Zum Problem des modernen Klrchenbaues, im besonderen des katholischen.
Das Mittelalter ist zweifellos die klassische Zeit des
christlichen Sakralbaues gewesen. Freilich waren auch
seine kulturellen Grundlagen durchaus verschieden von
denen der Neuzeit. Damals war die Religion der Pfeiler
des ganzen Kulturgebaudes. Renaissance und Humanis-
mus haben dann völlig neue Kulturgrundlagen ge-
schaffen. Die Religion wurde langsam zurückgedrängt.
Der Rückschlag auf den Kirchenbau blieb nicht aus. Ohne
Aweifel hat die Renaissance und mehr noch das Barock
Großartiges im Kirchenbau geleistet. Und sicher stehen
dem absoluten architektonischen Werte nach ihre Sakral-
bauten mindestens gleichwertig neben den mittelalter-
lichen. Aber es fehlt etwas, das dem architektonischen
Raum die kirchliche Stimmung gibt, das uns so tief in
der schlichtesten romanischen oder gotischen Kapelle er-
greift, die Mystik. Ein Dom von Mainz, eine Kathedrale
von Köln, sie sind eben nur als Kirchenräume denkbar.
Der Prunksaal eines Renaissance- oder Barockbaues da-
gegen mag wohl ein gehobenes Daseinsgefühl auslösen,
ein Staunen über die Geistesmacht, die solches schuf,
vielleicht sogar ein Dankgefühl gegen die überirdische
Welt, jedoch eine religiöse Stimmung nie und nimmer.
Die Gründe sind schon oben angedeutet. Seit der
Renaissance war die Kultur aus dem Schatten der Kirche
herausgetreten. Die logische Folge ist natürlich, daß eine
solche Zeit eben nicht mehr einen Sakralstil haben kann.
Es mag zu hart klingen, daß man nun einfach erklärt, die
großen Bauten der kirchlichen Architektur der Renaissance-
Barockzeit hätten ihren eigentlichen Zweck verfehlt. Aber
das ist eben nur cum §mno 83.Ü8 zu verstehen. Zweck ist
hier in einem ganz immateriellen Sinne zu fassen. Wie
oben gesagt, stehen die Kirchen der Renaissance und des
Barock als architektonische Gebilde an sich den gotischen
und romanischen völlig gleich. Und dem Zwecke als Kult-
gebäude entsprechen sie schließlich sogar noch besser,
wenigstens was die Brauchbarkeit angeht. Aber die
Forderung, die man an einen Sakralbau im reinsten
Sinne des Wortes stellt, nicht nur als absoluter Zweckbau
zu genügen, sondern mehr noch eine religiöse Stimmung
zu vermitteln, erfüllen sie nicht, weil sie es eben nicht
können. Dabei kann nur immer wieder betont werden,
daß dies auf einen anderen Grund als auf künstlerische
Schwache zurückzuführen ist. Und so stehen eben die
Leistungen der Renaissance-Barockarchitektur auf kirch-
lichem Gebiete als ganz eigenartige Gruppe da: Bauten
von hoher künstlerischer Vollendung, aber schließlich doch
nicht gleichwertig den Werken der mittelalterlichen Stile,
da sie etwas geben wollen, was sie in ihrer Zeit nicht
geben konnten.
Die Schlußfolgerung für die moderne Zeit liegt klar
zutage: Unsere Kultur kann keinen Sakralstil schaffen,
weil ihre Grundlagen nicht religiöser Natur sind.
Doch damit ist erst die eine Seite des Problems er-
schöpft. Warum bedient sich denn die Kirche nicht der
modernen Stilformen, wie es doch früher in der Re-
naissance-Barockzeit geschah? Diese Frage ist nur zu
berechtigt. Ich werde mich jedoch bei dem Versuch einer
Beantwortung auf den katholischen Kirchenbau beschrän-
ken, da, wie schon oben angedeutet, der Katholizismus
allein eigentliche Kirchen baut. Der Struktur des Pro-
testantismus entspricht ja weniger die Kirche als der Betsaal.
