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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 26.1916

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Heft 2
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Schäfer, Wilhelm: Die Jungmannschaft der rheinländischen Kunst: auf der Weihnachts-Ausstellung des Verbandes in Wiesbaden
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https://doi.org/10.11588/diglit.26490#0060

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Die Jungmannschaft der rheinländischen Kunst.

haften Bemühungen, das neuentdeckte Handwerk der
Malerei zu lernen und zu entwickeln. Die Meister
Francke, Lukas Moser, Stephan Lochner, Konrad
Witz, Hans Mults eher, Friedrich Herlin, Michael
Pacher, Bartholomaus Aeitblom sind in ihrer Aeit
wahre Revolutionäre der Malerei, die sich in nichts

um das Jahr 1500 zu ihrer Eigenheit und Meisterschaft.
Wer daran zweifelnd nach anderen Gründen sucht, dem
vermag die Entwicklung der niederländischen Malerei
im 17. Jahrhundert eine deutliche Lehre zu geben.
Nicht aus einer zufälligen Ansammlung großer Ta-
lente und noch weniger aus den günstigeren Aeit-

mit dem Hergebrachten beruhigen; und nur, weil sich

umständen allein erklärt sich diese zweite Blüte ger-

ihre Leidenschaft so hitzig uni die neuen Mittel und die
neue Anschauung bemüht hat, darum können ihre
Erben Dürer, Grünewald und endlich Holbein
auf gesichertem Boden in die höchste Meisterschaft
gelangen. Aber auch sie nutzen nirgendwo das Erreichte
mit Behaglichkeit aus: auch ihre Künstlerschaft ist bis
zum letzten Atemzug der Steigerung ihrer künstlerischen
Ausdrucksmittel hingegeben. So meisterhaft die ersten
Bildnisse Dürers anmuten, zwischen ihnen und den
Spätwcrken steht eine Welt der Bemühung. Es ist
leicht zu sagen, die Apostel etwa von 1526 zeigten
italienischen Einfluß; die einfache Frage aber, wieso
dieser Einfluß möglich war und warum es Dürer
zweimal nach Italien trieb, führt mitten in seine
Kämpfe. Und selbst bei Holbein, der neben der titani-
schen Ruhelosigkeit Grünewalds wie ein Wunder der
Selbstsicherheit dasteht, gibt sich die Entwicklung durch-

manischer Kunst auf niederländischem Boden, son-
dern nur dadurch, daß die Malerei im Helldunkel
ein Mittel gefunden hatte, den malerischen Ausdruck
zu steigern. Während da unten am Rhein zum
zweitenmal alle Kräfte in Hochspannung waren, uni
die neuen Mittel rind ihren neuen Ausdruck zu be-
wältigen, versandete bei uns das künstlerische Leben,
indem es sich nicht mehr zu einenr lebendigen
Anteil an dieser neuen Entwicklung aufzuschwingen
vermochte.
So muß am Schluß dieser Betrachtung noch ein-
mal stehen, was hier schon mehrmals gesagt wurde
weil es gegenwärtig die notwendigste Einsicht in Kunst-
dingen ist: Wie wir keinen privaten deutschen Gott
haben können, so auch keine private deutsche Kunst,
so hitzig patriotischer Übereifer danach verlangt; die
künstlerischen Aufgaben werden nicht der Kunst vom

aus anders als eine
mühelos zunehmende
Meisterschaft.
Es ist hier nicht
der Ort, die treiben-
den Ursachen in der
stürmischen Entwick-
lung der altdeutschen
Malerei darzustellen;
es genügt uns zu
wissen, daß zwischen
den tastenden Ver-
suchen Lukas Mosers
und den Spätwerken
Holbeins nur ein
Jahrhundert steht;
ein Jahrhundert, das
seinesgleichen sucht
in der von den Ge-
nießenden leicht miß-
liebig oder gar spöt-
tisch betrachteten
Neuerungssucht. Nur
weil die Hochspan-
nung der Entwicklung
in einer schier un-
überblickbaren Fülle
von Schulen und Per-
sönlichkeiten lebendig
blieb, darum kam die
altdeutsche Malerei


Volk, sondern dem
Volk von der Kunst
gestellt. Einmal, in
der altdeutschen Ma-
lerei, ist cs uns ge-
lungen, in die erste
Reihe zu kommen —
es gibt keine schönere
Malerei als die alt-
deutsche — weil wir
alle Inbrunst an ihre
Entwicklung setzten;
und es ist kein An-
fall, daß in jener
Aeit auch der Gottes-
begriff im Germani-
schen eine neue Prä-
gung erhielt. Solche
Inbrunst ist nur mög-
lich, wo der Einzelne
sich demütig aber mit
allen Kräften in den
Dienst der Entwick-
lung stellt. Muß es
gesagt werden, daß
damit nicht die Mo-
dernität um jeden
Preis gemeint ist, wie
sie von jeden: Mutter-
söhnchen gelernt wer-
den kann? S.

Abb. 23.

William Straube: Kamel (Lithographie).

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