Beiträge zum Problem der Wandmalerei.
und bleiben, weil die Einschränkungen, die sie kategorisch
fordert, der lebendigen Form nur allzuleicht im Wege
stehen. Es bedürfte übermenschlicher Kräfte, hier das
Vollkommene zu leisten, und es ist kein Wunder, daß an
diesem Problem auch unsere Gewaltigsten zerschellten.
Wo aber ein schlichter Sinn, verbunden mit innerer
Größe, das theoretisch Notwendige richtig fühlt, wo mit
Bescheidenheit und Fleiß eine bestmögliche Erfüllung
dieser mehr kunstgewerblichen Voraussetzungen angestrebt
wird, können Dinge entstehen, die neben dem Glasbild
und dem Teppich (Formen, die doch streng genommen
den Vorzug hätten) auch als ähnlich bedingte Malerei
ihre Berechtigung haben, und zwar je mehr, je ent-
schiedener alle archaistischen Anlehnungen überwunden
werden können. Leidenschaftlich angestrebt ist dieses Ziel
in den bemerkenswert gründlich durchgearbeiteten und
intensiv empfundenen Wandbildern von H. Kob für die
Kirche von Rommelshausen. Mit einfacheren Mitteln
annähernd erreicht ist es z. B. bei F. Mutzenbechers Kon-
firmandenbilde im Ulmer Fischerbau (die Ausschaltung
des störenden Fensters und die Einschränkung des Bild-
formates wurde auch hier versäumt) oder bei K. Haerlins
Kreuzigungsbild in Elsässers Tübinger Betsaal bzw. bei
ihren Holzelfinger Bildern. Je unifangreicher der Zyklus,
je größer das Format, desto weniger können auch solche
durch ihre kunstgewerbliche Bedingtheit dem schwersten
Konflikt entrückten Begabungen Ausreichendes geben; da
wird es teils an der Kraft, teils am Können, meistens
auch an der Zeit fehlen, um die in ihren inneren Schwierig-
keiten oft unterschätzte Aufgabe befriedigend zu lösen.
Jedenfalls möchte man in allen Fällen, wo ein leben-
diges Problem der reinen Malerei um Ausdruck ringt,
dem Künstler statt der Wand die Tafel wünschen, die
Tafel etwa im Sinne des mittelalterlichen Altarbildes,
für das sicher auch auf evangelischer Seite in gut belich-
teten, offen oder geschlossen dem Hauptraum angeglieder-
ten Nebenräumen (die für Bilderschmuck sowieso die
bestgeeigneten sind) eine Form und ein Platz gefunden
werden kann. Damit würdcn zugleich zwei besonders
schwerwiegende Nachteile ausgeschaltet werden unter
denen nur allzuviele Wandbilder (auch weltberühmte
Beispiele) leiden, deren Sehbarkeit durch unvernünftige
Entfernung oder nicht weniger unsinnige Beleuchtungs-
verhältnisse oft so gut wie aufgehoben ist. Vor der
monumentalen Kraft, vor der lichtstarken Farbigkeit,
vor der gewaltigen Realistik einer Multscher-Tafel ver-
blassen vorläufig auch die besten Versuche der Expressio-
nisten, die zum Teil wenigstens die Sieghaftigkeit dieses
mittelalterlichen Naturalismus zu erkennen scheinen. All-
herr, Caspar und Eberz sind im Rahmen dieser württem-
bergischen Betrachtung noch zu nennen. Caspar hat für
Binsdorf und andere Orte der Balinger Alb die schönsten
neuzeitlichen Bilderzyklen Württembergs geschaffen.
