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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 26.1916

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Heft 6
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Bombe, Walter: Zur Rethel-Gedächtnisausstellung in Düsseldorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.26490#0211

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Alfred Nethel.

Abb. Z. Karls des Fünften Aufnahme in das Kloster St. Just, um 184?.
Erstmalig veröffentlicht. (Düffeldorf, Frau Else Sohn-Nethel.)

durch Kaiser Otto den Dritten, der seinen gewaltigen
Vorgänger aus dem Kaiserthron wenigstens einmal von
Angesicht zu Angesicht schauen möchte und der, im
tiefsten erschüttert von der Majestät dieses starr und
groß, wie lebendig, aus steinernem Throne sitzenden
alten Recken, in die Knie sinkt. Wenn eS auch zunächst
befremdet, daß der Zyklus mit dem Bilde deö toten
Kaisers beginnt, so muß man doch schließlich zugeben,
daß nichts unö besser in des großen Karl gewaltiges,
die Jahrhunderte überdauerndes Wirken entführen kann,
als diese Huldigung seines Nachkommen vor der Er-
habenheit deS Toten. Weniger als die erste, befriedigt
die zweite Olskizze, die den Sturz der Jrmensäule dar-
stellt. Dagegen ist ein auch in koloristischer Hinsicht
wahrhaft großer Wurf das dritte Bild, das uns
Karl den Großen im Schlachtgctümmel vorsührt. Auö
der Maurenschlacht bei Cordova wird hier ein Kamps
Weniger, den die persönliche Tapferkeit des Kaisers
entscheidet. Wie alle wahrhaft schöpferischen Künstler
früherer Zeiten verzichtet Rethel daraus, den wirklichen
Verlauf einer Schlacht zu malen, und gibt die Vor-
stellung leidenschaftlichen Ringens dadurch, daß er einen
einzelnen Vorgang herausgreist. Er zeigt uns Karl,
wie er auö der Tiefe aus jagendem Streitroste nach
vorn sprengt, mit mächtiger Faust die halbmondgeschmückte
Fahne deö Feindes zerbricht und mit einer unvergeßlich

großartigen Geste das Schwert zu tödlichem Hiebe auS-
holen läßt. Diese Schilderung der Maurenschlacht wirkt
in der Olskizze darum so ungemein lebendig, weil eS dem
Meister hier gelungen ist, den ersten Eindruck eines wilden
Handgemenges mit seiner ganzen Unmittelbarkeit wieder-
zugeben. Der Gegenstand der nächsten Darstellung ist
Karls des Großen Einzug in daö eroberte Pavia. Hierzu
gehört die Olstudie eines bärtigen ManneS, die, sehr
verändert, für die Figur des Gefesselten aus dem Ein-
zugöfreSko benutzt wurde. Die weitaus schönste aber
unter diesen noch niemals abgebildeten Olskizzen ist die
in der Farbenwirkung einzigartige Taufe Wittekinds von
1852 mit den zugehörigen Studien zu dein Kopse eines
Kriegers, zu dem kreuztragenden Mönche und dem
Ministranten, für den der jüngste Bruder von RethelS
Gattin, Otto Grahl, dein Künstler Modell sitzen mußte.
In den Gegensätzen von Hell und Dunkel zeigen diese
letzten und reifsten Studien zur Taufe Wittekinds schon
die Lösung der Farbenprobleme, denen später Böcklin
und Feuerbach nachgingen.
Auch unter den Zeichnungen, die in ihrer zeitlichen
Folge an den Wänden und aus Tischen aufgereiht sind,
findet sich viel Neues, und einige Stücke sind von höch-
stem Range. Von den ersten künstlerischen Versuchen
des Sechsjährigen bis zu der letzten Arbeit des schon
Umnachteten, einer genialen Umdichtung der „Aurora"
199
 
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