berufen zu sein, also daß die Schönheit der Statte und
ihrer Hüterinnen ihr eigentlicher Gottesdienst war.
Mütter mit gesegnetem Leibe klommen von Ruheplatz
zu Ruheplatz mühsam die Höhe hinauf, um sich am An-
blick der englischen Wesen mit Schönheit zu sättigen. Die
Weinschiffe gingen vor Anker am Fuße des Berges, als
forderte der Vespergesang droben zu einem sabbatlichen
Tage auf; und immer weideten die Eslein auf der
Klosterwiese, von denen sich die Bresthaften hatten her-
tragen lassen, um Überflossen zu werden von der heilenden
Lichtflut jenes fraulichen Glorienscheins. Für den Kranz
der umliegenden Flußbewohner aber waren die Kloster-
frauen nicht nur die lichten Schutzgeister, deren Türmer-
glocke ertönte bei Feuer, Eisgang und Kriegsgefahr,
sondern der ganze Berg wurde gleichsam zu dem großen
Opferaltar des Landes, auf dem ihnen die reine Flamme
des Guten und Überirdischen brannte; und wie alles
plötzlich segensvoll und klar wird, wenn sich das Licht der
Wahrheit einmal in unsrer Mitte entzündet hat, so gedieh
nicht nur ein vollkommenes Geschlecht umher, das beim
Erklingen der morgendlichen Druckes droben feierlich den
Tag begann, sondern auch Handel und Wandel erblühte;
und Weingülten, Mühlen, Jagden und Renten füllten
den Klosterschatz, den auch die Pilger nut köstlichen Weih-
geschenken auszustatten wetteiferten. Zwar blieb es
nicht aus, daß der lebhafte Verkehr der Zehntwagen und
Wallfahrtszüge Wegelagerer und räuberisches Gesindel
herbeizog, das die Waldungen des Reilerhalses bald mit
unschuldigem Blute tränkte und einen Ring des Grauens
um die Gottesinsel legte, in dem feurige Goldkisten,
Schwertgeklirr, hauptlose Gestalten und verwehendes
Röcheln spukhaft die Nacht erfüllten; allein weder Ge-
spenster, noch Mordbuben konnten den Ansturm der
Frömmigkeit hemmen, die dem Schönheitstempel ent-
gegenschwoll.
Was aber Mord und Grauen nicht vermochten, voll-
brachte die plumpe Hand des eignen erzbischöflichen
Schirmherrn. Von jeher war der Barl, der Bergrücken,
den der Moselfluß wie ein natürlicher Festungsgraben
umspült, das Kampfziel der Kriegsscharen, und so dicht
wie die Felsabhänge von grauen Rebstäben starrten,
flimmerten sie oft von dem Lanzenwald der Sturm-
läufer. Die junge Mannschaft des Landes aber putzte
den Harnisch wie zum Fest, wenn sie zum Schutze der
Klosterfrauen droben ausziehen durfte; und Sporen-
geklirr von Freund und Feind löste sich ab in den langen
Kreuzgängen, die sonst nur das Rauschen fraulicher Ge-
wänder vernahmen. Gewiß meinte es der Kirchenfürst
gut, wenn er seinen geistlichen Töchtern, deren Ordens-
dienst und Sicherheit er durch ständige Belagerungen und
Einquartierungen gestört glaubte, während der Kriegs-
läufte eine entlegene Zufluchtsstätte anbot. Allein die
Marienburgerinnen lächelten fein über eine solche Be-
sorgnis, als hätten sie ihre eigenen Gedanken darüber,
um wen die gewappneten Männer die Weinbergs-
bastionen verteidigten und wie ungefährlich ihnen selbst
die Fehde um den ewig umstrittenen Klosterberg war.
Wie sollten sie auch vor Eisenrittern bangen, die sich
herzudrängten, um ihnen die Beute ihrer Kriegsfahrten
zu Füßen zu legen, und gutwillig wieder abzogen, wenn
Schwesternhand ihrem Seidenschimmel die geflochtene
Der-Venusberg.-
Mähne mit einer Jmmergrünblüte aus dem Nonnen-
garten geschmückt!