In Binsdorf hat er bewiesen, daß man Vorbildern aus
dem Kunstkreis des Fra Angelico mit Glück sich anschließen
und dabei doch wett über die dünne und schwächliche
Umrißkunst der Beuroner hinausgelangen kann. Aber
auch Caspars frühe Wandbilder machen trotz ihrer großen
koloristischen Reize im Gegensatz etwa zu der frischen
Bildhaftigkeit seiner späteren Erntekomposition für das
Ebinger Rathaus den Eindruck artistischen Nachempfin-
dens; der Künstler wird diese Jugendperiode, so Schönes
sie auch gebracht, vermutlich ein für allemal überwunden
haben; und zwar mit vollem Recht. Eine sehr ähnliche Ent-
wicklung von einer an die Kontur- bzw. Reliefkomposition
gebundenen Figurenwandkunst (Mosaiken in der Basler
Pauluskirche) zu einem auf der Farbe beruhenden Stil
(Bilder zu dem neuen Kurhaus in Baden-Baden) hat
Heinrich Altherr hinter sich; fast noch mehr als bei Caspar
und Brühlmann drängt sich bei ihm die Frage auf, ob die
gewiß höchst lockende Bemühung um das freierfundene
Figurenbild den an sich schon so dornenvollen Weg zur
Malerei nicht in einer Weise erschwert, die über die Kraft
dieses Künstlers geht. Zieht man noch die ehemaligen
Kalckreuth-Schüler Hofer und Freyhold in die Betrach-
tung herein, so ergibt sich selbst bei Hofer, der sicher von
allen in dieser Übersicht behandelten Künstlern am stärksten
und bedeutungsvollsten sich entwickelt hat, und der mit
seinen römischen Bittern sowohl auf Caspar wie auf
Brühlmann und E. R. Weiß lange Zeit bestimmend ein-
gewirkt hat, ganz dieselbe Fragestellung, während Frey-
hold durch seine kluge Beschränkung auf das ihm Mög-
liche doppelt liebenswert erscheint: In seinem Hasen-
bilderbuch und ähnlichen Werken dieser Gattung hat der
neue illustrativ-monumentale Wandstil, so paradox es auch
klingen mag, eine besonders sympathische Anwendung
gefunden, und Freyholds spätere Entwicklung zum Stil-
lebenmaler ist gerade deshalb so respektabel, weil er sich
dadurch selbst gezwungen hat, den sicheren Boden einer
wurzelfesten Malerei nicht zugunsten eines nur scheinbar
erhöhten Wolkenlebens zu verlassen. Von dem Hottzel-
schüler Eberz sind seine farbig und formal schön an-
gelegten und relativ gut durchstudierten, trotzdem leider
abgelehnten Kompositionen für eine Kirche in Kaisers-
lautern hervorzuheben, die ebenfalls zu den besten
Leistungen auf diesem Gebiet gehören. Eberz hat hier
dank dem bescheidenen Format die erschreckende Leere
mancher seiner allzugroßen Entwürfe in erfreulicher
Weise vermieden. Caspar führt hinüber zu dem in Stutt-
gart geborenen, in Jockgrim tätigen Haueisen, der am
wenigsten mit Archaismen sich beschwert und unter den
Genossen dieses schwäbischen Kreises am zielbewußtesten
die Malerei der Zeit zu lebendiger Monumentalität zu
steigern versucht. Ein Kartonkünstler vom alten Schlag,
ein Geistesverwandter von Cornelius und Rethel, ist
der seit kurzem in Stuttgart ansässige, vom Niederrhein
stammende Waldschmidt, der mtt den durch Schmidt-
Reutte bekannten Ausdrucksmitteln arbeitet. Aber sein
gewaltiger Linearstil führt ab von der Malerei, kommt
erst in der plastischen Reliefdarstellung zu einem ganz
reinen Ausdruck. Was er geben will und kann, ist das
höchste Maß an innerer Kraft und Spannung, das ein
bei aller Naturerfülltheit aufs äußerste vereinfachter
und ganz zur architektonischen Vorstellung gewandelter
Menschenkörper durch seine Form und Linie im Bild aus-
zuströmen vermag. Wenn Hodler seine ursprüngliche
und große Malersinnlichkeit vollends ganz abstreifen
würde, könnte man Waldschmidt mit den: gleich heroisch
gesinnten Schweizer am ehesten vergleichen. Auf die
Entwicklung der Malerei üben überragende Erscheinungen
dieser Art freilich eher einen hemmenden als fördernden
Einfluß. H. O. Schalter.
zy-
und bleiben, weil die Einschränkungen, die sie kategorisch
fordert, der lebendigen Form nur allzuleicht im Wege
stehen. Es bedürfte übermenschlicher Kräfte, hier das
Vollkommene zu leisten, und es ist kein Wunder, daß an
diesem Problem auch unsere Gewaltigsten zerschellten.
