Wilhelm Steinhaufen.
Einsamer Baum.
erledigt; e6 bleibt als die Grundforderung unserer Kultur bestehen, und der grausame Krieg, in dem wir nun zum
zweitenmal das Fest der Liebe mit Torpedos und Minensprengungen zu feiern gezwungen waren, hat auch schwer-
hörige Ohren dafür geöffnet, daß die jüngst vergangene Zeit nut Kintopp und Variete als üppigen Blüten ibrcr
angeblichen Kultur fragwürdig geworden ist. So darf die Erfüllung, die der Maler Wilhelm Steinhaufen an seinem
siebzigsten Geburtstag aus der evangelischen Gemeinschaft erlebt, uns allen wohl eine Mahnung sein, ibn weder als
kirchlichen noch als evangelischen Sonderfall zu bewachten, sondern im Werk und in der Wirkung des Mannes nach
dein zu suchen, was auch uns anderen an ihm ein Hinweis und damit eine Stärkung sein könnte, die notwendige
Einheit unserer Kultur aller Oberflächlichkeit und Zerrissenheit unserer Tage zum Trotz zu suchen.
Hierfür kann uns die Seite seiner Kunst, die sich am weitesten von den Gestalten und Smnbolen des
evangelischen Bekenntnisses ins allgemein Menschliche vorwagt, natürlich am lehrreichsten sein, und nicht ohne Absicht
sind deshalb die Abbildungen dieses Heftes so ausgewäblt, daß sie den Zugang zu seiner Kunst von dieser Seite
aus zu nehmen anleitend sind. Ain unbestrittensten wird das natürlich von seinen Landschastsbildern gelten, in
denen gegenständlich nichts anderes vorkommt, als daß ein Mensch vor der Natur steht und ihre Schönheit in der
von seiner Ergriffenheit bestimmten Anschauung darzustcllen versucht. Worin diese Ergriffenheit besteht, das kommt
eben auf die Art des Menschen und die Neigung des Künstlers an: Der Impressionist wird unter Umständen vor
dem gleichen Objekt von einem besonderen Spiel der Farben und Reflexe entzückt sein, an dein ein anderer nur
den Reiz der linearen Bewegung sicht; beide werden demgemäß ihre Anschauung thematisch im Bilde aufzubauen
versuchen und der Wert ihres Bildes wird dann, bildtechmsch beurteilt, in der Konsequenz und Reinheit gesunden
werden müssen, mit der sie dieses von ihrer besonderen Anschauung eingegebene Thema durchführen. Irgendeine
„naturgetreue" Abmalung einer Landschaft — wie sich der Laie das gern verstellt — gibt cs also in der Kunst nicht:
der selbe Blick ins Neichenbachtal wird für zwanzig Künstler auch zwanzig verschiedene Bildvorwürse ergeben, und
zwar nach dem Maß verschieden, wie die künstlerische Anschauung der Maler verschieden ist.
Nun geht die Neigung unserer Zeit unbedingt dahin, die bildtechnische Seite der Kunst zu bevorzugen; nach
einein so tiefen Verfall der Kunst, wie wir ihn in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nut der törichten Ver-
irrung ins Gegenständliche bei den sogenannten Historien- und Genremalern erlebten (bei denen als Thema des
Bildes meist nur eine literarische Idee übrig genug, oft genug der seichtesten Art): ist diese Neigung ebenso ver-
ständlich, wie sie um einer Erneuerung der Kunst willen begrüßt werden muß. Immer, wenn die künstlerischen
Mittel blutleer geworden sind, tritt das ewige Heilmittel der Kämst, die Natur wieder in die Rechte; so haben wir
auch diesmal die Erneuerung des numerischen Handwerks aus dem Studium der Natur erlebt, und zwar in der
bestimmten Form des Impressionismus, den inan als ein Studium des farbigen Lichtes und seiner Reflere im
ganzen wohl nicht unrichtig umschreibt. Damit war eine neue bildtechnische Frage gestellt und eine malende Gene-
ration hat Ehrlichkeit und Geschmack bewundernswert darangesetzt, sie zu lösen. Wenn dann aber der sogenannte