An der Entwicklung, wie sie oben geschildert ist, hat
die Kirche ja nun schließlich wenig Anteil. Die Geschichte
mußte so ihren Lauf nehmen. Im folgenden gilt es nun,
die Stellung der Kirche gegenüber dieser Entwicklung zu
zeichnen und festzustellen, wie sie sich damit in ihren
Kunstaufgaben abfand.
Im Mittelalter ist die Religion und folglich die Kirche
das herrschende Prinzip. Die Kunst des Mittelalters ist
und bleibt sakraler Natur. Renaissance und Reformation
haben dann die kirchliche Herrschaft gebrochen. Gegen-
reformation und Barock sind die Devise, mit der die
Kirche den Versuch der Wiedereroberung unternimmt,
jedoch trotz aller Großartigkeit vergeblich. Die historische
Entwicklung ist stärker und die Kirche wird aus einer ent-
scheidenden Kulturgrundlage ein bloßer Kulturfaktor.
Die Konsequenzen aus dieser Entwicklung sind sehr
leicht zu ziehen. In der Renaissance hatte die Kirche zu-
nächst noch gar keinen Grund, irgendwie sich dem neuen
Stil feindlich gegenüberzustcllen. Und der Barockstil hat
doch gerade bei der katholischen Partei seinen glänzendsten
Ausdruck gefunden. — Denn trotz allem, was man ein-
wenden kann, Barock und Gegenreformation sind nicht
zu trennen. Aber damit endet auch die eigentliche kirch-
liche Architektur, weil sie eben enden — mußte. Als die
klassizistischen und romantischen Wellen vorübergeflutet
waren, da konnte die Kirche sich nicht mehr aufraffen zu
einer zeitgemäßen Kunst. Es war ihr unmöglich, sich der
Formensprache derjenigen Kultur zu bedienen, die sich
von ihr losgerissen hatte. Denn erst im 18. und 19. Jahr-
hundert kam der Kirche die Klarheit, was die Renaissance
ihr entrissen hatte. In der vollen Blüte des Barock
kämpfte sie noch um die Wiedereroberung des Verlorenen.
Und die Hochspannung des kirchlichen Geistes hatte auch
auf die Kunst eingewirkt und so zunächst das Bewußtsein
nicht aufkommen lassen, daß trotz allem die zeitgenössische
Formensprache durchaus nicht sakraler Natur sei.
Das „historische" Jahrhundert hatte denn auch für
die kirchliche Negierung die Überlegung gebracht, und
das Ergebnis war, daß man sich resigniert von jedem
Fortschritt zurückzog und sich auf die „frommen" Stile
des Mittelalters beschränkte, die die Romantik wieder
zu Ehren gebracht hatte. Und dieser Standpunkt war
schließlich nicht so ungerechtfertigt. Man kann es ver-
stehen, daß eine Geistesmacht, die aus der beherrschenden
Stellung von einer neuen Zeitströmung verdrängt ist,
sich nur widerstrebend dazu hergibt, in ihren Kultbauten
die Ausdrucksformen der neuen Zeit anzuwenden.
Und was ergibt sich nun als Schlußfolgerung? Einen
zeitgemäßen Sakralstil zu schaffen, ist unmöglich. Was
Renaissance und Barock nicht vermochten, das gelingt
auch der Zeit des Welthandels und der Schwerindustrie
nicht. Mit dieser Tatsache muß die Kirche sich abfinden.
Sie kann sich dem Zuge der Zeit nicht erttgegenstemmen.
Doch mit ebensolcher logischen Sicherheit ergibt sich die
zweite Folgerung: die Kirche muß ihren stagnierenden
Kunstcharakter aufgeben. Will sie eine Stellung im
Geistesreiche der Neuzeit einnehmen, so ist dies die not-
wendige Bedingung. Was sie in der Zeit der Renaissance
unbewußt konzedierte, das hat sie jetzt mit klarer Erkennt-
nis zuzugeben: die Ausdrucksformen der neuen Zeit-
richtung auch für ihre architektonischen Bedürfnisse an-
zi;
Das Mittelalter ist zweifellos die klassische Zeit des
christlichen Sakralbaues gewesen. Freilich waren auch
seine kulturellen Grundlagen durchaus verschieden von
denen der Neuzeit. Damals war die Religion der Pfeiler
des ganzen Kulturgebaudes. Renaissance und Humanis-
mus haben dann völlig neue Kulturgrundlagen ge-
schaffen. Die Religion wurde langsam zurückgedrängt.