Wo aber ein schlichter Sinn, verbunden mit innerer
Größe, das theoretisch Notwendige richtig fühlt, wo mit
Bescheidenheit und Fleiß eine bestmögliche Erfüllung
dieser mehr kunstgewerblichen Voraussetzungen angestrebt
wird, können Dinge entstehen, die neben dem Glasbild
und dem Teppich (Formen, die doch streng genommen
den Vorzug hätten) auch als ähnlich bedingte Malerei
ihre Berechtigung haben, und zwar je mehr, je ent-
schiedener alle archaistischen Anlehnungen überwunden
werden können. Leidenschaftlich angestrebt ist dieses Ziel
in den bemerkenswert gründlich durchgearbeiteten und
intensiv empfundenen Wandbildern von H. Kob für die
Kirche von Rommelshausen. Mit einfacheren Mitteln
annähernd erreicht ist es z. B. bei F. Mutzenbechers Kon-
firmandenbilde im Ulmer Fischerbau (die Ausschaltung
des störenden Fensters und die Einschränkung des Bild-
formates wurde auch hier versäumt) oder bei K. Haerlins
Kreuzigungsbild in Elsässers Tübinger Betsaal bzw. bei
ihren Holzelfinger Bildern. Je unifangreicher der Zyklus,
je größer das Format, desto weniger können auch solche
durch ihre kunstgewerbliche Bedingtheit dem schwersten
Konflikt entrückten Begabungen Ausreichendes geben; da
wird es teils an der Kraft, teils am Können, meistens
auch an der Zeit fehlen, um die in ihren inneren Schwierig-
keiten oft unterschätzte Aufgabe befriedigend zu lösen.
Jedenfalls möchte man in allen Fällen, wo ein leben-
diges Problem der reinen Malerei um Ausdruck ringt,
dem Künstler statt der Wand die Tafel wünschen, die
Tafel etwa im Sinne des mittelalterlichen Altarbildes,
für das sicher auch auf evangelischer Seite in gut belich-
teten, offen oder geschlossen dem Hauptraum angeglieder-
ten Nebenräumen (die für Bilderschmuck sowieso die
bestgeeigneten sind) eine Form und ein Platz gefunden
werden kann. Damit würdcn zugleich zwei besonders
schwerwiegende Nachteile ausgeschaltet werden unter
denen nur allzuviele Wandbilder (auch weltberühmte
Beispiele) leiden, deren Sehbarkeit durch unvernünftige
Entfernung oder nicht weniger unsinnige Beleuchtungs-
verhältnisse oft so gut wie aufgehoben ist. Vor der
monumentalen Kraft, vor der lichtstarken Farbigkeit,
vor der gewaltigen Realistik einer Multscher-Tafel ver-
blassen vorläufig auch die besten Versuche der Expressio-
nisten, die zum Teil wenigstens die Sieghaftigkeit dieses
mittelalterlichen Naturalismus zu erkennen scheinen. All-
herr, Caspar und Eberz sind im Rahmen dieser württem-
bergischen Betrachtung noch zu nennen. Caspar hat für
Binsdorf und andere Orte der Balinger Alb die schönsten
neuzeitlichen Bilderzyklen Württembergs geschaffen.