Indessen — der streitbare Kurfürst, dem Sickingen
die Fehde angekündigt, hielt das Kloster auf dem Barl
nicht für so uneinnehmbar wie die heimlichen Besiege-
rinnen der Heere; und da er auch seine Kriegskasse aus
den Goldgruben der verehrten Wallfahrtsstätte zu füllen
gedachte, so sandte er seinen berühmtesten Redner auf
die Marienburg, der die Konventsjungfrauen zur frei-
willigen Räumung der zur Landesverteidigung aus-
ersehenen Höhe bestimmen sollte.
Aber der gelehrte Doktor kehrte mit seltsamen Be-
richten wieder. Es traf sich nämlich, daß in dem Augen-
blick, als er anlangte, eine endlose Prozession zu der Berg-
abtei sich hinaufwand, die nicht etwa einem Kirchenfeste
galt, sondern einen Huldigungszug darstellte, den Nah
und Fern zu ihren klösterlichen Heiligen droben unter-
nahm. In bekränzten Schiffen, zu Roß und pilgernden
Fußes kamen sie, und die Berghöhe faßte die Menge der
Verehrenden nicht. Als aber das Hochamt begann, das
unter freiem Himmel auf der Klosterwiese abgehalten
ward, und tausendkehlig das Tedeuin erscholl, in das aus
rotblühenden Kastanien die Amsel hineinsang, da schien
sich nicht mehr eine büßende Christengemeinde unter
dem Holzaltar niederzuwerfen, der am Stamme der laub-
tropfenden Mailinde schwebte, sondern festbekränztes Hei-
dentum wieder unter seinen heiligen Eichen versam-
melt, von flatternden Zweigen umgrünt, umflossen von
Schatten und Lichtern. Und so sehr überwältigte die
Bergandacht die schönheitstrunkenen Herzen, daß unter
den Beifallsrufen und Tränen des Volkes die Mädchen
herbeiströmten, um ihr Blondhaar auf dem Altar Mariens
gegen den reinen Schleier der Himmelsbräute zu opfern,
also daß der trierische Doktor glaubte, es hänge ein
Zauber an dieser Stätte, der aller Rednerkunst spotte
— zumal er ihm selbst erlag — und ohne seine Mission
auszurichten wie im Traume zurückkehrte.
Doch der eiserne Erzbischof, der sich nicht scheute, um
Gnade flehende Bauern mit eigner Hand niederzustoßen,
stand von seinem Vorsatze nicht ab. An einem sonnigen
Morgen entstieg er am Fuße des Jnselklosters seinem
goldnen Festschiff, das er nach dem Muster des Bucintoro
in Venedig hatte bauen lassen, und ritt mit kleinem Ge-
folge durch den Buschwald hinauf, um den ganzen
Konvent zu einer Lustfahrt auf dem Moselflusse einzu-
laden; und die nichtsahnenden Himmelsbräute, als sie
das herrliche Schiff wie einen schwimmenden Palast
drunten am Ufer liegen sahen, ließen sich leicht über-
reden, unter der geistlichen Flagge einmal schwanenschön
auf den Schleifen des Flusses durch die Lande zu ziehen.
Sie spürten etwas wie Flügellüften und Tanz in den
Zehen und gerieten auf dem steilen Abstiege in ein
trippelndes Laufen, wie eifrige Kinder, die dem be-
schleunigten Schritt eines Erwachsenen folgen.
Aber bei dem Einsteigen in das Schiff ereignete sich
ein Unfall, der über die Siegesfreude des Erzbischofs
plötzlich einen Schatten warf. Als er nämlich der Ab-
tissin beim Überschreiten des teppichbelegten Tritt-
brettes die rotbehandschuhte Hand reichte, glitt ihm der
silberne Abtissinnenstab, den er dabei ritterlich an sich
genommen hatte, in den Fluß und entschwand, was ihn
ihrer Hüterinnen ihr eigentlicher Gottesdienst war.
