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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 2.1906

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Drittes Heft (März 1906)
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Schmitt, Franz Jacob: [Rezension von: Eugen Kranzbühler, Verschwundene Wormser Bauten. Beiträge zur Baugeschichte und Topographie der Stadt]
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https://doi.org/10.11588/diglit.50012#0054

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46

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

März-Heft.

aus der .Erbauungszeit von 1200, diese hat wohl
ein flaches Steindach hergestellt; denn wenn das
innere Zehneck ein mit dem massiven Gewölbe
innig verbundenes Steindach erhielt, so lag es
nahe, die gleiche feuersichere Konstruktion dem
Umgänge zu geben und mag hier nur an die
Quaderstein-Dächer der Abseiten des St. Stephans-
Domes in Metz, an die des Münster-Chorumganges
Unserer Lieben Frau zu Freiburg im Breisgau,
sowie an den Mailänder Metropolitan-Dom
St. Maria Nascenti und Thecla erinnert werden.
— Rasche Abführung des Regen- und Schnee-
wassers war den Meistern des Mittelalters eine
überaus wichtige Angelegenheit; das Ring-Sattel-
dach ist die nachträgliche Zutat späterer Zeit, sie
brachte aber dem "Wormser Bauwerke in ästheti-
scher und praktischer Hinsicht den denkbar grössten
Schaden. —
Seite 37 schreibt Dr. Kranzbühler: „An und
für sich ist eine Krypta unter einem Zentralbau
eine Seltenheit; die Michaelskirche in Fulda
besitzt eine Unterkirche, doch war sie nicht
Taufkirche.“ Aus Mothes Baukunst des Mittel-
alters in Italien Seite 286 entnehme, dass
Kloster Gerusalemme zu Bologna sein San Gio-
vanni battista di sotto und darüber San Giovanni
di sopra wohl seit 1019 hatte, später wurde
diese Doppelkapelle Santo Stefano sowie auch
del Crucifisso genannt und ist jetzt die Capella
Santa Maddalena. Die Benediktiner-Abtei St.
Salvator und Maria zu Werden an der Ruhr be-
sass in der ehemaligen Braunschweiger Univer-
sitätsstadt Helmstadt eine St. Ludgeri-Propstei,
und diese erbaute im romanischen Stile die jetzt
als Salzmagazin verwendete Doppelkapelle, deren
obere St. Johannes dem Täufer geweiht, also wohl
das Baptisterium war. —
Auf Seite 37 spricht weiter Dr. Kranzbühler
rein hypothetisch die Vermutung aus, dass die alte
bischhöfliche Hauptkirche sich im Zentralbaue
St. Johannes des Täufers befunden habe. Meine
Zustimmung vermag ich hierfür nicht zu geben,
möchte vielmehr darauf hinweisen, dass es in
Italien allgemein üblich, die Kathedrale als drei-
oder fünfschiffige Basilka und westlich davon das
Baptisterium als Rundbau aufzuführen; so ist es
zu Aquileja beim Patriarch al-Dome St. Herma-
gor und Fortunat, zu Pisa beim Metropolitan-
Dome St. Maria, zu Florenz beim Erzbischöflichen
Dome Santa Maria del Fiore, zu Pistoja beim
St. Marien-Dome, zu Parma bei der Kathedrale
Santa Maria Assunta, und diesem Bauprogramme
folgte auch im Jahre 968 der deutsche Kaiser
Otto der Grosse durch Errichtung seines Magde-

burger Domes St. Mauritius und Katharina als
kreuzförmige dreischiffige Säulen-Basilka mit der
im Westen davor liegenden zwölf eckigen Ecclesia
rotonda. — San Giovanni in Fonte befindet sich
isoliert als Achteck mit vier Conchen an der Nord-
seite der 5schiffigen St. Ursus-Kathedrale zu
Ravenna; in Brixen dauert an der Südseite des
Domkreuzganges die St. Johannes-Taufkapelle als
einschiffige gewölbte Anlage, sie war zugleich
Versammlungsplatz bei wichtigen Angelegenheiten,
so am 25. Juni 1080, wo die deutschen und lom-
bardischen Bischöfe, welche an der Seite Kaiser
Heinrichs IV. standen, den Papst absetzten und
an dessen Stelle Guibert von Ravenna wählten.
In Paris stand zur Linken der Westfront vom
Episcopal-Dome Notre-Dame das Baptisterium
Saint-Jean-le-Rond; auch in Marseiile wurde
nächst der alten Kathedrale St. Marie de la Major
ein Baptisterium des V. Jahrhunderts entdeckt.
Der von 923—973 regierende heilige Bischof
Ulrich von Augsburg errichtete 970 an der Süd-
seite des St. Marien-Domes sein Baptisterium
St. Johannes des Täufers; ohne stichhaltigen Grund
hat man, gleich Worms und Bonn, das interessante
Baudenkmal mutwilligerweise 1806 abgebrochen,
doch die Fundament-Mauern der kreuzförmigen
Anlage in der Neuzeit aufgefunden. —
Auf Seite 183 schreibt Dr. Kranzbühler: „Die
Dome von Mainz und Speyer haben Krypten;
lässt sich der Mangel beim Wormser Dome daraus
erklären, dass St. Johann eine Krypta besass?“
Der inmitten der freien Reichsstadt Worms auf
einer Anhöhe von Bischof Burkhard I. (1000 bis
1025) begonnene Neubau des St. Peters-Domes
hatte sicher planmässig seine Ostkrypta und
dürfte der im Jahre 1034 durch Bischof Azecho
zu Ehren St. Hippolytus und Nicomedis konsekrierte
Altar vielleicht in dieser Krypta gestanden haben.
Sie wurde beseitigt, als man im Laufe des XII.
Jahrhunderts aus ästhetischen Gründen die Ost-
concha, wie beim Münster Unserer Lieben Frau
zu Strassburg, rechtwinklig ummantelte; noch
heute liegt der Steinplattenboden vom St. Peters-
Ostchore zwei Meter über dem des 3 schiffigen
Langhauses, auch hat die auf der Evangelienseite
des Chores befindliche Silberkammer einen ge-
wölbten Unterraum, dessen Fussboden drei Meter
tiefer als der obere liegt. Nachgrabungen beim
Hochaltäre dürften die in Rede stehende Krypten-
frage leicht beantworten. — Schon durch das ab-
schüssige Terrain war beim Wormser St. Peters-
Dome die Ostkrypta ebenso veranlasst, wie bei der
Kathedrale St. Stephan in Metz, der Dom ge-
nannten Collegiat-Stiftskirche St. Maria in Erfurt
und dem Münster St. Stephan zu Alt-Breisach am
 
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