Zu den Landschaftsradierungen von Felix Hollenberg.
in unserm Fall hat nichts oder wenig mit der sogenannten
Stimmung zu tun, deren Gegenteil sie oft genug ist.
Sie unterlegt der Natur nichts, sondern sie nimmt
irgendwie den Kampf mit ihrer unheimlichen Fremdheit
auf, und die Stärke des Gefühls, die sie in diesen
Kampf einsetzt, das und nur das ist ihre Empfindung.
Es gelingt Hollenberg nicht immer so, die naive
Formel zu finden, Neigungen zur Stimmung kämpfen
in radierten Landschaften mit solchen zur nüchternen Hand-
werklichkeit; immer wieder aber beweist dann ein Blatt,
daß er zwischen diesen Gefahren den Weg der Kunst
sucht. Er muß ihn wie alle Hartnäckigen nicht gerade
von Aufmunterung verwöhnt gehen, der Main: auS
dem Industrieland, den das Schicksal ins schwäbische
Land verschlug; er ist, wie die Handschrift seiner Blätter
sagt, ein Mann, der schwer Boden unter die Füße bekam,
ihn zu verlassen, dazu können ihn keine Wunderschlösser
der Welt mehr reizen, ihn ruhigen Schrittes zu Ende zu
gehen, dazu wird er stark genug sein. S.
* *
*
Uber seinen Entwicklungsgang schreibt uns der
Künstler:
Ich bin am 15. Dezember 1868 in Sterkrade (einem
kleinen Fabrikort) im Regierungsbezirk Düsseldorf als
Sohn des Maschineningenieurs August Hollenbcrg ge-
boren. Mein Vater, ein genial angelegter Mann, der
lieben einer vielseitigen wissenschaftlichen Tätigkeit sich
in allen Künsten mit Erfolg als Dilettant versuchte, gab
mir die erste Anleitung im Zeichnen und Aquarellieren.
Die Ölmalerei betrieb ich bald — so damals, wie heute —
„auf eigene Rechnung und Gefahr", indem ich mir beim
Spezereihändler Farben und Salatöl holte, und „Bilder"
malte, von denen sich manche bis heute sehr gut ge-
halten haben. Eine einfache Technik scheint also die erste
Grundbedingung der Dauerhaftigkeit zu sein. Bald be-
gann ich auch mit dem Radieren. Aus der Bibliothek des
Centralgewerbevereins in Düsseldorf bezog ich Bartsch's
Anleitung zur Kupferstichkunde, in der das technische
Verfahren der verschiedenen Sticharten recht gut be-
schrieben war. Es wurden danach Platten vorbereitet,
Atzgrund und Atzwasser gemacht, grundiert, radiert, ge-
ätzt und sogar selbst gedruckt. Als Druckmaschine diente
eine kleine Walzenpresse, die versuchsweise zum Entrippen
von Tabakblättern gebaut war. Die Ergebnisse meiner
ersten Radiertätigkeit waren natürlich äußerst bescheiden.
Später kamen mir die Versuche aber doch sehr zustatten.
Im Herbst 1887 wurde es ernst mit der Kunst.
Ich trat in die Elementarklasse der Akademie in Düssel-
dorf ein. Dort kopierte ich mit der allbekannten „Be-
geisterung" Lithographien, Photographien und Zeichnun-
gen, lind war fast zu den Gipsnasen und -obren vor,
gerückt, als inan meinem Wunsch, mich zu entfernen-
zuvorkam. „Da das Lehrerkollegium in Ihren vor-
gelegten Arbeiten keinen Fortschritt in Ihrer Entwicklung
erkannte, hat es sich nicht zu entschließen vermocht, Sie
definitiv als Schüler der Elementarklaste aufzunehmen."
Das war schmerzhaft, hatte aber das Gute, daß ich
begriff, daß neben der „Genialität", von der man ja
im erstell Semester fest überzeugt ist, noch etwas an-
deres vorhanden sein muß, um vorwärts zu kommen:
die Arbeit, und seit der Zeit arbeitete ich.
Ich bezog dann die Kunstschule in Stuttgart, wohin
mein Vater sein Arbeitsfeld als Schriftleiter einer tech-
nischen Zeitschrift verlegt hatte. Ich zeichnete bei dem
vortrefflichen Jakob Grünenwald, einem als Künstler
wie als Mensch gleich sympathischen Manne. Dann
besuchte ich die Landschaftsmalschule und die Radierschule.
Vom Herbst 1896 ab lebe ich in Stuttgart als
selbständiger Künstler. Nachdem ich jetzt die Anfangs-
gründe überwunden habe, hoffe ich noch etwas Rechtes
zustande zu bringen.
Größere Reisen (zu denen ich alle rechne, deren
Fahrgeld vierter Klasse über 2,50 M. betrug) habe ich
selten gemacht. Die habe ich, wie überhaupt den Lebens-
genuß, auf später verschoben- Den Hauptlebensgenuß,
das Arbeiten, koste ich schon jetzt mit vollsten Zügen
aus. Die Zahl meiner „nachgelassenen Werke" ist in-
folgedessen ganz bedeutend. F. H.
Felix Hollenberg.
