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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 26.1916

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Heft 1
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Schäfer, Wilhelm: Wilhelm Steinhaufen zum siebzigsten Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.26490#0013

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Wilhelm Steinhaufen zum siebzigsten Geburtstag.
am 2. Februar Wilhelm Steinhaufen seinen siebzigsten Geburtstag feiert, wird ihm die Fülle der
H M Liebe ins HauS regnen; lind obwohl sie zumeist kirchlicher Herkunft ist, daran wird kein Zweifler etwas
ändern können, daß eine reine und selbständige Kunst Ursache und Veranlassung dieser Liebe war.
Wilhelm Slemhausen ist für daö Bewußtsein unseres Volkes ein religiöser Maler, lind zwar ist er dies im pro-
testantischen Sinn, weil er als Sohn eines evangelischen Pfarrers auö der Vorstellungöwelt deS Evangeliums malt.
Nicht die Madonna und die Heiligen — wie bei den alten deutschen Meistern — leben in seiner Darstellung, sondern
allein die Gestalten des Alten lind Neuen Testamentes, wie sie durch Luther als Grundlagen des evangelischen
Glaubens dem deutschen Volk geschenkt wurden.
Von dieser im veränderten Bekenntnis begründeteil Verschiebung des Gegenstandes abgesehen, stellt er in
Form und Wirkung seiner Kunst einen Meister im hohen Sinn deS deutschen Mittelalters dar; wie damals etwa
der kölnische Maler deS MarienlebenS den Gegenstand seiner Bilder nicht auö einer Neigung seiner besonderen Be-
anlagung wählte, sondern damit an die Wurzeln seines Daseins, an seinen Glauben ging, also Bekenntnisse seiner
religiösen Empfindung malte und sicher war, damit kein Mund in der Wüste sondern Sprache einer das ganze
Dasein des Volkes in seiner Zeit umfassenden Kultur zu sein: so stebt auch Wilhelm Steinhaufen heute in der
Einheit deö evangelischen Bekenntnisses kulturell gesicherter da als ziemlich alle seiner malenden Zeitgenossen. Denn
soweit wir unS auch geistig dem Mittelalter überlegen wissen mit all den kühnen Eroberungen deö Menschengeistes
seitdem, dies fühlen wir doch alle mehr oder weniger tief, daß wir seelisch eine Einbuße erlitten und daß wir nach der
Einheit der damaligen Kultur nur mit dem schmerzlichen Unbehagen zurückschauen können, diese Einheit für unsere
Kultur vermissen zu müssen. DaS ist natürlich nicht kirchlich gemeint und nichts soll dadurch weniger ausgedrückt
werden, als irgendwelche Sehnsucht nach einer Flucht in die Vergangenheit. Auch hieße eS den Kopf in den Sand
stecken, nach Goethe, Kant und Beethoven etwa der Hoffnung leben, wie cö die kirchlichen Kreise unentwegt tun —
daß irgend ein kirchliches Bekenntnis allen religiösen Bedürfnissen unserer Zeit genug zu tun und unS damit die Grund-
lage einer kulturellen Einheit zu geben vermöchte, sodaß eS also nur auf eine Sammlung der Gläubigen aus den:
Heer der Ungläubigen ankäme. Im Gegenteil stellt sich gerade auS einer solchen auf ein umfassendes religiöses
Ziel eingestellten Betrachtung für den besonderen Fall Steinhaufen die schmerzliche Erkenntnis ein, daß er wohl im
Rahmen deS evangelischen Bekenntnisses nach Form und Wirkung seiner Kunst einen Meister im hohen Sinne deö
deutschen Mittelalters darstellt, daß die kulturelle Einheit aber, auS der er schafft lind in der er wirkt, doch nur
eine Insel im Ozean deS modernen Lebens ist.
Damit wird aber daö Bedürfnis einer kulturellen Einheit, nach einer gemeinsamen religiösen Grundlage all
unterer seelischen Leistlingen, deren höchste und edelste eben doch die Kunst ist oder sein sollte, selber durchaus nicht

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