründlich über Donatello
gearbeitet worden ist und es daher nicht von Wert
sein kann, ein altes, möglichst absprechendes Urteil
aufs neue zu verbreiten. Paul Schub ring
 
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