Nottweil a. N. (1910).
in unserm Fall hat nichts oder wenig mit der sogenannten
Stimmung zu tun, deren Gegenteil sie oft genug ist.
Sie unterlegt der Natur nichts, sondern sie nimmt
irgendwie den Kampf mit ihrer unheimlichen Fremdheit
auf, und die Stärke des Gefühls, die sie in diesen
Kampf einsetzt, das und nur das ist ihre Empfindung.
Es gelingt Hollenberg nicht immer so, die naive
Formel zu finden, Neigungen zur Stimmung kämpfen
in radierten Landschaften mit solchen zur nüchternen Hand-
werklichkeit; immer wieder aber beweist dann ein Blatt,
daß er zwischen diesen Gefahren den Weg der Kunst
sucht. Er muß ihn wie alle Hartnäckigen nicht gerade
von Aufmunterung verwöhnt gehen, der Main: auS
dem Industrieland, den das Schicksal ins schwäbische
Land verschlug; er ist, wie die Handschrift seiner Blätter
sagt, ein Mann, der schwer Boden unter die Füße bekam,
ihn zu verlassen, dazu können ihn keine Wunderschlösser
der Welt mehr reizen, ihn ruhigen Schrittes zu Ende zu
gehen, dazu wird er stark genug sein. S.
* *
*
Uber seinen Entwicklungsgang schreibt uns der
Künstler:
Ich bin am 15. Dezember 1868 in Sterkrade (einem
kleinen Fabrikort) im Regierungsbezirk Düsseldorf als
Sohn des Maschineningenieurs August Hollenbcrg ge-
boren. Mein Vater, ein genial angelegter Mann, der
lieben einer vielseitigen wissenschaftlichen Tätigkeit sich
in allen Künsten mit Erfolg als Dilettant versuchte, gab
mir die erste Anleitung im Zeichnen und Aquarellieren.
Die Ölmalerei betrieb ich bald — so damals, wie heute —
„auf eigene Rechnung und Gefahr", indem ich mir beim
Spezereihändler Farben und Salatöl holte, und „Bilder"
malte, von denen sich manche bis heute sehr gut ge-
halten haben. Eine einfache Technik scheint also die erste
Grundbedingung der Dauerhaftigkeit zu sein. Bald be-
gann ich auch mit dem Radieren. Aus der Bibliothek des
Centralgewerbevereins in Düsseldorf bezog ich Bartsch's
Anleitung zur Kupferstichkunde, in der das technische
Verfahren der verschiedenen Sticharten recht gut be-
schrieben war. Es wurden danach Platten vorbereitet,
Atzgrund und Atzwasser gemacht, grundiert, radiert, ge-
ätzt und sogar selbst gedruckt. Als Druckmaschine diente
eine kleine Walzenpresse, die versuchsweise zum Entrippen
von Tabakblättern gebaut war. Die Ergebnisse meiner
ersten Radiertätigkeit waren natürlich äußerst bescheiden.
Später kamen mir die Versuche aber doch sehr zustatten.
Im Herbst 1887 wurde es ernst mit der Kunst.
Ich trat in die Elementarklasse der Akademie in Düssel-
dorf ein. Dort kopierte ich mit der allbekannten „Be-
geisterung" Lithographien, Photographien und Zeichnun-
gen, lind war fast zu den Gipsnasen und -obren vor,
gerückt, als inan meinem Wunsch, mich zu entfernen-
zuvorkam. „Da das Lehrerkollegium in Ihren vor-
gelegten Arbeiten keinen Fortschritt in Ihrer Entwicklung
erkannte, hat es sich nicht zu entschließen vermocht, Sie
definitiv als Schüler der Elementarklaste aufzunehmen."
Das war schmerzhaft, hatte aber das Gute, daß ich
begriff, daß neben der „Genialität", von der man ja
im erstell Semester fest überzeugt ist, noch etwas an-
deres vorhanden sein muß, um vorwärts zu kommen:
die Arbeit, und seit der Zeit arbeitete ich.
Ich bezog dann die Kunstschule in Stuttgart, wohin
mein Vater sein Arbeitsfeld als Schriftleiter einer tech-
nischen Zeitschrift verlegt hatte. Ich zeichnete bei dem
vortrefflichen Jakob Grünenwald, einem als Künstler
wie als Mensch gleich sympathischen Manne. Dann
besuchte ich die Landschaftsmalschule und die Radierschule.
Vom Herbst 1896 ab lebe ich in Stuttgart als
selbständiger Künstler. Nachdem ich jetzt die Anfangs-
gründe überwunden habe, hoffe ich noch etwas Rechtes
zustande zu bringen.
Größere Reisen (zu denen ich alle rechne, deren
Fahrgeld vierter Klasse über 2,50 M. betrug) habe ich
selten gemacht. Die habe ich, wie überhaupt den Lebens-
genuß, auf später verschoben- Den Hauptlebensgenuß,
das Arbeiten, koste ich schon jetzt mit vollsten Zügen
aus. Die Zahl meiner „nachgelassenen Werke" ist in-
folgedessen ganz bedeutend. F. H.
Felix Hollenberg.
Nottweil a. N. (1910).