Künstlerischer Eisenguß vor hundert Jahren.
guß, wie ihn die Höchstleistungen im Eisenschmuck um
1815 ausweisen, direkt vor einem Rätsel, dessen Geheim-
nis uns verschlossen ist. In den Büsten, Statuetten,
Reliefs, Medaillen, Münzen, künstlerisch ausgestal-
teten Gegenständen täglichen Gebrauchs usw., die uns
in vereinzelten Sammlungen hier und dort erhalten
sind, zeigt sich durchweg eine Virtuosität in der Be-
handlung des spröden Materials, eine Klarheit und
Feinheit der Fornwnsprache, Anmut des Stils, Jartheit
und Eleganz des Gusses, daß man vor dieser Höhe
technischer Vollendung und sicheren künstlerischen Ge-
schmacks staunend und neidvoll verharrt.
Bisher hat die Kunstgeschichte sehr zu Unrecht nur
die ältesten Erzeugnisse der Eisengußtechnik beachtet,
jene primitiven Grab- und Ofenplatten aus dem 17. und
18. Jahrhundert mit derben Reliefdarstellungen religiösen
oder mythologischen Inhalts, wie sie das Germanische
Museum in Nürnberg
und das Märkische Mu-
seum in Berlin aufbe-
wahren. Die eigentliche
Blüte der Technik be-
ginnt jedoch erst mit dem
Ausgang des 18. Jahr-
hunderts und umfaßt
etwa die beiden ersten
Jahrzehnte des 19. Jahr-
hunderts. Den Anstoß
zur allgemeinen Auf-
nahme des Eisengusses in
Deutschland haben gegen
Ende des 18. Jahrhun-
derts englische Schmuck-
neuheiten gegeben, die
in großen Massen über
den Kanal kamen und
außerordentlich starken
Beifall fanden. Sie be-
standen aus zierlich in
Silber gefaßten Eisen-
abgüssen antiker Gem-
men, die als Kettenglie-
der zu Armbändern, Hals-
bändern usw. zusammen-
gesetzt waren. Was man
drüben aus raffinierter Freude am pikanten Gegen-
satz des Materials ersonnen hatte, das griff man im
ärmeren Deutschland mit Begier des billigen Materials
wegen auf. Bei den Gemmcnabgüssen nach der Antike
hielt man sich nicht lange auf. Man ging sehr bald zur
Porträtmedaille bekannter aktueller Persönlichkeiten
über. Das in Wachs modellierte Reliefbildnis des Lan-
desherrn, bekannter Staatsmänner, Heerführer, Dichter,
Schauspieler usw. wurde im Eisenabguß auf den Markt
gebracht und ward nach und nach zur großen Aeitmode.
Die Nachfrage nach diesen ungemein sauber und scharf
gegossenen Eisenportrats stieg ungeheuer; es gehörte
schließlich zum guten Ton in Bürgerkreisen, neben der
geschnittenen Silhouette auch das eigene Konterfei in
Eisenabguß zu besitzen. Kein Wunder, daß die sogenann-
ten „Medaillenformereien" zu immer größerer tech-
nischer Vollkommenheit aufblühten. Im sächsischen
Hüttenwerk Lauchhammer des Grafen von Einsiedeln
begann man sogar schon Randfiguren mit Hilfe des
sehr umständlichen und kostspieligen Wachsausschmelz-
verfahrens zu gießen. Bcmern und Württemberg
richteten Königliche Eisengießereien für Kunstguß in
Bodenwöhr, Obereichstädt und Wasseralfingen ein.
Preußen wendete sich der neuen Liebbaberei später,
dann aber um so energischer zu. Erst 1798 wurde
der Königlichen Gießerei in Gleiwitz eine Abteilung
für Kunstguß angegliedert; doch bereits 1803 besitzt
auch Berlin seine staatliche Medaillenformerei. Von
nun ab setzt ein scharfer Konkurrenzkampf zwischen
den nord-, mittel- und süddeutschen Gießereien ein,
der in kürzester Zeit jene verblüffende Höhe tech-
nischer Meisterschaft herbeiführt, die uns an den Er-
zeugnissen dieser alten Eisenkunst so in Erstaunen setzt.
Berlin übernimmt bald die unbestrittene Führung.