Mütter mit gesegnetem Leibe klommen von Ruheplatz
zu Ruheplatz mühsam die Höhe hinauf, um sich am An-
blick der englischen Wesen mit Schönheit zu sättigen. Die
Weinschiffe gingen vor Anker am Fuße des Berges, als
forderte der Vespergesang droben zu einem sabbatlichen
Tage auf; und immer weideten die Eslein auf der
Klosterwiese, von denen sich die Bresthaften hatten her-
tragen lassen, um Überflossen zu werden von der heilenden
Lichtflut jenes fraulichen Glorienscheins. Für den Kranz
der umliegenden Flußbewohner aber waren die Kloster-
frauen nicht nur die lichten Schutzgeister, deren Türmer-
glocke ertönte bei Feuer, Eisgang und Kriegsgefahr,
sondern der ganze Berg wurde gleichsam zu dem großen
Opferaltar des Landes, auf dem ihnen die reine Flamme
des Guten und Überirdischen brannte; und wie alles
plötzlich segensvoll und klar wird, wenn sich das Licht der
Wahrheit einmal in unsrer Mitte entzündet hat, so gedieh
nicht nur ein vollkommenes Geschlecht umher, das beim
Erklingen der morgendlichen Druckes droben feierlich den
Tag begann, sondern auch Handel und Wandel erblühte;
und Weingülten, Mühlen, Jagden und Renten füllten
den Klosterschatz, den auch die Pilger nut köstlichen Weih-
geschenken auszustatten wetteiferten. Zwar blieb es
nicht aus, daß der lebhafte Verkehr der Zehntwagen und
Wallfahrtszüge Wegelagerer und räuberisches Gesindel
herbeizog, das die Waldungen des Reilerhalses bald mit
unschuldigem Blute tränkte und einen Ring des Grauens
um die Gottesinsel legte, in dem feurige Goldkisten,
Schwertgeklirr, hauptlose Gestalten und verwehendes
Röcheln spukhaft die Nacht erfüllten; allein weder Ge-
spenster, noch Mordbuben konnten den Ansturm der
Frömmigkeit hemmen, die dem Schönheitstempel ent-
gegenschwoll.
Was aber Mord und Grauen nicht vermochten, voll-
brachte die plumpe Hand des eignen erzbischöflichen
Schirmherrn. Von jeher war der Barl, der Bergrücken,
den der Moselfluß wie ein natürlicher Festungsgraben
umspült, das Kampfziel der Kriegsscharen, und so dicht
wie die Felsabhänge von grauen Rebstäben starrten,
flimmerten sie oft von dem Lanzenwald der Sturm-
läufer. Die junge Mannschaft des Landes aber putzte
den Harnisch wie zum Fest, wenn sie zum Schutze der
Klosterfrauen droben ausziehen durfte; und Sporen-
geklirr von Freund und Feind löste sich ab in den langen
Kreuzgängen, die sonst nur das Rauschen fraulicher Ge-
wänder vernahmen. Gewiß meinte es der Kirchenfürst
gut, wenn er seinen geistlichen Töchtern, deren Ordens-
dienst und Sicherheit er durch ständige Belagerungen und
Einquartierungen gestört glaubte, während der Kriegs-
läufte eine entlegene Zufluchtsstätte anbot. Allein die
Marienburgerinnen lächelten fein über eine solche Be-
sorgnis, als hätten sie ihre eigenen Gedanken darüber,
um wen die gewappneten Männer die Weinbergs-
bastionen verteidigten und wie ungefährlich ihnen selbst
die Fehde um den ewig umstrittenen Klosterberg war.
Wie sollten sie auch vor Eisenrittern bangen, die sich
herzudrängten, um ihnen die Beute ihrer Kriegsfahrten
zu Füßen zu legen, und gutwillig wieder abzogen, wenn
Schwesternhand ihrem Seidenschimmel die geflochtene
Der-Venusberg.-
Mähne mit einer Jmmergrünblüte aus dem Nonnen-
garten geschmückt!
