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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 26.1916

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Heft 10/11
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Häuselmann, Johann Friedrich: Der Maler und Graphiker Cissarz
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https://doi.org/10.11588/diglit.26490#0348

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I. D. Cissarz. Abb. 4. Skizze zum Tanz im Stuttgarter Ratskeller.

lassen. Es handelt sich um Zeichnungen, die außerdem den freien Künstler, der Cissarz neben seinem stark ausgeprägten
dekorativen Sinn doch auch geblieben ist, zu erkennen geben. Tafel 4 gewahrt einen Einblick in die Linearkomposition,
welche vermutlich den Hang zum Dekorativen begründet hat. Das Architektonische ist hier noch weniger ausgeprägt,
aber es läßt lebhaft nachempfinden, wie es den Künstler bei allem natürlichen Sehen nach einem selbstgesuchten Aufbau
der Linien drängt. Auch Abb. 8 reicht schon ins dekorativ Gewollte hinein, wobei außerdem eine verblüffende Einfach-
heit der Linien auffällt.
Schon mit diesen zeichnerischen Proben läßt sich die graphische Kunst bei Cissarz hinreichend belegen. Und das
rein Malerische, Farbige endlich ist nicht minder erfreulich. Leider war es nicht möglich, auch nur ein Bild farbig wicdcr-
zugeben. Hierin ist der Leser nur auf eigene Vorstellungen angewiesen. Cissarz liebt unvermischte, deckende Farben.
Neuerdings wird er vielleicht auch hierin etwas lockerer, aber die Intensität, mit welcher er die Farben aufträgt, wird
immer auf eine sehr strenge und entschiedene malerische Art führen. So sind die Skizzen für die dekorativen Malereien
in Abb. 3 und Tafel 1 zumeist leicht in der farbigen Erscheinung, aber es fehlt durchaus nicht an tiefdunklen Teilen. Nur-
weiß sie Cissarz so zu beschränken, daß sie die Gesamtwirkung nie überdüstern, sondern immer als zurücktretende
farbige Kontraste wirken. Das ist schlechtweg das Geheimnis der Cissarzschen Malerei. Die Farben, selbst die hellsten,
sind wahrhaftig nicht dünn aufgetragen, doch geschieht das alles mit einer hochentwickelten malerischen Reinheit, wobei
jedenfalls auch wieder der genaue Zeichner verhelfen mag. So betrachten sich rein malerisch alle Arbeiten von diesen
Grundlinien aus. Diese Malerei ist im Grunde recht einfach, weil das Zeichnerische vielfach zu Hilfe kommt, doch wird
man sie nicht arm, oder leer heißen können, denn sie sprüht über von Licht und Schärfe, und sie ruht auf einer wohl-
verteilten Schattenökonomie. Hellgrün, blaugrün, rotbraun, gelb, violett, weinrot, dieses sind die wichtigsten Farben
auf der Malscheibe des Künstlers.
Nirgends hat er bisher mehr Gelegenheit gehabt, diese leuchtende, tiefe Koloristik zu entfalten, als in den
Bildern im Stuttgarter Ratskeller. Es handelt sich hier um zwei wenig hohe Trinkstuben für die Ratsherren.
Die eine davon hat einen rechteckigen Grundriß, die andere einen nahezu quadratischen, beide haben je eine
Fensterwand, während sie mit Tonne, beziehungsweise Kreuzgewölbe abgedeckt sind. Der lange Raum ist bis
Brüstungshöhe mit Plättchen ausgelegt, der Gewölberaum dagegen hat auf gleiche Höhe eine Holzvertäfelung.
Die Beleuchtungskörper sitzen immer nahe an den Decken. Die Aufgabe des Malers bestand hier erstens im
Ausmalen der Decken, ferner waren die Wände über dem Getäfel, beziehungsweise den Kacheln, zu übermalen.
Sehr richtig wurde in Betracht der Naumhöhen die Deckenmalerei ganz leicht und mehr ornamentierend, die
Wandmalerei dagegen stark und figürlich ausgeprägt gewählt. Dadurch wird das Gewicht der Wände im
Räumlichen nicht unwesentlich, zweifellos auch optisch wahrnehmbar, erhöht, während die Decken das Drückende
verlieren. Cissarz hat sich hier immerhin als guter Architekt erwiesen, und dekorativ malerisch hat er sich hier,
wie bemerkt, erstmals nach Kräften ausleben können.
Die Hauptbedeutung bekam der viereckige Raum. Von den dortigen Wandgemälden sind hier zwei in Skizzenform
wiedergegeben. Abb. 2 betitelt sich das „Hochzeitsmahl", Abb. 4 stellt den „Tanz" dar. Das dritte Bild zeigt „Musi-
zierende und Ruhende", während die vierte Wand mit den Fenstern durchbrochen ist. Die Malwände wiederum sind
sämtliche Türenwände, d. h. es schneiden Türen in die Malfläche ein. Hier hat Cissarz nun überall zuerst eine Stein-

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