N. Ewald.
Vorstadt (1910).
der schon als Kind tüchtige Proben eigenen Sehens abgelegt hatte, einen Studienaufenthalt an der Berliner Kunst-
gewerbeschule und spater in Italien. In Berlin waren die Professoren Böhland und Marcus seine eigentlichen Lehrer,
deren er mit besonderer Zuneigung gedenkt. Wie er überhaupt das „Handwerk" aus dem Grunde gelernt hat. Denn
vor dem Eintritt in die Berliner Schule war er nach dem Einjahrigen-Eramen zwei Jahre als richtiger Weißbindcrlehr-
ling tätig und sammelte Kenntnisse, die ihm bei seinen späteren dekorativen Arbeiten sehr zustatten kamen. Doch hat
er diese aufs Spezifisch-Kunstgewerbliche gehende Tätigkeit stets als einen Behelf zur Fristung der Lebensnot
betrachtet. Unterordnung unter anderer Leute Gedanken ist nie seine starke Seite gewesen.
Den Künstler in ihm zog als erster Mar Liebermann übermächtig an. Daneben Rembrandt. Dann ging der Weg
— tastend und mit Rückfällen, im Grunde jedoch geradlinig — zu Manet, Cäzanne, Matisse. Auch Ewald gesteht, wie
so viele andere junge deutsche Maler, durch die französischen Bilder Tschudis in der Nationalgalerie die stärkste Förderung
in der Erkenntnis der farbigen Erscheinung gewonnen zu haben, auf die seine Empfindung unbewußt zunächst, dann
immer klarer hinstrebte. Man muß jedoch diese Zeit einer freudigen Hingabe an die großen Franzosen — so tüchtige
Arbeiten ihr entsprangen — als einen Übergang bezeichnen. Sie mußten ihm helfen, von der durch den Einfluß Lieber-
manns und Rembrandts ihm vermittelten dunkeltonigen Palette zu der Farbigkeit zu gelangen, die ihn: heute als ein
Werkzeug zur Darstellung der in ihm schwingenden Welt dient. Nicht als das einzige — wie es Kandinsky schließlich
zur Verneinung alles Stofflichen führte. Seine Kunst beruht durchaus auf der Klarheit des Formbildes, zu besten
Erstellung Zeichnung und Farbe Zusammenwirken, wobei er für die Farbe noch zwischen der Wirkung der primären
farbigen Synthetik und des valeurhaften Helldunkeln unterscheidet, die sich keineswegs gegenseitig ausschließen. Er
lehnt damit die ausschließliche Neinfarbigkeit ab, die im Plakat enden muß. Zum Grundgesetz aller malerischen
Gestaltung ist ihm langsam die Umbiegung des in der Natur zufällig Geschauten in ein nach den inneren Gesetzen
des Stoffes bestimmtes Formbild geworden, das auf diesem Wege den Charakter des Unzeitgemäßen gewinnt. Zu
diesem Formbild gehören in gleicher Weise Zeichnung und Farbe; beide zusammen vermitteln durch ihre besondere
gesetzmäßige Anordnung — Steigerung oder Schwächung des Naturhaften — den in aller Klarheit gewollten Ausdruck
des Seelischen. Ewald berührt sich in diesem Programm aufs engste mit dem der alten Kunst, vor allem der mittel-
alterlich-deutschen. Nur daß er nicht äußerlich zu ihr kam, archaisierend wie Fritz Boehle oder gefühlsmäßig wie Thoma
oder Steinhaufen. Er bleibt dadurch vor der Wahl altertümelnder Stoffe bewahrt. Wie einst Grünewald und Dürer
ihren Heiligen das Zeitkostüm ohne Zögern gaben, ohne ihnen damit den Charakter des Ewigen zu nehmen, so sucht
auch Ewald in dem Alltäglichen das Ünzeitliche. Wie seine letzten Werke beweisen, mit gutem Erfolg. Die Ähnlichkeit
mit Werken etwa Grünewalds und Cranachs ergibt sich weniger aus einer äußerlichen Anlehnung als aus dem Streben
nach verwandten Zielen. Ein Bild wie der „Bajonettangriff" ist doch im letzten so modern, daß er als vollgültiges künst-
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