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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 2.1906

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Zehntes Heft (Oktober 1906)
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Frey, Karl: [Rezension von: Kunsthistorisches Institut Florenz (Hrsg.), Italienische Forschungen, Band 1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.50012#0192

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184

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

Oktober-Heft.

sich ein Vorzug — rechtfertigt kaum einen der-
artigen, immerhin kostspieligen Aufwand. Die
Untersuchungen hätten sich recht wohl in den
allgemein bekannten Zeitschriften unterbringen
lassen und dort ihren Platz behauptet. Hier aber,
im Zusammenhänge von dieser Stelle aus redigiert,
mit einer gewissen autoritativen Energie, als das
Ergebnis des jahrelang bereits bestehenden, nun-
mehr zum ersten Male wissenschaftlich geschlossen
auftretenden kunsthistorischen Institutes, — ja, da
hätte man doch etwas Anderes, Grösseres, Zusammen-
hängenderes, Notwendigeres erwartet. „Jedermann
gibt zuerst den guten Wein“ u. s. w. So aber
entsteht der Eindruck, und der muss die Absatz-
fähigkeit ungünstig beeinflussen, dass das minder
Bedeutende, mehr Gelegentliche, die Nachlese prä-
valieren, dass es an bestimmten Direktiven, an einer’
sicheren Arbeitsorganisation fehlt, und dass statt
neuer Pfade die alten längst begangenen wieder
beschritten werden. Gleich die erste Abhandlung
über Ghibertis Matthäusstatue ist der bis auf die
geringste Kleinigkeit vollständige und umständliche
Abdruck eines libro di pilastro im .Florentiner
Staatsarchive, aus dem bereits Baldinucci wesentliche
Auszüge mitgeteilt hatte. Die interessanteste und
dankenswerteste, auch in mehr als einer Hinsicht
(z. B. für das Studium des Kunstgewerbes) wichtige
Abhandlung ist aus dem Nachlasse des Dr. Gustav
Ludwig geflossen, jenes unermüdlich tätigen und
erfolgreichen Gelehrten, der sich die Erforschung
der venezianischen Kunst zur Lebensaufgabe ge-
macht und bereits eine Reihe höchst wertvoller
Studien veröffentlicht hatte. Seine archivalischen .
Sammlungen sind in den Besitz des kunsthistorischen
Institutes übergegangen und werden, wie Bode
im Nachruf an diesen bedeutenden, anspruchs-
losen, allzeit hilfsbereiten Forscher hervorhebt,
für eine Reihe von Jahren noch die Publikationen
des Institutes speisen.
Wenig zu loben ist die Art oder Technik der
Veröffentlichung. Sie erscheint zu willkürlich, in
das Belieben des Einzelnen gestellt. Kann und
darf auch bei der Edition von Archivalien sub-
jektives Ermessen nicht ganz ausgeschlossen
werden, so müssen doch andererseits gewisse
Normen zu Recht bestehen. Solche habe ich
vor Jahren bei Gelegenheit meiner Vasariaus-
gaben (II. 1887) aufgestellt. Sie sind damals ge-
prüft, diskutiert und gebilligt worden. Ob die
Redaktion des vorliegenden Bandes es der Mühe
für wert geachtet hat, zu ihnen, sei es pro oder
contra, Stellung zu nehmen, ist mir unbekannt;
sicher jedoch ist, dass sie hier keine Beachtung-
gefunden haben; vielmehr erklärt sie für ange-
messen und „natürlich, hierin den Geschichts-

forschern zu folgen und deren Grundsätze anzu-
nehmen“. Speziell „bei fraglichen Einzelheiten
wird man sich in dem „ Bericht über die dritte
Versammlung deutscher Historiker, 18. bis 21. April
1895 in Frankfurt am Main“, Rats erholen“. Pardon,
bei Editionen dieser Art hat nicht der Historiker
allein zu entscheiden, sondern auch der Philologe;
und dem „modernen“ Sprachgebrauch sind Konzes-
sionen nur insoweit zu machen, als es das Ver-
ständnis des Objektes absolut erfordert. Die Art,
wie diese Urkunden ediert sind, erachte ich für
unzulänglich. Es ist nicht nötig, sprachliche
und orthographische Eigentümlichkeiten einem
modernen Bequemlichkeitsbedürfnisse oder einem
modernen Volapük zu Liebe in wissenschaftlichen
Werken zu opfern, zumal wenn das Verständnis
nicht darunter leidet. Und vollends gegen die Art,
wie die auf die Matthäusstatue bezüglichen Urkunden
transkribiert und kommentiert sind, — ich muss
wieder diesen Artikel als Beispiel zitieren, — möchte
ich nachdrücklich Widerspruch erheben. Da list
man z. B. gleich zu Beginn des Aufsatzes: „Note
a) Bezüglich der Orthographie sei im allgemeinen
bemerkt, dass ct oft für tt steht, also tucte, socto,
Macteo, octone, quactro — tutte, sotto, Matteo,
ottone, quattro, und dass dem toskanischen Sprach-
gebrauch entsprechend c oft als ch erscheint, also
z. B. ciaschune, Francescho“. Oder: „stantia-
menti“ bedeutet im Sprachgebrauch der Zeit
Zahlungen resp. Zahlungsanweisungen“. Oder;
„ser ist Titel der Notare“. Oder: „Messer ist
Titel der Ritter“ (ungenau). Oder: „Arte hier und
stets im Manuskript im Sinne der Zunft“. Im
Texte steht einmal das Subjekt im Plural, das
Prädikat im Singular, was unendlich häufig und
nicht bloss in der alten Zeit oder in der Sprache
des Volkes vorkommt“. Dazu wird weise bemerkt:
„Genau genommen cominceranno und gleich darauf
debbano“ u. s. w. Da fragt man doch, welches
Publikum das kunsthistorische Institut bei seinen
Publikationen im Auge hat? Die Laien weiden
sich herzlich wenig darum kümmern. Wenn aber
für Gelehrte geschrieben wird, dann dürfte ein
Gymnasiastenstandpunkt nicht angebracht sein.
Alles in allem eine inhaltlich wie formal nicht
einwandfreie Veröffentlichung. Möchten doch in
den folgenden Bänden eine gewisse Grosszügigkeit
walten und wichtigere wissenschaftliche Probleme
in Angriff genommen werden. Und daran ist kein
Mangel, wie ich weiss, der ich die Florentiner und
römischen Verhältnisse seit 25 Jahren aus eigener
Anschauung kenne. Und sollte man in der Be-
ziehung in Verlegenheit sein, so bin ich gern be-
reit, für künftige archivalische Streifzüge Finger-
zeige zu geben. Karl Frey
 
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