Unter dem Druck der Zeit und der militärischen Ereig-
nisse wird für Preußen
der Eisenguß zum jubelnd
aufgenommenen Symbol
und damit zugleich zum
absoluten und ausschlag-
gebenden künstlerischen
Ausdruck der Aeit. Eisen
ist Trumpf auf der ganzen
Linie. Das heißerstrebte
Ziel wird erreicht: man
lernt, Rundfiguren nach
einer für den Massenguß
geeigneten Methode in
der Sandform gießen.
Als gar der Berliner
Modellmeister Stilarsky
1814 die Sandtcilform
erfand, die gestattete,
Büsten und Statuetten
in der San dm ässe hohl
einzuformen, so daß
das Modell dauernd ge-
brauchsfähig blieb und
eine dünnwandige, tadel-
lose Gußfläche erzielt
wurde, bei der eine nach-
trägliche -Ziselierung un-
nötig war — da hatte der
Eisenguß die letzten hindernden Schranken durchbrochen.
Technische Scbwierigkeiten gab es nicht mehr für ihn.
Die ganze um Schadow und Rauch gescharte Berliner
Bildhauerschule wetteiferte nun, Originalentwürfe fin-
den neuen Kunstzweig zu schaffen. Eine Eisenplastik
von ungeahnter Reichhaltigkeit und Bedeutung blühte
empor. 1816 konnte die preußische Regierung, uni
allen Anforderungen zu genügen, noch eine dritte
Kunstgießcrci in dem neuerworbenen alten Hüttenwerk
Sayn bei. Ehrenbreitstcin für die rheinischen Pro-
vinzen begründen. Auch diese Zweigniederlassung des
Berliner Werks hat unter eigenen Modelleuren und
Bildhauern Vorzügliches geleistet! Bis zu welchen
gewaltigen Leistungen sich die Schwärmerei für den
Eisenguß in jenen Jahren hat Hinreisen lassen, das be-
weisen die Statuen in Lebensgröße, die Neitcrdcnk-
mälcr in Meterhöhe, Rauchs Jungfrau von Tanger-
münde auf dem Hirsch, die Kolossallöwen an verschiedenen
Eisengußteller mit antiken Gottheiten.
Z90
guß, wie ihn die Höchstleistungen im Eisenschmuck um
1815 ausweisen, direkt vor einem Rätsel, dessen Geheim-
nis uns verschlossen ist. In den Büsten, Statuetten,
Reliefs, Medaillen, Münzen, künstlerisch ausgestal-
teten Gegenständen täglichen Gebrauchs usw., die uns
in vereinzelten Sammlungen hier und dort erhalten
sind, zeigt sich durchweg eine Virtuosität in der Be-
handlung des spröden Materials, eine Klarheit und
Feinheit der Fornwnsprache, Anmut des Stils, Jartheit
und Eleganz des Gusses, daß man vor dieser Höhe
technischer Vollendung und sicheren künstlerischen Ge-
schmacks staunend und neidvoll verharrt.
Bisher hat die Kunstgeschichte sehr zu Unrecht nur
die ältesten Erzeugnisse der Eisengußtechnik beachtet,
jene primitiven Grab- und Ofenplatten aus dem 17. und
18. Jahrhundert mit derben Reliefdarstellungen religiösen
oder mythologischen Inhalts, wie sie das Germanische
Museum in Nürnberg
und das Märkische Mu-
seum in Berlin aufbe-
wahren. Die eigentliche
Blüte der Technik be-
ginnt jedoch erst mit dem
Ausgang des 18. Jahr-
hunderts und umfaßt
etwa die beiden ersten
Jahrzehnte des 19. Jahr-
hunderts. Den Anstoß
zur allgemeinen Auf-
nahme des Eisengusses in
Deutschland haben gegen
Ende des 18. Jahrhun-
derts englische Schmuck-
neuheiten gegeben, die
in großen Massen über
den Kanal kamen und
außerordentlich starken
Beifall fanden. Sie be-
standen aus zierlich in
Silber gefaßten Eisen-
abgüssen antiker Gem-
men, die als Kettenglie-
der zu Armbändern, Hals-
bändern usw. zusammen-
gesetzt waren. Was man
drüben aus raffinierter Freude am pikanten Gegen-
satz des Materials ersonnen hatte, das griff man im
ärmeren Deutschland mit Begier des billigen Materials
wegen auf. Bei den Gemmcnabgüssen nach der Antike
hielt man sich nicht lange auf. Man ging sehr bald zur
Porträtmedaille bekannter aktueller Persönlichkeiten
über. Das in Wachs modellierte Reliefbildnis des Lan-
desherrn, bekannter Staatsmänner, Heerführer, Dichter,
Schauspieler usw. wurde im Eisenabguß auf den Markt
gebracht und ward nach und nach zur großen Aeitmode.