Indessen — der streitbare Kurfürst, dem Sickingen
die Fehde angekündigt, hielt das Kloster auf dem Barl
nicht für so uneinnehmbar wie die heimlichen Besiege-
rinnen der Heere; und da er auch seine Kriegskasse aus
den Goldgruben der verehrten Wallfahrtsstätte zu füllen
gedachte, so sandte er seinen berühmtesten Redner auf
die Marienburg, der die Konventsjungfrauen zur frei-
willigen Räumung der zur Landesverteidigung aus-
ersehenen Höhe bestimmen sollte.
Aber der gelehrte Doktor kehrte mit seltsamen Be-
richten wieder. Es traf sich nämlich, daß in dem Augen-
blick, als er anlangte, eine endlose Prozession zu der Berg-
abtei sich hinaufwand, die nicht etwa einem Kirchenfeste
galt, sondern einen Huldigungszug darstellte, den Nah
und Fern zu ihren klösterlichen Heiligen droben unter-
nahm. In bekränzten Schiffen, zu Roß und pilgernden
Fußes kamen sie, und die Berghöhe faßte die Menge der
Verehrenden nicht. Als aber das Hochamt begann, das
unter freiem Himmel auf der Klosterwiese abgehalten
ward, und tausendkehlig das Tedeuin erscholl, in das aus
rotblühenden Kastanien die Amsel hineinsang, da schien
sich nicht mehr eine büßende Christengemeinde unter
dem Holzaltar niederzuwerfen, der am Stamme der laub-
tropfenden Mailinde schwebte, sondern festbekränztes Hei-
dentum wieder unter seinen heiligen Eichen versam-
melt, von flatternden Zweigen umgrünt, umflossen von
Schatten und Lichtern. Und so sehr überwältigte die
Bergandacht die schönheitstrunkenen Herzen, daß unter
den Beifallsrufen und Tränen des Volkes die Mädchen
herbeiströmten, um ihr Blondhaar auf dem Altar Mariens
gegen den reinen Schleier der Himmelsbräute zu opfern,
also daß der trierische Doktor glaubte, es hänge ein
Zauber an dieser Stätte, der aller Rednerkunst spotte
— zumal er ihm selbst erlag — und ohne seine Mission
auszurichten wie im Traume zurückkehrte.
Doch der eiserne Erzbischof, der sich nicht scheute, um
Gnade flehende Bauern mit eigner Hand niederzustoßen,
stand von seinem Vorsatze nicht ab. An einem sonnigen
Morgen entstieg er am Fuße des Jnselklosters seinem
goldnen Festschiff, das er nach dem Muster des Bucintoro
in Venedig hatte bauen lassen, und ritt mit kleinem Ge-
folge durch den Buschwald hinauf, um den ganzen
Konvent zu einer Lustfahrt auf dem Moselflusse einzu-
laden; und die nichtsahnenden Himmelsbräute, als sie
das herrliche Schiff wie einen schwimmenden Palast
drunten am Ufer liegen sahen, ließen sich leicht über-
reden, unter der geistlichen Flagge einmal schwanenschön
auf den Schleifen des Flusses durch die Lande zu ziehen.
Sie spürten etwas wie Flügellüften und Tanz in den
Zehen und gerieten auf dem steilen Abstiege in ein
trippelndes Laufen, wie eifrige Kinder, die dem be-
schleunigten Schritt eines Erwachsenen folgen.
Aber bei dem Einsteigen in das Schiff ereignete sich
ein Unfall, der über die Siegesfreude des Erzbischofs
plötzlich einen Schatten warf. Als er nämlich der Ab-
tissin beim Überschreiten des teppichbelegten Tritt-
brettes die rotbehandschuhte Hand reichte, glitt ihm der
silberne Abtissinnenstab, den er dabei ritterlich an sich
genommen hatte, in den Fluß und entschwand, was ihn