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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 2.1906

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Zweites Heft (Februar 1906)
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Schapire, Rosa: [Rezension von: Carel van Mander, Das Leben der Niederländischen und Deutschen Maler]
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Haupt, Albrecht: [Rezension von: Theobald Hofmann, Bauten des Herzog Federigo di Montefeltro als Erstwerke der Hochrenaissance]
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https://doi.org/10.11588/diglit.50012#0036

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28

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

Februar-Heft.

hindert, den Genter Altar verkehrt zu beschreiben,
und reicht bis zu Peter Vlerick van Courtray und
Carei van Ypern; im Frühjahr 1906 wird der II
Band mit van Manders Biographie folgen. Floerke
hat auch einen dritten Band vorgesehen, der Kom-
mentare und Nachweise über bei van Mander
nicht erwähnte Bilder bringen wird.
Im XVI. Jahrhundert ist die Entwicklung in
den Niederlanden seltsame Wege gegangen. War
die Kunst im XV. streng national, so weicht sie
im XVI von der heimischen Tradition ab. Der
uralte Zug nach dem Süden erwacht in der Brust
der Niederländer, jenseits der Alpen glauben sie
ihr Heil zu finden, die charakteristische Wucht des
Ausdrucks und die stille Innigkeit wird preisge-
gegeben für die schöne Linie und als Römlinge,
gebrochen in ihrer besten Kraft, mit einer unge-
heuren Einbusse an koloristischem Vermögen,
kehren sie wieder, um mit erborgtem Pathos Dinge
zu erzählen, die ein Raffael, ein Michelangelo,
ein Tintoretto um soviel besser zu sagen wissen.
Nur zwei ganz grosse Künstler haben in den
Niederlanden im XVI Jahrhundert gelebt: Quinten
Massys und Pieter Brueghel d. ä. Für uns liegen
Welten zwischen Brueghel und Frans Floris; van
Mander, der ihnen zeitlich näher steht, urteilt
anders und ist voller Lob für den einen wie für
den anderen. Die grosse Einbusse, die den Nieder-
ländern durch Italien geworden ist, kommt ihm
nicht zum Bewusstsein. Aber vermag unsere hi-
storisch um soviel strenger geschulte Zeit genau zu
scheiden zwischen „Gut“ und „Böse“, zwischen
Eintagsfliegen und Blendern und den ganz Grossen,
die uns eine neue Schönheit offenbart haben im
XIX. Jahrhundert? Wir glauben es, aber wäre
dem wirklich so, wir würden es nicht immer er-
leben, dass selbst die Namen von Künstlern, die
ein Neuland entdeckt haben, für Generationen
verloren gehen. Genannt seien nur Philipp Otto
Runge und Caspar David Friedrich.
Rosa Schapire
o.
Italienische Kunst.
Theobald Hofmann. Bauten des Herzogs
Federigo di Montefeltro als Erstwerke der Hoch-
renaissance. Leipzig, Seemann & Co. Quer-
Fol. M. 100.
Ein sehr interessantes Buch, — nicht durch
seinen Titel, vielmehr durch seinen reichen In-
halt. Der in der Aufschrift angezeigte Zweck des
Ganzen, zu beweisen, dass die „Hochrenaissance“,
die man als abgeschlossene Stil-Epoche konstruierte

und etwa mit den Bauten Bramantes anfangen
liess, schon in Urbino mit den Werken des
Luciano da Laurana beginne, ist an sich wenig
wichtig. Denn wenn man jene Einteilung einst für
die Schule erfand, so geschah das einfach aus
einer gewissen Bequemlichkeit, und um eine bessere
Uebersichtlichkeit in die junge Kunstgeschicnuc
hineinzubringen. Und da war es das einfachste,
die Renaissance in Italien, wie es z. B. Lübke
machte, in drei Akte einzuteilen, Frührenaissance
(1420-1500), Hochrenaissanse (1500 — 1580) und
Barockstil (1580—1780). Das war gut für den An-
fang. Aber es mutet heute als etwas beinahe
Ueberflüssiges an, wenn ein so ernsthafter Arbeiter,
wie Hofmann, mit einem mächtigen Aufwand von
Mitteln, Arbeit und Belegen nachweisen will, dass
die Hochrenaissance nicht von 1500, sondern von 1470
angefangen werden müsse, weil sicher damals sich
im Urbinatischen Bauwerke erhoben, die dem
Geiste und dem Formalismus nach notwendig
zur Hochrenaissance gezählt werden sollten. Wenn
aber Lübke und Nachfolger ihre italienische
Renaissance einfach in drei Zeitepochen geteilt
hätten, 1) 1420—1500, 2) 1500 — 1580 und 3) 1580
bis 1780, unter Weglassung des Titels, dann wäre
das ganze umfangreiche Werk Hofmanns schein-
bar gegenstandslos geblieben. —
Zum Glück ist dem doch nicht so. Denn das
Buch dürfte für unsere heutige Auffassung viel
eher genannt werden: Bauten Federigo di Monte-
feltros die Quellen der Architektur Raffaels und
Peruzzis. Von einer inneren und künstlerischen
Verwandtschaft mit den Bauwerken Bramantes
kann ich nichts empfinden, wenn auch Bramante
in der Nähe von Urbino geboren und hundertmal
als der erste und begründende Meister der- „Hoch-
Renaissance“ gepriesen ist. Für mich wie viele
andere bleibt er in seiner Architektur immer ein
Ober-Italiener. Zunächst ein Meister der „Früh-
Renaissance“ und später ein mehr oder minder
etwas trockn er, ja öfters langweiliger Herr, dem
nichts fremder im Wesen ist, als die mächtige und
saftige Breite und Kraft, als die lebensvolle und
blutgeschwellte verhaltene Energie der Raff aelischen
und Peruzzischen Formengebung, die in der Tat in
Luciano da Laurana ihren eigentlichen Vater be-
sitzt. Wenn Bramante selbst wirklich längere Zeit
Bauführer des Luciano gewesen sein sollte, wie
Hofmann glaubt, so würde damit nur bewiesen
sein, dass er von diesem Meister gar wenig ange-
nommen habe, wohl weil er ihm im Grunde seines
Wesens durchaus fernstand. — Ich persönlich em-
pfinde in dem römischen Bramante stets etwas
Lehrhaftes, etwa wie das Wesen eines älteren
Professors in einer technischen Hochschule seinen
 
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