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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 26.1916

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Heft 2
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Schäfer, Wilhelm: Die Jungmannschaft der rheinländischen Kunst: auf der Weihnachts-Ausstellung des Verbandes in Wiesbaden
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https://doi.org/10.11588/diglit.26490#0046

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Abb. 2.

Jos. Eberz: Beweinung.

sic werden in einen Kessel mit löcherigem Boden ge-
schüttet, daraus sie mit Hergeschwindigkeit abfließen,
zum weitaus größten Teil infolge der von unfern Feinden
beabsichtigten Aushungerung zwar wieder ins Volk
zurück, aber doch immerhin in andere Taschen. Der
Reichtum wechselt vielfach zu neuen Inhabern hinüber,
die den vaterländischen Jwang für sich zu nutzen be-
günstigt oder geschickt sind. Diese neuen Inhaber, könnte
man annehmen, stellten auch neue Käufer der Kunst dar;
da sich aber sonst der Reichtum nicht so rasch in Kunst
umsetzt, weil dazwischen immerhin kultureller Boden
liegt, muß dieser Umsatz noch einen besonderen Grund
haben.
Eine naheliegende Parallele kann uns helfen, ihn
zu finden: wie dem Kunsthandel geht es dem Geschäft in
Schmucksachen anscheinend garnicht übel und man kann
von Juwelieren hören, daß sic seit Jahren kein so glänzen-
des Geschäft gemacht hätten wie diesmal zu Weihnachten
und zwar in teuren Sachen. Ein echter Stein in goldener
Fassung ist zwar eine zinslose aber immerhin sichere
Kapitalanlage, solange nicht die Kosaken mit ihrem durch
eine „alte Gerechtigkeit" verbrieften Plünderungsrecht in
der Nähe sind; und da die Gefahr eines russischen wie
irgend sonst eines Einmarsches endgültig abgewcndet
scheint, anderseits ehemals begehrte Staatspapiere in
zinslose Ferne geraten oder fadenscheinig geworden sind,
kann man die Vorliebe für Juwelen schon verstehen. Das
ganze Verständnis — sagen einem die Finanzleute augen-
zwinkernd — ginge einem erst auf, wenn man die Steuer-
notwendigkeiten der nächsten Jukunft betrachte: Ein
Diamant-Diadem und eine bemalte Leinwand im Gold-

rahmen wären dem Griff der Steuerbehörde nicht so
zugänglich wie ein in seinem Zinsertrag berechenbares
Anleihepapier.
Wieweit hierbei Kurz- und Trugschlüsse im Spiel sind,
das können wir getrost dem Helfferich der neuen Steuer-
geburten überlassen. Uns kann an dieser Stelle nur
merkenswert sein, daß die Kunstwerke in solchen Gedanken-
gängen als das zur Geltung kommen, als was sie sich im
Kunsthandel bewährt haben: als Kapitalsanlagen, nicht
ganz so sicher im Wert wie Diamanten, aber dafür, wie
die Erfahrungen des Kunsthandels in den letzten Jahr-
zehnten zeigten, unter Umständen gewinnbringender als
das kühnste Spekulationspapier. Voraussetzung ist eben
nur, daß die Leinwand in Übereinstimmung mit diesem
sicheren gegenwärtigen und dem möglichen zukünftigen
Wert bemalt ist; und was vermöchte den besorgten In-
habern des neuen Reichtums dafür bessere Gewähr zu
geben als ein berühmter Name.
Damit sind wir an dem Punkt, wo sich der Wert oder
Unwert der gegenwärtigen Lebhaftigkeit im Kunsthandel
für unsere Künstler dartut; ein Liebermann, ein Leibl,
ein Menzel sind ihm durch die Kritik tausendmal verbriefte
Sicherheiten, eine Grcferath aber, ein Babberger oder-
gar ein Jtten, das sind Dunkelheiten eines Erdölwerkes in
Hannover oder eines halb finanzierten Patentes. Einem
Kunstkäufer, der sichere Anlagen sucht, bleiben die Ringen-
den gleichgültig; die sind auf die vorläufig schwankenden
Bewertungen des Geschmacks gestellt, und da augen-
scheinlich die Belebung des Kunsthandels mehr aus der
Suche nach Sicherheiten als aus der Bestätigung des
Geschmacks kommt, ist sie für alle Unberühmten oder gar

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