Der Rückschlag auf den Kirchenbau blieb nicht aus. Ohne
Aweifel hat die Renaissance und mehr noch das Barock
Großartiges im Kirchenbau geleistet. Und sicher stehen
dem absoluten architektonischen Werte nach ihre Sakral-
bauten mindestens gleichwertig neben den mittelalter-
lichen. Aber es fehlt etwas, das dem architektonischen
Raum die kirchliche Stimmung gibt, das uns so tief in
der schlichtesten romanischen oder gotischen Kapelle er-
greift, die Mystik. Ein Dom von Mainz, eine Kathedrale
von Köln, sie sind eben nur als Kirchenräume denkbar.
Der Prunksaal eines Renaissance- oder Barockbaues da-
gegen mag wohl ein gehobenes Daseinsgefühl auslösen,
ein Staunen über die Geistesmacht, die solches schuf,
vielleicht sogar ein Dankgefühl gegen die überirdische
Welt, jedoch eine religiöse Stimmung nie und nimmer.
Die Gründe sind schon oben angedeutet. Seit der
Renaissance war die Kultur aus dem Schatten der Kirche
herausgetreten. Die logische Folge ist natürlich, daß eine
solche Zeit eben nicht mehr einen Sakralstil haben kann.
Es mag zu hart klingen, daß man nun einfach erklärt, die
großen Bauten der kirchlichen Architektur der Renaissance-
Barockzeit hätten ihren eigentlichen Zweck verfehlt. Aber
das ist eben nur cum §mno 83.Ü8 zu verstehen. Zweck ist
hier in einem ganz immateriellen Sinne zu fassen. Wie
oben gesagt, stehen die Kirchen der Renaissance und des
Barock als architektonische Gebilde an sich den gotischen
und romanischen völlig gleich. Und dem Zwecke als Kult-
gebäude entsprechen sie schließlich sogar noch besser,
wenigstens was die Brauchbarkeit angeht. Aber die
Forderung, die man an einen Sakralbau im reinsten
Sinne des Wortes stellt, nicht nur als absoluter Zweckbau
zu genügen, sondern mehr noch eine religiöse Stimmung
zu vermitteln, erfüllen sie nicht, weil sie es eben nicht
können. Dabei kann nur immer wieder betont werden,
daß dies auf einen anderen Grund als auf künstlerische
Schwache zurückzuführen ist. Und so stehen eben die
Leistungen der Renaissance-Barockarchitektur auf kirch-
lichem Gebiete als ganz eigenartige Gruppe da: Bauten
von hoher künstlerischer Vollendung, aber schließlich doch
nicht gleichwertig den Werken der mittelalterlichen Stile,
da sie etwas geben wollen, was sie in ihrer Zeit nicht
geben konnten.
Die Schlußfolgerung für die moderne Zeit liegt klar
zutage: Unsere Kultur kann keinen Sakralstil schaffen,
weil ihre Grundlagen nicht religiöser Natur sind.
Doch damit ist erst die eine Seite des Problems er-
schöpft. Warum bedient sich denn die Kirche nicht der
modernen Stilformen, wie es doch früher in der Re-
naissance-Barockzeit geschah? Diese Frage ist nur zu
berechtigt. Ich werde mich jedoch bei dem Versuch einer
Beantwortung auf den katholischen Kirchenbau beschrän-
ken, da, wie schon oben angedeutet, der Katholizismus
allein eigentliche Kirchen baut. Der Struktur des Pro-
testantismus entspricht ja weniger die Kirche als der Betsaal.