In Binsdorf hat er bewiesen, daß man Vorbildern aus
dem Kunstkreis des Fra Angelico mit Glück sich anschließen
und dabei doch wett über die dünne und schwächliche
Umrißkunst der Beuroner hinausgelangen kann. Aber
auch Caspars frühe Wandbilder machen trotz ihrer großen
koloristischen Reize im Gegensatz etwa zu der frischen
Bildhaftigkeit seiner späteren Erntekomposition für das
Ebinger Rathaus den Eindruck artistischen Nachempfin-
dens; der Künstler wird diese Jugendperiode, so Schönes
sie auch gebracht, vermutlich ein für allemal überwunden
haben; und zwar mit vollem Recht. Eine sehr ähnliche Ent-
wicklung von einer an die Kontur- bzw. Reliefkomposition
gebundenen Figurenwandkunst (Mosaiken in der Basler
Pauluskirche) zu einem auf der Farbe beruhenden Stil
(Bilder zu dem neuen Kurhaus in Baden-Baden) hat
Heinrich Altherr hinter sich; fast noch mehr als bei Caspar
und Brühlmann drängt sich bei ihm die Frage auf, ob die
gewiß höchst lockende Bemühung um das freierfundene
Figurenbild den an sich schon so dornenvollen Weg zur
Malerei nicht in einer Weise erschwert, die über die Kraft
dieses Künstlers geht. Zieht man noch die ehemaligen
Kalckreuth-Schüler Hofer und Freyhold in die Betrach-
tung herein, so ergibt sich selbst bei Hofer, der sicher von
allen in dieser Übersicht behandelten Künstlern am stärksten
und bedeutungsvollsten sich entwickelt hat, und der mit
seinen römischen Bittern sowohl auf Caspar wie auf
Brühlmann und E. R. Weiß lange Zeit bestimmend ein-
gewirkt hat, ganz dieselbe Fragestellung, während Frey-
hold durch seine kluge Beschränkung auf das ihm Mög-
liche doppelt liebenswert erscheint: In seinem Hasen-
bilderbuch und ähnlichen Werken dieser Gattung hat der
neue illustrativ-monumentale Wandstil, so paradox es auch
klingen mag, eine besonders sympathische Anwendung
gefunden, und Freyholds spätere Entwicklung zum Stil-
lebenmaler ist gerade deshalb so respektabel, weil er sich
dadurch selbst gezwungen hat, den sicheren Boden einer
wurzelfesten Malerei nicht zugunsten eines nur scheinbar
erhöhten Wolkenlebens zu verlassen. Von dem Hottzel-
schüler Eberz sind seine farbig und formal schön an-
gelegten und relativ gut durchstudierten, trotzdem leider
abgelehnten Kompositionen für eine Kirche in Kaisers-
lautern hervorzuheben, die ebenfalls zu den besten
Leistungen auf diesem Gebiet gehören. Eberz hat hier
dank dem bescheidenen Format die erschreckende Leere
mancher seiner allzugroßen Entwürfe in erfreulicher
Weise vermieden. Caspar führt hinüber zu dem in Stutt-
gart geborenen, in Jockgrim tätigen Haueisen, der am
wenigsten mit Archaismen sich beschwert und unter den
Genossen dieses schwäbischen Kreises am zielbewußtesten
die Malerei der Zeit zu lebendiger Monumentalität zu
steigern versucht. Ein Kartonkünstler vom alten Schlag,
ein Geistesverwandter von Cornelius und Rethel, ist
der seit kurzem in Stuttgart ansässige, vom Niederrhein
stammende Waldschmidt, der mtt den durch Schmidt-
Reutte bekannten Ausdrucksmitteln arbeitet. Aber sein
gewaltiger Linearstil führt ab von der Malerei, kommt
erst in der plastischen Reliefdarstellung zu einem ganz
reinen Ausdruck. Was er geben will und kann, ist das
höchste Maß an innerer Kraft und Spannung, das ein
bei aller Naturerfülltheit aufs äußerste vereinfachter
und ganz zur architektonischen Vorstellung gewandelter
Menschenkörper durch seine Form und Linie im Bild aus-
zuströmen vermag. Wenn Hodler seine ursprüngliche
und große Malersinnlichkeit vollends ganz abstreifen
würde, könnte man Waldschmidt mit den: gleich heroisch
gesinnten Schweizer am ehesten vergleichen. Auf die
Entwicklung der Malerei üben überragende Erscheinungen
dieser Art freilich eher einen hemmenden als fördernden
Einfluß. H. O. Schalter.
zy-