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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 26.1916

DOI Heft:
Heft 10/11
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Häuselmann, Johann Friedrich: Der Maler und Graphiker Cissarz
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https://doi.org/10.11588/diglit.26490#0354

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Abb. 10. Dächer von Wismar (Tusche und Kohle).

Endlich tritt uns in diesen Natskellermalereien noch die Ornamentik des Künstlers entgegen. So ist die Mitte der
Gewölbedecke mit einem sternenartigen Ornament überzogen, wahrend der Wandfries im langen Nanin blattartig
entwickelt ist. Bei den Fensterwänden gibt es dann etwas starre Ornamentengeometrie, wozu sich Cissarz immer mit
Vorliebe der jonischen Voluten bedient hat.
Als geistigen Vorläufer für die Ratskellermalereien möchte ich das in Abb. 5 nur im Karton wiedergegebene
dekorative Gemälde im Musikraum eines Landsitzes bezeichnen. Es ist in Kasein ausgeführt und sitzt zwischen grauen
Marmorwänden, bei tiefblauem Stucco lustro und vergoldeter Decke. Die Höhe betragt etwa 2,50 m. Die Gewänder
blieben hier weiß, das Gras im Vordergrund ist warm hell beleuchtet, die Schattenstellen gehen ins Violette, der See
(die Schiffe fielen weg) wurde grünlich-blau, wahrend die Wolken lustig, goldfarben erscheinen mußten. Gegenüber
der strengen Ruhe der Rathausbilder fallt aber hier die kreisförmige Bewegung des Vordergrundes auf. Und das Land-
schaftliche des Vordergrundes und das Figürliche verbinden sich darin, so daß bier das Dekorative viel starker ausgeprägt
ist. Eine webstoffartige malerische Behandlung mag diesen Eindruck noch erhöhen.
Weitere dekorative Malereien finden sich, wie erwähnt, im neuen Stuttgarter Hoftheater. Hier handelt es sich
einmal um ein starkfarbiges dekoratives Stilleben im Foyer zur Fürsten- und Jntendantenloge, ferner um zwei dekora-
tive Pastellgemälde im Fürstcnzimmer, Abendlandschaft mit Geiger und die Gralsburg darstellend, endlich um ein
dekoratives Gemälde „Romanze" im Logcnzimmer des Intendanten. In der Friedenskirche in Offenbach ragt besonders
das Altargemälde mit Christusbild bervor, die farbige Wirkung ist hier stark spektralförmig. Die Malereien, welche sich
in Privatbcsitz befinden, sind sehr freier landschaftlicher Art. Deshalb sei stier zugleich auch an den Radierer Eissarz
erinnert, der besonders der Kaltnadelarbeit zugetan ist. Seine Motive hierzu aber liegen meist in der Nahe seiner
alten Heimat. Die Ost- und Nordseeküste geben einem so sicheren und zarten Zeichner schönste Gelegenheit zum
Veranschaulichen ihrer einfachen, weiträumigen, durch kleine Einzelheiten unterbrochenen, aber von einer dünnen
Luft eingchülltcn Landschaft. Tafel 3 legt ein schönes Zeugnis hierfür ab und Abb. 6, eine einfache Kreide-
zeichnung einer Dünenküste, läßt vielleicht noch mehr erkennen, aus welchen Tiefen inneren Erlebens und
Erschauens hier der Stift geführt wird. Abb. 10 kommt von einer breit genullten Tusche- und Kohlezeichnung;
das ätherisch Leichte eines Ostseestädtchens kommt aber auch hier zum Ausdruck, trotz der strengen Architektur der
hervortretendcn Baumassen.
Mit Abb. 7 kommen wir wieder zum dekorativen Maler zurück. Haben wir früher eine reine Lincarkomposition
vor uns gehabt (Tafel 4), so zeigt sich stier in Pastell eine scheinbar undekorative, aber im Grunde doch recht dekorative
Körperkomposition. Das Weiche, Verfließende wird hier durch eine sehr polychrome Malerei unterstützt. Dasselbe
Streben, in Blei übertragen, zeigt die Kompositionsskizze in Abb. 11, während mit Abb. 7 wieder der rein seelische
Ausdruck festgehalten erscheint, doch spielen in den äußeren Linien auch hier schon stark dekorative Absichten nut.
Überhaupt läßt sich in allen freieren Arbeiten, höchstens abgesehen von den Seelandschaften, aber einschließlich
des Stadtbildes, ein dekorativer Sinn verfolgen, der den Ausdruckswillen des rein Natürlichen oder Seelischen begleitet.
Das stille Walten in der Natur und das Geheimnis der Seelen erscheinen hier schon eingehend überarbeitet und für dekora-
tive Zwecke ausgcnutzt. Und wahrend wir in Cissarz schon einen raumbildenden Maler kennen lernten, so kommt hier
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