Die Nachfrage nach diesen ungemein sauber und scharf
gegossenen Eisenportrats stieg ungeheuer; es gehörte
schließlich zum guten Ton in Bürgerkreisen, neben der
geschnittenen Silhouette auch das eigene Konterfei in
Eisenabguß zu besitzen. Kein Wunder, daß die sogenann-
ten „Medaillenformereien" zu immer größerer tech-
nischer Vollkommenheit aufblühten. Im sächsischen
Hüttenwerk Lauchhammer des Grafen von Einsiedeln
begann man sogar schon Randfiguren mit Hilfe des
sehr umständlichen und kostspieligen Wachsausschmelz-
verfahrens zu gießen. Bcmern und Württemberg
richteten Königliche Eisengießereien für Kunstguß in
Bodenwöhr, Obereichstädt und Wasseralfingen ein.
Preußen wendete sich der neuen Liebbaberei später,
dann aber um so energischer zu. Erst 1798 wurde
der Königlichen Gießerei in Gleiwitz eine Abteilung
für Kunstguß angegliedert; doch bereits 1803 besitzt
auch Berlin seine staatliche Medaillenformerei. Von
nun ab setzt ein scharfer Konkurrenzkampf zwischen
den nord-, mittel- und süddeutschen Gießereien ein,
der in kürzester Zeit jene verblüffende Höhe tech-
nischer Meisterschaft herbeiführt, die uns an den Er-
zeugnissen dieser alten Eisenkunst so in Erstaunen setzt.
Berlin übernimmt bald die unbestrittene Führung.
Unter dem Druck der Zeit und der militärischen Ereig-
nisse wird für Preußen
der Eisenguß zum jubelnd
aufgenommenen Symbol
und damit zugleich zum
absoluten und ausschlag-
gebenden künstlerischen
Ausdruck der Aeit. Eisen
ist Trumpf auf der ganzen
Linie. Das heißerstrebte
Ziel wird erreicht: man
lernt, Rundfiguren nach
einer für den Massenguß
geeigneten Methode in
der Sandform gießen.
Als gar der Berliner
Modellmeister Stilarsky
1814 die Sandtcilform
erfand, die gestattete,
Büsten und Statuetten
in der San dm ässe hohl
einzuformen, so daß
das Modell dauernd ge-
brauchsfähig blieb und
eine dünnwandige, tadel-
lose Gußfläche erzielt
wurde, bei der eine nach-
trägliche -Ziselierung un-
nötig war — da hatte der
Eisenguß die letzten hindernden Schranken durchbrochen.
Technische Scbwierigkeiten gab es nicht mehr für ihn.
Die ganze um Schadow und Rauch gescharte Berliner
Bildhauerschule wetteiferte nun, Originalentwürfe fin-
den neuen Kunstzweig zu schaffen. Eine Eisenplastik
von ungeahnter Reichhaltigkeit und Bedeutung blühte
empor. 1816 konnte die preußische Regierung, uni
allen Anforderungen zu genügen, noch eine dritte
Kunstgießcrci in dem neuerworbenen alten Hüttenwerk
Sayn bei. Ehrenbreitstcin für die rheinischen Pro-
vinzen begründen. Auch diese Zweigniederlassung des
Berliner Werks hat unter eigenen Modelleuren und
Bildhauern Vorzügliches geleistet! Bis zu welchen
gewaltigen Leistungen sich die Schwärmerei für den
Eisenguß in jenen Jahren hat Hinreisen lassen, das be-
weisen die Statuen in Lebensgröße, die Neitcrdcnk-
mälcr in Meterhöhe, Rauchs Jungfrau von Tanger-
münde auf dem Hirsch, die Kolossallöwen an verschiedenen
Eisengußteller mit antiken Gottheiten.
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