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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 2.1906

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Viertes Heft (April 1906)
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Jaffé, Ernst: [Rezension von: Max Semrau, Gedächtnisrede auf Adolph von Menzel - Paul Meyerheim, Adolf Menzel. Erinnerungen - Julius Meier-Gräfe, Der junge Menzel]
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Waetzoldt, Wilhelm: [Rezension von: Adolf Grabowsky, Der Kampf um Boecklin - Ernst Schur, Der Fall Meier-Gräfe]
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https://doi.org/10.11588/diglit.50012#0076

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68

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

April-Heft.

vor der Schlacht bei Leuthen), der Atelier wände
und der Rüstungen kommt, steht er sicherlich
nicht allein. Es fragt sich nm-, ob der Weg, der
ihn dahin geführt hat, der geradeste war. Immer-
hin gewährt es eine Befriedigung, ihm zu folgen.
Weniger genussreich ist seine Auseinandersetzung
mit einem deutlich gekennzeichneten Gegner. Denn
wenn diese recht ausführlichen Angriffe und Ver-
teidigungen auch mit grosser Kunst in das Ganze
hineingearbeitet sind, so weiss man doch nicht
recht, was sie mit dem jungen Menzel zu tun
haben.
Sehr interessant ist die ausführliche Darlegung
der Beziehungen Menzels zu Constable, die ja
Tschudi als Erster nachgewiesen hat. Wenn
Meier-Gräfe auch eine Einwirkung Manets auf
Menzel annimmt, so wird ei' damit manchem
Widerspruch begegnen. Weit schwieriger und
auch wichtiger ist das Problem der Schaffensart
Menzels. Wie konnte der Maler des Balkon-
zimmers es bei anderen Bildern so ganz in der Farbe
verfehlen, wie von diesem künstlerischen Hochstand
auf die Stufe des trocknen Berichterstatters hinab-
steigen? Woher kommt es überhaupt, dass gerade
in der Darstellung des altvertrauten oder des un-
belebten Menzel das grösste gibt? Auf alle diese
Fragen versueht Meier-Gräfe deutlich und klar zu
antworten und er kommt dabei in seiner gekannten
Art zu umfassenden ästhetischen Darlegungen, die
viel überzeugendes an sich haben.
Ob ihm freilich noch viele folgen werden,
wenn er zum Schluss Menzel verurteilt, weil er
seiner künstlerischen Ueberzeugung nicht treu ge-
blieben sei, erscheint sehr fraglich. Dass Menzel
den Wünschen des Publikums Konzessionen ge-
macht haben soll, wird nicht bewiesen, und dass
er sich gegen seinen W'misch mit den Friedrichs-
bildern beschäftigt haben soll, dem widerspricht
Menzel selbst, der es sich ja gerade als junger
Mann sehnlichst wünschte, nur einmal so glück-
lich zu werden, aus dieser Zeit einen Cyklus
grosser historischer Bilder malen zu können. Der
schwere Vorwurf also, dass Menze] von seiner
früheren Bahn abgegangen sei, weil „die Schwä-
chung des Künstlers Menzel dem Bürger Menzel
vorteilhaft oder mindestens bequem erschien,“
müsste von Meier-Gräfe doch noch bewiesen
werden, dagegen wird man ihm recht geben müssen,
wenn er die künstlerischen Grosstaten dieses langen
arbeitsreichen Lebens dem jungen Menzel zuweist.
So spricht auch das unvollendete Leuthen-Bild von
der Tragödie eines Künstlerlebens, wie der Moses
Michel-Angelos. Aber während es bei dem grossen
Bildhauer die äusseren Verhältnisse waren, die den
schönsten Künstler träum nicht zur Reife kommen

liessen, war es bei Menzel doch wohl eine innere
Wandlung, ein Nachlassen der schöpferischen
Kräfte, eine Zunahme der registrierenden und
nacherzählenden, die eine Vollendung des Frag-
ments und eine Weiterentwickelung in auf stei-
gender Linie verhindert haben.
Ernst J a f f 6
Adolf Grabowsky: Der Kampf um Boecklin.
Berlin 1906. Verlag Siegfried Cronbach. XIII.
208 S. M. 2.50.
Ernst Schur: Der Fall Meier - Gräfe. Be-
trachtungen über die deutsche Kunst und
Kultur der Gegenwart. Selbstvlg. 124 S.‘M. 3.—.
Immer mehr wächst sich die Boecklin-Kontro-
verse aus einer sachlichen Diskussion ästhetischer
Probleme zu einem persönlichen Zanke aus zwischen
einigen Künstlern und Kunstschriftstellern.
Polemischen Charakter tragen auch die Bücher
Gr.’s und Sch.’s: sie richten sich gegen Meier-
Gräfes Angriffe auf Boecklin. Obwohl diese
Schriften also aus dem Streit des Tages entstanden,
in erster Linie den Tages-Interessen dienen, wollen
sie doch mehr bieten, neben dem Negativen auch
Positives. Gr. glaubt, eine „Schrift über Boecklin“,
Sch. „Betrachtungen über die deutsche Kunst und
Kultur der Gegenwart“ zu bringen.
Gr.’s Buch ist schlecht komponiert und schlecht
geschrieben. Ein Vorwort und einige „Bibliogra-
phische Vorbemerkungen“ gehen dem Hauptteile
voran. Die kurzen Sätze der Kritik, die Gr. der
Aufzählung der einzelnen Boecklin-Publikationen
mitgibt, leiden an einem unsachlichen Ton. So
wird z. B. Thode mit einem Hinweis auf seine
Heirat abgefertigt. Des Buches Hauptteil bringt
die Polemik gegen Meier-Gräfe, vermischt mit Aus-
führungen Gr.’s über einzelne Bilder Boecklins.
Was Gr. gegen Meier-Gräfe zu sagen hat, ist gut,
in seinen eigenen Bemerkungen über Boecklin findet
sich wenig Neues und Originelles. Manchmal wird
der Leser den Eindruck nicht los, als seien hier
ältere Galerie-Notizen ad hoc zusammengestellt
worden. Die erste „Beilage“ enthält eine „Auswahl
von Boecklin wort en“ und damit dasBeste desBuches.
Dieses Kapitel macht es auch noch brauchbar nach
Begrabung des Kriegsbeiles zwischen den Boecklin-
Kämpfern. Boecklins Aussprüche über Kunst sind
geschickt nach sachlichen Gesichtspunkten geordnet.
Eine Gegenüberstellung Boecklins und Martes’....
in der zweiten Beilage ist wohl nur angefügt, weil
sie eben einmal da war. lieber Fiedlers Marees-
Aufsatz geistig Hinausgehendes wird hier nicht
gesagt.
Sch.’s Büchlein kämpft gegen Meier - Gräfe
weniger mit den Waffen des Kunsthistorikers, als
 
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