An der Entwicklung, wie sie oben geschildert ist, hat
die Kirche ja nun schließlich wenig Anteil. Die Geschichte
mußte so ihren Lauf nehmen. Im folgenden gilt es nun,
die Stellung der Kirche gegenüber dieser Entwicklung zu
zeichnen und festzustellen, wie sie sich damit in ihren
Kunstaufgaben abfand.
Im Mittelalter ist die Religion und folglich die Kirche
das herrschende Prinzip. Die Kunst des Mittelalters ist
und bleibt sakraler Natur. Renaissance und Reformation
haben dann die kirchliche Herrschaft gebrochen. Gegen-
reformation und Barock sind die Devise, mit der die
Kirche den Versuch der Wiedereroberung unternimmt,
jedoch trotz aller Großartigkeit vergeblich. Die historische
Entwicklung ist stärker und die Kirche wird aus einer ent-
scheidenden Kulturgrundlage ein bloßer Kulturfaktor.
Die Konsequenzen aus dieser Entwicklung sind sehr
leicht zu ziehen. In der Renaissance hatte die Kirche zu-
nächst noch gar keinen Grund, irgendwie sich dem neuen
Stil feindlich gegenüberzustcllen. Und der Barockstil hat
doch gerade bei der katholischen Partei seinen glänzendsten
Ausdruck gefunden. — Denn trotz allem, was man ein-
wenden kann, Barock und Gegenreformation sind nicht
zu trennen. Aber damit endet auch die eigentliche kirch-
liche Architektur, weil sie eben enden — mußte. Als die
klassizistischen und romantischen Wellen vorübergeflutet
waren, da konnte die Kirche sich nicht mehr aufraffen zu
einer zeitgemäßen Kunst. Es war ihr unmöglich, sich der
Formensprache derjenigen Kultur zu bedienen, die sich
von ihr losgerissen hatte. Denn erst im 18. und 19. Jahr-
hundert kam der Kirche die Klarheit, was die Renaissance
ihr entrissen hatte. In der vollen Blüte des Barock
kämpfte sie noch um die Wiedereroberung des Verlorenen.
Und die Hochspannung des kirchlichen Geistes hatte auch
auf die Kunst eingewirkt und so zunächst das Bewußtsein
nicht aufkommen lassen, daß trotz allem die zeitgenössische
Formensprache durchaus nicht sakraler Natur sei.
Das „historische" Jahrhundert hatte denn auch für
die kirchliche Negierung die Überlegung gebracht, und
das Ergebnis war, daß man sich resigniert von jedem
Fortschritt zurückzog und sich auf die „frommen" Stile
des Mittelalters beschränkte, die die Romantik wieder
zu Ehren gebracht hatte. Und dieser Standpunkt war
schließlich nicht so ungerechtfertigt. Man kann es ver-
stehen, daß eine Geistesmacht, die aus der beherrschenden
Stellung von einer neuen Zeitströmung verdrängt ist,
sich nur widerstrebend dazu hergibt, in ihren Kultbauten
die Ausdrucksformen der neuen Zeit anzuwenden.
Und was ergibt sich nun als Schlußfolgerung? Einen
zeitgemäßen Sakralstil zu schaffen, ist unmöglich. Was
Renaissance und Barock nicht vermochten, das gelingt
auch der Zeit des Welthandels und der Schwerindustrie
nicht. Mit dieser Tatsache muß die Kirche sich abfinden.
Sie kann sich dem Zuge der Zeit nicht erttgegenstemmen.
Doch mit ebensolcher logischen Sicherheit ergibt sich die
zweite Folgerung: die Kirche muß ihren stagnierenden
Kunstcharakter aufgeben. Will sie eine Stellung im
Geistesreiche der Neuzeit einnehmen, so ist dies die not-
wendige Bedingung. Was sie in der Zeit der Renaissance
unbewußt konzedierte, das hat sie jetzt mit klarer Erkennt-
nis zuzugeben: die Ausdrucksformen der neuen Zeit-
richtung auch für ihre architektonischen Bedürfnisse an-
zi;