Beispiel für eine solche Betrachtung bildet das Problem
und die Entwicklungsgeschichte des modernen Waren-
hauses. Wohl jeder hat einen jener entsetzlichen Typen
eines neuzeitlich sein sollenden Kaufhauses aus den
neunziger Jahren, auch der Jahrhundertwende noch,
schon gesehen. Und noch in Tausenden von Eremplaren
fordern diese Zeugen eines schmerzlichen Übergangs-
stadiums noch heute zum Vergleich heraus. Die Idee
war durchaus richtig: durch ein Minimum von Stütz-
masse den gegebenen Raum weitmöglichst auszunutzen,
durch ein Minimum von Wandflache diefem Raum ein
Marimum von Licht zuzuführen. Ersteres erreichte man
durch die Verwendung der Eisenkonstruktion, die in den
seltsamsten Verrenkungen zur Anwendung kam; dem
zweiten Ziele glaubte man dadurch möglichst nahezu-
kommen, indem man zwischen der eisernen Trägerkon-
struktion die Wände, soweit es konstruktiv noch irgend
zu machen war, durch Glas ersetzte. Die tatsächliche Idee
ist durchaus die einer vollkommenen Zweckform und als
solche richtig, wenn wir von der Gestaltung des Orna-
mentes absehen. DerJrrtum liegt eben darin, daß Zweck-
form und Kunstform keineswegs identische Begriffe sind.
Ich will hier keines der zahllosen Beispiele für diese
Idee des Bauens von Kaufhäusern, Fabriken usw. ein-
zeln anführen; in Berlin, in den rheinischen Städten,
in Frankfurt a. M., kurz fast überall finden wir über-
genug davon. Klar faßlich wird diese Wertung erst
durch das Gegenüberstellen eines der wenigen guten
Werke der Baukunst, die in ihrer Art und in ihrer Einzig-
keit als das Programm einer Zukunft erscheinen könnten.
Wenn ich hier Peter Behrens' Turbinenhalle für die
A. E. G. kurz besonders bespreche, so geschieht das nicht,
um dieses übergenug gelobte Bauwerk aufs neue einer
Kritik zu unterziehen, die nur eine Wiederholung be-
deuten könnte. Sondern nur das sei erwähnt, was uns
im Gegensatz zu den eben genannten Bauwerken und
der Erkenntnis der architektonischen Idee unserer Zeit
und der Zukunft ein wenig näher bringen könnte. Der
Baugedanke der Turbinenhalle ist genau der gleiche,
wie der der erwähnten Kaufhäuser und Fabrikanlagen:
nämlich einem großen Arbeitsraum eine möglichst große
Menge von ungebrochenem Licht zuzuführen mit gleich-
zeitiger möglichster Ausnutzung der Baugrundfläche.
Die Südwest- bzw. Südostansicht der Turbinenhalle
besonders, aber auch alles übrige, zeigt uns jedoch, daß
diese Grundidee des modernen Industriebaues gar nicht
konsequent durchgeführt zu sein scheint. Sicherlich läßt
sich ohne weiteres leicht eine Möglichkeit denken, wie sich
mit Hilfe der Segnungen der modernen Eisenkonstruk-
tion durch gleichzeitige Verbreiterung der vorderen
Glasfläche, eventuell auch Verglasung des Giebels usw.
ein weit größerer, weit hellerer Jndustrieraum hätte
Herstellen lassen. Es ist keine Frage, daß der Verfasser
diese Fähigkeit durchaus besessen hätte.
Dieser Bau ist ein Dokument dafür, daß es dem
Empfinden der Gegenwart keineswegs genügt, einen Bau
so zu schaffen, daß er seinen Zweck möglichst vollkommen
erfüllt und sonst nichts, sondern daß man, sogar unter
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