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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 26.1916

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Nr. 12
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Delpy, Egbert: Künstlerischer Eisenguss vor hundert Jahren
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https://doi.org/10.11588/diglit.26490#0408

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Künstlerischer Eisenguß vor hundert Jahrein

gangenen Bronzeguß anzuwenden, sobald die Not der
Zeit nachließ und wieder reichere Mittel zu Gebote
standen. Der Versuch glückte über alles Erwarten hinaus!
Immerhin hatte der billigere Eisenguß noch Aussicht
auf ein bescheideneres, aber doch in den bürgerlichen Be-
dürfnissen begründetes Dasein. Da wurde dem Eisen
der Todesstoß durch den aufkommenden Ainkguß ver-
setzt, der noch billiger und dabei leichter im Guß war.
Überdies konnte man damit sa auch die vornehmere
Bronze imitieren. 1838 muß die Berliner Gießerei ihre
gesamten Bestände versteigern; trotz aller Preisherab-
setzung konnte sie keine Abnehmer mehr finden. Die
Erstürmung der Berliner Manufaktur im Revolutions-
jahr 1848 und die Vernichtung der Rezeptbücher und
Modelle durch den Straßenpöbel setzt nur noch den
äußeren Schlußstrich unter einen bereits erfolgten Ab-
schluß. Der Vorhang fällt damit über einem der reiz-
vollsten Zweige deutschen Kunstschaffens.
Überblickt man das Wenige, was uns an Eisengüssen
aus jener Zeit erhalten ist (in öffentlichen Sanunlungen
findet man so gut wie nichts, den besten Eindruck erhält
man in den Privatsammlungen des Bergrats Arbenz
in Gleiwitz und des Architekten Prof. Lamprecht in
Leipzig), so staunt inan immer wieder über die Voll-
endung in der Behandlung des spröden Materials, zu-
gleich aber imponiert die geschmackvolle Sicherheit in der
Verwendung der wechselnden Stilelemente, die sich von
den antikisierenden Motiven über das Empire hinweg
zum Biedermeier bewegen. Einen Platz für sich nimmt
die Berliner Spezialität, der Eisenschmuck, ein, dessen

Ruhm weit über Deutschlands Grenzen hinaus ge-
drungen ist. Wir wissen, daß hierbei die Hilfe der
Goldschmiede in ausgedehntester Weise herangezogcn
wurde. Sie fertigten die silbernen Gußmodelle, die für
den bezaubernden Filigranguß dieser Ketten, Ohrringe,
Broschen, Gürtelschnallen usw. benötigt wurden. Auf
ganz hervorragenderHöhe bewegte sich auch derMedaillen-
guß. Das Schönste hat hier Leonhard Posch geleistet, der
als gereifter Künstler 1804 von Wien nach Berlin über-
siedelte und dort etwa 1000 Medaillen schuf, deren Klar-
heit, Kraft und Charakteristik nicht zu überbieten sind.
Vergebens hat man im Auslande versucht, den deut-
schen Eisenguß nachzuahmen. Napoleon ließ 1808 durch
seinen Generalinspektor der Hüttenwerke 749 Schmuck-
gegenstände aus Eisen in Preußen einfordern und nach
Paris senden, ohne daß es dort gelungen wäre, dem
Geheimnis der Gußtechnik auf die Spur zu kommen.
Tatsache ist, daß die Herstellung eines geeigneten reinen
und flüssigen Eisens der Zeit vor hundert Jahren leichter
fiel als selbst uns heute! Uni so stärker wird es den Ehrgeiz
unserer Praktiker locken, Verlorenes neu zu erobern und
den Nachweis zu erbringen, daß die gleiche Not auch auf
künstlerischem Gebiet die gleichen Höhenleistungen bei uns
hervorbringt. Unseren Kunsthistorikern aber erwächst gleich-
zeitig die schöne Aufgabe, dem bisher viel zu wenig be-
achteten Kunstzweige forschend nachzugehen. Hoffentlich
trägt der Zeitgeist dazu bei, daß uns von berufener Feder
die Geschichte der deutschen Eisengußkunst geschrieben
wird. Auch das wäre eine schöne Friedensfrucht dieser
Kriegsjahre! f679) vr. Egbert Delpy.



Eisengußmedaillen vor lmndert Jahren.
 
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